Digital
Gesellschaft & Politik

Wegen dieses Bildes hat Facebook meinen Account gesperrt #JeSuisCharlie

Die alltäglichen Grenzen der Meinungsfreiheit

Wegen dieses Bildes hat Facebook meinen Account gesperrt #JeSuisCharlie

So viel vorneweg: Es war keine blasphemische Karikatur, keine offensichtliche Gewaltdarstellung und kein Aufruf zu rassistischer Hetze. Da liesse Facebook mit sich reden. Nein, es war eine Liebkosung zwischen zwei Menschen. Mit viel Haut. Das geht gar nicht!
28.01.2015, 14:3728.01.2015, 16:47
Philipp Meier
Mehr «Digital»

Das Web 2.0 wurde in den USA erfunden. Kein Wunder, wurde dieses #Neuland umgehend amerikanisch kolonialisiert. Dabei lautet die Devise bekanntlich: Gewaltdarstellungen sind kein Problem, nackte Haut hingegen geht gar nicht. 

Deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass Facebook nur den erotischen Aspekt meines Bildes kritisierte und nicht die dosierte Gewaltanwendung des Mannes. Dies war Grund genug, um meinen Account drei Tage zu sperren.

Dass keine primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale erkennbar sind, scheint nebensächlich zu sein.

Findest du den Unterschied zwischen Bart- und Schamhaar?
Findest du den Unterschied zwischen Bart- und Schamhaar?Bild: tumblr/letmedothis

Das Hauptargument zur Löschung von Bildern mit zu viel nackter Haut lautet seitens Facebook immer: Die Plattform ist auch für Minderjährige zugänglich. Anmerkung: Wer einen Account eröffnen möchte, muss mindestens 13 Jahre alt sein.

Als ob ich diese Begründung seitens Facebook erwartete, führte ich in der Diskussion zum Bild das wahrscheinliche Verhalten meiner Kinder (7 und 11 Jahre alt) ins Feld: 

Das Lob kommt übrigens von einer Dame.
Das Lob kommt übrigens von einer Dame.Bild: Facebook/philippmeier

Leider ist der gesamte Diskurs zusammen mit dem Bild verschwunden. Den Screenshot machte ich nur, weil ich den Kommentar des potenziellen Denunzianten festhalten wollte.

«Facebook kann seine Richtlinien nur deshalb durchsetzen, weil es den Button ‹Melden› gibt. Sprich: Es fördert das Denunziantentum.» 

Böse Zungen würden von «Stasi 2.0 Methoden» schreiben; hier mit Bezug auf ein grosses Unternehmen. Das geht mir jedoch zu weit. Meine Mutter stammt aus der ehemaligen DDR und da konnten die Konsequenzen durch denunzieren viel einschneidender sein, bis hin zu Haft und Folter.

Ich wurde nur drei Tage gesperrt. Dabei konnte ich alles sehen, jedoch nichts posten, liken und kommentieren. Das ist für einen wie mich, der zu einem grossen Teil durch seine Facebook-Aktivitäten sein Geld verdient, nicht ohne. Es ist jedoch nicht das erste mal, dass mein Account gesperrt wurde. Deshalb war ich darauf vorbereitet ;-)

Bevor ich mich zu den Aktivitäten des (potentiellen) Denunzianten äussere und dazu, weshalb ich im Titel den Hashtag #JeSuisCharlie anhängte, hier nun das Vorgehen seitens Facebook, als mein Account gesperrt wurde.

Sperrung eines Accounts - So informiert Facebook

1 / 9
Sperrung eines Accounts - So informiert Facebook
Als erstes wurde ich bei allen Verknüpfungen ausgeloggt. Beim einloggen wurde ich hiermit begrüsst.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Beim Bild, das ich auf Facebook teilte, sah ich vor allem eine berechtigte Kritik: Die Bein-Fessel, an der der Mann kräftig zieht, ist sexistisch.

Abgesehen davon, dass das Frauen sehr wohl luststeigernd empfinden können - was einige in der Diskussion zum Bild herausstrichen, und auch den Erfolg von «Fifty Shades of Grey» ausmacht - wird das sexistische dadurch aufgehoben, dass der Mann unterwürfig dargestellt wird.

Es ist trotzdem bedenkenswert und diskussionswürdig. 

«Ich möchte bewusst mit Menschen auf Facebook verbunden sein, die nicht meiner Meinung sind. Wer jedoch bezüglich Zensur Handlanger von Facebook wird, den blockiere ich.» 

Ohne böse Vorahnung suchte ich deshalb die Facebook-Wall des potentiellen Denunzianten auf. Überraschenderweise stiess ich dort auf diejenige Form von Sexismus, die Facebook zulässt. 

Küsschen, Küsschen
Küsschen, KüsschenBild: facebook/screenshot
Sportlich und elegant zugleich
Sportlich und elegant zugleichBild: facebook/screenshot

Ich blockierte ihn und kam nicht umhin, sein Ansinnen kritisch zu hinterfragen. Meldete er mein Bild wirklich wegen der Nacktheit oder benutzte er es, um mir eins Auszuwischen?

