Für Arbeitsplätze bei Tesla rollt Brandenburgs Regierung gerne den roten Teppich für den Musk-Konzern aus. Doch nach anhaltender Kritik von Mitarbeitern und Gewerkschaften werden erstmals kritische Stimmen aus Regierungskreisen laut. Selbst der Tesla äusserst wohlwollend gestimmte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat an den US-Elektroautohersteller appelliert, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Die Gewerkschaft IG Metall machte dem Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin zuvor happige Vorwürfe: Es geht um kalte Fabrikhallen, Stress und merkwürdige Schweigeklauseln im Arbeitsvertrag. Beschäftigte berichteten der Gewerkschaft von Unmut über belastende Arbeitszeiten, häufige Mehrarbeit an Wochenenden, eine sehr hohe Arbeitsbelastung und generell zu wenig Personal.
Das renommierte Technologie-Magazin «Wired» berichtete bereits im Dezember von einem «totalen Chaos» in der deutschen Tesla-Fabrik. Die Unzufriedenheit in der Belegschaft sei gross, auch erfahrene Angestellte verliessen die Firma.
Es gebe zahlreiche Krankheitsfälle und Tesla zahle oft schlechtere Löhne als die deutschen Autobauer. Tesla verliere deswegen laufend Personal, was die Stimmung drücke. «Manche Leute sind länger krankgeschrieben, als sie tatsächlich gearbeitet haben», zitierte «Wired» einen Mitarbeiter.
Dies ruft nun die Politik auf den Plan, die sich lange mit Kritik zurückhielt, da Tesla in Ostdeutschland Tausende Arbeitsplätze generierte.
Kurz vor Weihnachten schrieb auch der Tagesspiegel über angeblich «chaotische Verhältnisse» innerhalb des Werkes. Dies insbesondere in der Giesserei, die anders als der Rest der Fabrik bereits im vergangenen Jahr im Drei-Schicht-Betrieb arbeitete. Die Zeitung zitierte einen anonym bleibenden Arbeitnehmervertreter, der von «knallharter Ausbeutung» und «Zwangsverpflichtungen» berichtete, weil viele Kollegen ausgefallen seien.
Seit dem 8. Januar 2023 läuft das ganze Werk im Drei-Schicht-Betrieb, also rund um die Uhr, berichtete zuletzt das deutsche Tech-Portal Golem. Tesla suche händeringend nach Mitarbeitern, auch weil die Fluktuation aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen hoch sei. Ein «Tesla-naher Insider» bestätigte die Abgänge gegenüber dem «Tagesspiegel», die sich aber angesichts der zahlreichen Neueinstellungen im üblichen Rahmen bewegten. Nicht jeder komme mit den Anforderungen und dem für Tesla üblichen Leistungsdruck klar.
Einige Mitarbeiter geben hingegen «zahlengetriebenen Einstellungszielen» die Schuld an der Misere. «Die Leute in der Personalabteilung wollen ihre Einstellungsziele erreichen, also sagen sie alles, um Leute einzustellen, kümmern sich aber nicht darum, diese Arbeiter zu halten», lauten Vorwürfe von Angestellten, die «Wired» publik machte.
Ein Angestellter erzählte, dass es bei seiner Einstellung hiess, dass er «je nach Projekt an Wochenenden und nachts arbeiten müsse». Er habe dies als gelegentliche Nacht- und Wochenendarbeit aufgefasst. Doch kurz vor Stellenantritt hätten er und andere ohne Vorwarnung eine neue Stellenbeschreibung erhalten, in der verlangt worden sei, Früh-, Nacht- und Wochenendschichten zu übernehmen. «Ich habe einen kleinen Sohn und für uns war das schwer zu bewältigen», sagte der Mitarbeiter, der das Unternehmen im September verlassen hat. Tesla habe für seine Beschwerde kein Verständnis gezeigt.
Nach Angaben der IG Metall zahlte Tesla in Deutschland 2022 je nach Funktion fast 20 Prozent weniger als vergleichbare Unternehmen. Nachdem die Gewerkschaft rechtliche Schritte angedroht hatte, erhöhte Tesla die Gehälter pauschal um sechs Prozent. Laut IG Metall bleibt Tesla auch mit dieser Anhebung deutlich unter dem Niveau des branchenüblichen Lohns.
