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Elon Musk feuert Entwickler, weil seine Tweets zu wenig Liebe bekommen

Elon Musk Ende November 2022 in der Twitter-Firmenzentrale.
Elon Musk Ende November 2022 in der Twitter-Firmenzentrale.bild: twitter/elon musk

Musk feuert Twitter-Entwickler, der ihm die unbequeme Wahrheit sagte

Elon Musks Reichweite auf Twitter sinkt. Seine Reaktion darauf ist klassisch Musk.
10.02.2023, 17:0411.02.2023, 20:35
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Technische Pannen, wenig Abo-Kunden und schrumpfende Werbeeinnahmen: Bei Twitter läufts nicht rund. Der «Chief Twit» hat indes ein ganz anderes Problem. Elon Musk ist seit Wochen besorgt um seine persönliche Reichweite auf seinem sozialen Netzwerk, das er für 44 Milliarden US-Dollar gekauft hat.

Obwohl er fast 130 Millionen Follower hat, sieht nur ein Bruchteil davon seine Tweets. Zuvor hatten sich mehrere prominente rechtskonservative Twitter-User, mit denen Musk interagierte, darüber beschwert, dass sich ihre Reichweite bei Twitter verringert habe. Dies, nachdem sie nach Musks Twitter-Übernahme deutlich an Followern und Reichweite zulegen konnten.

Am Dienstag nun versammelte Musk eine Gruppe von IT-Ingenieuren in einem Raum in der Twitter-Zentrale in San Francisco und verlangte nach Antworten, warum seine Reichweite im Keller sei. Dies berichtete der im Silicon Valley bestens vernetzte Technologie-Insiderdienst Platformer. «Das ist lächerlich», sagte Musk demnach laut mehreren Quellen. «Ich habe mehr als 100 Millionen Follower und erhalte nur zehntausende von Impressionen».

Daraufhin versuchten die Software-Entwickler mit Daten zu belegen, dass die Menschen vielleicht einfach genug davon haben, ständig etwas von Musk zu hören. Einer der beiden verbliebenen Chefentwickler des Unternehmens stellte in den Raum, dass es völlig normal sei, dass das öffentliche Interesse an Musks Eskapaden mit der Zeit nachlasse.

Zur Stützung ihrer These zeigten die Twitter-Ingenieure ihrem CEO interne Daten zur Interaktion mit seinem Konto sowie ein Google-Trend-Diagramm, das zeigt, dass das Interesse an ihm seit April 2022 um den Faktor 10 zurückgegangen ist.

Du bist gefeuert, du bist gefeuert»
Twitter-CEO Elon Musk

Twitters Software-Entwickler hatten zuvor untersucht, ob Musks Reichweite irgendwie künstlich eingeschränkt worden war, fanden aber keine Hinweise darauf, dass der Twitter-Algorithmus gegen ihn voreingenommen ist.

Diese Antwort kam beim exzentrischen Tech-Milliardär laut dem Bericht schlecht an: Musk entliess den leitenden Ingenieur umgehend mit den Worten «du bist gefeuert, du bist gefeuert».

Unzufrieden mit der bisherigen Arbeit der Software-Entwickler habe Musk seine verbliebenen Mitarbeiter zudem angewiesen, zu verfolgen, wie oft jeder seiner Tweets empfohlen werde.

Twitter in der Bredouille

Unter Musk läuft es für Twitter nicht wie erhofft: Einer aktuellen Studie zufolge ist die Twitter-Nutzung in den Vereinigten Staaten seit der Übernahme durch den Tesla-Chef um fast 9 Prozent zurückgegangen. Der Umsatz ist um rund ein Drittel eingebrochen. Und am Mittwoch erlebte Twitter seine grösste technische Störung der letzten Zeit, bei der Usern fälschlicherweise mitgeteilt wurde: «Sie haben das tägliche Limit für das Senden von Tweets überschritten».

«Im Moment herrscht hier Chaos, also liefern wir Chaos aus.»
Anonymer Twitter-Mitarbeiter

Es stellte sich laut Platformer heraus, «dass ein Mitarbeiter versehentlich Daten für einen internen Dienst gelöscht hatte, der die Obergrenzen für die Nutzung von Twitter festlegt. Das Team, das an diesem Dienst arbeitete, verliess das Unternehmen im November.» Ein anonym zitierter Angestellter meinte dazu lakonisch: «Im Moment herrscht hier Chaos, also liefern wir Chaos aus.»

