Teslas versenkbare Türgriffe können zum Problem werden – US-Behörden starten Untersuchung
Bei der US-Verkehrssicherheitsbehörde sind seit 2018 über 140 Meldungen zu klemmenden oder blockierten Tesla-Türen eingegangen. Die Insassen waren demnach gefangen und die Türen liessen sich auch von aussen nicht mehr öffnen. Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) hat deshalb am Montag eine Untersuchung eingeleitet und erklärt, dass sie auf zahlreiche Beschwerden von Tesla-Besitzern reagiere.
Im Fokus der Untersuchung stehen neun dokumentierte Meldungen zu Kindern, die in Tesla-Fahrzeugen eingeschlossen waren, weil sich die elektrischen Türgriffe plötzlich nicht mehr betätigen liessen. In der Regel waren die Eltern nicht in der Lage, die Türen ihres Tesla wieder zu öffnen, um ihre Kinder vom Rücksitz zu holen. Die in der Türe versenkten, elektrisch betriebenen Türgriffe seien wegen Problemen mit der Niedervolt-Batterie von aussen nicht zu öffnen gewesen, schreibt die NHTSA.
Fällt diese kleine 12-Volt-Batterie aus, lassen sich die Türen nicht mehr öffnen und müssen manuell entriegelt werden. Insbesondere für kleine, auf den Rücksitzen angeschnallte Kinder ist dies unmöglich. Auch Erwachsene kommen nur noch aus dem Auto, wenn sie wissen, wie man an die manuelle Notverriegelung gelangt.
Die Untersuchung konzentriert sich aktuell auf das Model Y, wobei die Aufsichtsbehörde erklärte, dass sie ausgeweitet werden könnte. Man werde «nicht zögern, Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu ergreifen». Die Behörde hat bereits Rückrufe bei Ford und Fisker wegen Türproblemen angeordnet.
Brisanter Bericht
Die eingeleitete Untersuchung kommt nur wenige Tage, nachdem die Nachrichtenagentur Bloomberg einen grossen Bericht über Tesla-Besitzer veröffentlichte, die nach Unfällen in ihren Fahrzeugen gefangen waren. In der Reportage «Keine Chance zu entkommen: Wenn Teslas zur Falle werden», dokumentieren drei Journalistinnen mehrere Fälle, in denen Tesla-Fahrer nach Unfällen in ihren Autos eingeschlossen blieben und teils verbrannten. Dies, weil die elektrischen Türgriffe ausfielen oder weder Insassen noch Ersthelfer die mechanische Notentriegelung fanden.
Wo Tesla die Notentriegelung platziert, unterscheidet sich je nach Modell. «Das Model 3 hatte bis 2023 keine mechanische Entriegelung für die hinteren Türen», schreibt Bloomberg und beim neuen Cybertruck fehlten klassische Türgriffe komplett. Die Türen öffnen sich stattdessen von aussen über Knöpfe an den unteren Fensterecken. Viele Rettungsversuche dürften schon an diesem wenig intuitiven Mechanismus scheitern.
Mechanische Notöffnung als Lebensretter
Im Normalfall werden die Türen nach einem Unfall automatisch entriegelt, auch bei versenkten Türgriffen. Der deutsche Verkehrsclub ADAC warnt aber, dass ohne Stromzufuhr nach einem Unfall elektrisch ausfahrbare Griffe im schlimmsten Fall eingefahren bleiben können – mit potenziell fatalen Folgen, etwa bei Fahrzeugbränden.
Stromabhängige und zur Verbesserung der Aerodynamik flach anliegende Türgriffe von Tesla und inzwischen auch anderen Herstellern wie Mercedes und BMW, werden von Experten immer wieder kritisiert. Sie würden nach Unfällen die schnelle Rettung von Insassen erheblich erschweren und «verwandeln die Sekunden nach einem Aufprall in einen Wettlauf gegen den Tod», schreibt Bloomberg.
«Aus Sicht des Mobilitätsclubs garantiert eine mechanische Lösung für das Ausfahren der Türgriffe die besten Chancen, nach einem Crash die Türen von aussen öffnen zu können – auch, wenn die Stromversorgung ausfällt», schreibt der ADAC. Flach anliegende Türgriffe seien nicht grundsätzlich ein Problem, sofern sie sich auch händisch herausklappen lassen.
Das Thema beschäftigt die Behörden auch in anderen Ländern: In China prüft eine führende Aufsichtsbehörde inzwischen ein Verbot vollständig versenkter Türgriffe.
(oli)