Zur Kritik der Gewerkschaft an Tesla sagte Wirtschaftsminister Steinbach, dass es nur den Unternehmen langfristig gelingen werde genügend Fachkräfte zu halten, die attraktive Arbeitsbedingungen bieten würden. Dies gelte angesichts der Engpässe bei Fach- und Arbeitskräften in Brandenburg auch für Tesla. «Ausserdem können sich Beschäftigte an den Betriebsrat wenden, wenn es Probleme oder Anliegen gibt», sagte Steinbach gegenüber dem «Handelsblatt».
Im Betriebsrat der sogenannten Gigafactory hat die Gewerkschaft IG Metall bislang allerdings wenig zu melden. Stattdessen kontrolliert eine arbeitgeberfreundliche Vertreterliste namens Gigavoice die Mehrheit im Betriebsrat. Dies könnte sich frühestens 2024 ändern, sofern es der IG Metall gelingt, bei der nächsten Betriebsratswahl die Mehrheit der Sitze zu gewinnen.
Aktuell sind die Beschäftigten laut IG Metall verunsichert, ob sie überhaupt mit der Gewerkschaft über ihre Arbeitsverträge sprechen dürfen. Denn sie mussten mit dem Arbeitsvertrag eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen, auf die im Unternehmensalltag auch immer wieder hingewiesen werde. Dass ernsthaft die Frage gestellt werde, ob man mit der Gewerkschaft sprechen dürfe, kenne man «aus anderen Unternehmen so in der Form und in der Häufigkeit nicht», heisst es seitens IG Metall.
Zudem treibe viele Beschäftigte die Sorge um, dass sie bald von einem Security Intelligence Investigator überwacht werden könnten. Tesla hatte jüngst eine Stelle für einen internen Sicherheitsermittler mit Geheimdienstfähigkeiten ausgeschrieben. Dieser soll Datenabfluss und Diebstahl geistigen Eigentums verhindern oder gegen Whistleblower vorgehen, die Medien über Missstände informieren.
Tesla sei mit seiner firmeninternen Politik noch immer nicht in Europa angekommen, sagte CDU-Politiker Bäumler dem «Handelsblatt». «Die Geheimhaltungsvorschriften bei diesem Automobilproduzenten erinnern an eine Sekte.»
Die IG Metall moniert, bei Tesla gebe es keine Führungskultur, die eine offene Debatte über Anliegen der Mitarbeiter fördere. Der US-Konzern zeige gegenüber Gewerkschaften auch keine Dialogbereitschaft.
SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe kritisierte, Tesla sei der einzige Automobilhersteller in Deutschland ohne einen Tarifvertrag. «Wozu das führt, sehen wir jetzt: Überbelastung, Unsicherheit und Bespitzelung durch die Chefetage.»
Tesla äusserte sich laut «Handelsblatt» nicht zu Vorwürfen.
Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 8500 Mitarbeiter im Werk in Grünheide. Örtliche Arbeitsmarktexperten sagten «Wired», es sei unwahrscheinlich, dass es Elon Musk gelingen werde, die eigentlich benötigten 12'000 Mitarbeiter in Zeiten des Fachkräftemangels aufzutreiben. In der gewerkschaftlich organisierten deutschen Automobilbranche gelte der US-Konzern als unattraktiver Arbeitgeber.
Trotz Personalmangel baut Tesla seine Kapazität in Deutschland aus. Im vergangenen Dezember wurden erstmals 3000 Model Y in einer Woche in Grünheide hergestellt. Ursprünglich wollte Tesla allerdings bis Ende 2022 mindestens 5000 Elektroautos pro Woche fertigen.
Congrats to the Giga Berlin team on building 3k Model Y this week! pic.twitter.com/uUTOTRrasX
— Tesla (@Tesla) December 18, 2022
Tesla plant bereits die Erweiterung seiner Gigafactory. Umweltschützer warnen davor, weil ein Teil des Areals im Wasserschutzgebiet liegt. Elon Musk dürfte Deutschland somit noch lange auf Trab halten.
Unternehmer*innen sind nicht gleich Unternehmer*innen. Arbeitsplätze sind nicht gleich Arbeitsplätze. Das sollte sich die Politik hinter die Ohren schreiben und zwei mal überlegen an welche Bedingungen man Steuervorteile für neue Arbeitsplätze knüpft.