Die nach Musks Massentlassungen verbliebenen Entwickler seien vorab damit beschäftigt «neue Feuer zu löschen», die entstehen würden, weil die falschen Leute entlassen worden seien, zitiert Platformer mehrere aktuelle Twitter-Angestellte, die allesamt anonym bleiben wollen.

Triste Stimmung

Unter Musk wurden wohl ganze Teams bei Twitter gefeuert, andere sind auch durch Kündigungen der Angestellten radikal ausgedünnt. Dies hat Folgen: Die 8. Etage der Firmenzentrale sei noch immer mit Betten belegt, die die Mitarbeiter im Voraus reservieren müssten. «In den meisten Nächten unter der Woche sind sie ausgebucht», erzählte ein anderer Mitarbeiter.

Die Stimmung sei trist, viele befürchten aus einer Laune von Musk heraus gefeuert zu werden. Dieser sei von einer kleinen Gruppe von Ja-Sagern umgeben, die nach den Entlassungswellen eine Chance sehen, Karriere zu machen. Viele andere steckten den Kopf in den Sand und versuchten sich unsichtbar zu machen, bis sie einen neuen Job finden.

Dass sie nicht mehr freiwillig gehen, dürfte auch daran liegen, dass zuletzt zahlreiche Tech-Konzerne zehntausende Mitarbeiter entliessen oder einen Einstellungsstopp haben.

Positiv an Musks «Twitter 2.0» sei, dass viele interne Prozesse schneller abliefen. Das sei aber «ein zweischneidiges Schwert», wie das Chaos um die neuen Verfizierungs-Häckchen gezeigt habe, gab der Angestellte zu bedenken. Das Frustrierende mit Musk sei zudem, dass er überzeugt sei, über sämtliche Technologien Bescheid zu wissen. Doch «man kann nicht immer und überall die klügste Person im Raum sein».

Behörden machen Druck

Weiteres Ungemach droht Musk von den Aufsichtsbehörden in den USA und Europa. Twitter erfüllt seine Zusagen im Kampf gegen Desinformationen nicht, stellte die EU-Kommission am Donnerstag klar. Laut EU muss Twitter unter anderem deshalb seiner Verantwortung gerecht werden, weil Russland einen Desinformationskrieg führt.

Musk hatte zuvor ganze Teams, die Fake-News auf der Plattform identifizieren sollten, entlassen. In den USA hat sich Twitter ausserdem zu neuen Sicherheits- und Datenschutzprüfungen verpflichtet. Intern herrscht nun Besorgnis darüber, wie die verschärften Auflagen der Regulierungsbehörden eingehalten werden sollen.

Seit Musk das Ruder übernommen hat, seien diese Schritte zu einer Nebensache geworden, sagen die von «Platfomer» zitierten Angestellten. Seine Haltung sei im Grunde: «Leckt mich am Arsch, ihr Regulierungsbehörden».

Schon vor Musks Machtübernahme wurde Twitter im vergangenen Jahr mit 150 Millionen Dollar gebüsst, weil es User getäuscht hatte. Ein weiterer Verstoss würde mit ziemlicher Sicherheit zusätzliche Geldstrafen in mehrstelliger Millionenhöhe nach sich ziehen.

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
10.02.2023 17:31registriert August 2018
Elon verliert komplett die Nerven.

Elon ist am Ende.

Null Mitleid.

Ich will ihn aber noch ganz fallen sehen.
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Schlaf
10.02.2023 17:39registriert Oktober 2019
Der Mann machte einmal vieles richtig.
Es scheint ihm entgültig in den Kopf gestiegen zu sein. Solche Menschen braucht die Welt nicht.
Menschen, die mit ihrer Macht nicht mehr umgehen können verhalten sich alle gleich.
Haben eine Schaar Jasager um sich rum und sie wollen nur von denen mit Infos gefüttert werden. Ansonsten wird dir gekündigt.
Was für ein lächerliches Verhalten dies für uns Normalos doch ist.
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Bikemate
10.02.2023 18:05registriert Mai 2021
Kenne ich von unserem Geschäft. Wehe man benennt die Dinge die schief laufen beim Namen. Man bekommt sofort einen Einlauf von der GL. Sagt man nochmals etwas ist man weg vom Fenster. Dieser toxische Führungsstiel funktioniert langfristig einfach nicht.
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