Er hätte ganz einfach das Bild löschen und mich blockieren können. Dadurch hätte er nie mehr was von mir zu sehen bekommen.

Neben dem Trollen kann also auch der Melde-Button dazu benutzt werden, um missliebige Personen zu nerven. Nicht auszumalen, welche Türen der neue Button öffnet, den Facebook bald einführen wird: Das Melden von so genannten «Web-Hoax».

Das könnte dich interessieren:

Was hat das Alles mit #JeSuisCharlie zu tun?

Ist es nicht ein Hohn gegenüber den Opfern des Charlie Hebdo Attentats, wenn ich meine kleine Facebook-Sperre mit einem barbarischen Terror-Anschlag auf die Redaktion einer Satire-Zeitung vergleiche?

Ja und Nein.

Ja, weil ich weiter oben bereits den Vergleich zwischen dem Denunziantentum auf Facebook mit «Stasi 2.0» zu überzogen fand.

Nein, weil wir uns in unserem Alltag viel öfters die Frage stellen sollten, wo unsere Meinungsfreiheit beschnitten wird. Nicht selten geschieht es sehr subtil und meistens haben wir uns sogar bestens mit unserer Schere im Kopf arrangiert.

Es stellt sich also die Frage, weshalb zwar die Gefühle eines Moslems verletzt werden dürfen - sogar Mark Zuckerberg schrieb #JeSuisCharlie - aber nicht von denen, die zuviel nackte Haut stört.

Bekanntlich war der #JeSuisCharlie-Chor sehr vielstimmig und oft ziemlich verlogen. Das zeigt gerade auch dieses Beispiel. 

Wenn wir aus #JeSuisCharlie eine Lehre ziehen sollten, dann diese: Wir sollten uns viel öfters darauf achten, wo wer durch wen in seiner Meinungsfreiheit beschnitten wird.

Das ist zwar anstrengend, aber es wäre viel differenzierter, als zu gegebenem Anlass einfach mal die mediale Bühne zu betreten und scheinheilig #JeSuisCharlie zu sagen.

Das könnte dich interessieren:

Facebook-Phänomen «Plank Challenge»: Auf einmal wollen alle mitmachen

1 / 11
Facebook-Phänomen «Plank Challenge»: Auf einmal wollen alle mitmachen
Beim Planking liegen die Nutzer auf dem Bauch, schauen nach unten und legen die Arme an den Körper. Wie ein Brett harren Menschen dann an den unmöglichsten Orten aus.
quelle: getty images north america / joe raedle
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Anded
28.01.2015 16:46registriert Oktober 2014
Nimms nicht persönlich, aber für mich als aussenstehenden (war nie Facebook Mitglied) tönst du wie ein Teenager, dem die Eltern für eine Woche die PlayStation weggenommen haben, weil er den kleinen Bruder Ballergames spielen liess (und dann von diesem verpetzt wurde). Wenn man noch bei den Eltern wohnt dürfen die halt die Regeln aufstellen. Charlie erwartet auch nicht, dass eine andere Zeitung ihre Zeichnungen druckt. Sie haben dafür eine eigene Zeitung. Ich beschwere mich ja auch nicht über die 600 Zeichen Kommentarlimit auf watson.ch, welche ebenfalls meine "freie Meinungsäusserung" beschnei
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Paris
02.02.2015 09:37registriert Januar 2015
Wer seine sexuellen Präferenzen und sein Sexleben im Internet so darstellen muss, hat meiner Meinung nie wirklich Sex. Ich verstehe es nicht, warum solche Fotos im Internet veröffentlicht werden und die Verbindung zu Charlie Hebdo sehe ich auch nicht ganz.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Miicha
28.01.2015 16:25registriert März 2014
Mein Gott... so ein Theater wegen einem Bild? Dann lösch deinen Account bei Facebook, wenn du mit der Policy nicht einverstanden bist.
00
Melden
Zum Kommentar
24
«Vermieter sollen Ladestationen für E-Autos nicht mehr verbieten dürfen»
Schweizer kaufen zu wenig E-Autos. Krispin Romang, Direktor des Verbandes Swiss eMobility, über die Gründe, warum wir für die E-Auto-Wende nicht bereit sind und warum sich «Stromer» trotzdem durchsetzen werden.

Fehlende Heimlademöglichkeiten verhindern oftmals den Umstieg aufs E-Auto. Bislang sind Mieter, die eine Ladestation benötigen, auf das Wohlwollen ihres Vermieters angewiesen. Der Nationalrat wollte dies im Juni ändern. Er nahm gegen den Willen des Bundesrats und Hauseigentümerverbands (HEV) eine Motion von GLP-Präsident Jürg Grossen an, die Mieterinnen und Stockwerkeigentümern den Anspruch auf eine Heimladestation garantieren würde. Doch in Bundesbern gibt es weiterhin Widerstand.

Zur Story