Donald Trump mag Huawei nicht. Er glaubt, China nutze die Technologie des Konzerns, um die USA auszuspionieren. Dies führte im Mai 2019 dazu, dass die US-Regierung Huawei auf eine schwarze Liste gesetzt hat, welche US-Unternehmen die Zusammenarbeit mit Huawei verbietet.
Diese Einschränkung betrifft auch Google, welches Software, die nicht Open Source ist, vorerst nicht mehr an Huawei lizenzieren darf. Die Folge: Neue Huawei-Handys ohne Google-Lizenz dürfen keine Google-Apps nutzen und verlieren damit den Zugang zum Play Store.
Hauptsächlich davon betroffen ist das Huawei-Flaggschiff Mate 30 Pro, das eigentlich bereits Mitte September vorgestellt wurde. Doch ohne Google-Apps zögert Huawei mit der Veröffentlichung des Handys auf dem europäischen Markt. Denn was für Tech-Nerds, Datenschützer und Bastler ein Segen sein dürfte, stellt den durchschnittlichen Handy-Nutzer womöglich vor unzumutbare Herausforderungen.
Huawei hat uns trotzdem schon einmal ein Testgerät zukommen lassen, bei dem wir vor allem einer Frage nachgegangen sind: Wie alltagstauglich ist ein Huawei-Handy ohne Google-Apps – und vor allem ohne Play Store? Im nachfolgenden Text beantworten wir die wichtigsten Fragen dazu und räumen den Mythos auf, wonach man Google-Apps problemlos nachinstallieren und benutzen kann.
Nachdem bekannt wurde, dass das Mate 30 Pro keine Google Apps nutzen darf, dachten sich viele Android-Kenner, dass man ja einfach den Play Store aus einer externen Quelle herunterladen und installieren kann – und zack, ist das Problem gelöst. Dies ist gang und gäbe, wenn man sich ein Handy aus China importiert, welches in Europa nicht erhältlich ist und darum keinen Play Store installiert hat.
Das Problem beim Mate 30 Pro ist aber nicht der fehlende Play Store, sondern die fehlenden Google Mobile Services, kurz GMS. Diese beinhalten diverse Schnittstellen, welche nicht nur von Google-Apps, sondern auch Anwendungen von Drittanbietern genutzt werden. GMS sind nicht Open Source und daher darf Huawei diese nicht auf dem Mate 30 Pro installieren. Und weil Google Mobile Services tief im System verankert sind, kann man sie auch nicht einfach mit ein paar Klicks herunterladen und selbst installieren.
Ebenfalls fehlen auf dem Mate 30 Pro die sogenannten Google Play Services. Diese sind ein Bündel von Hintergrunddiensten, die Apps den Zugang zu verschiedenen Funktionen ermöglichen. So wird beispielsweise sichergestellt, dass selbst eine veraltete Android-Version Push-Nachrichten anzeigen oder gewisse Dienste für Games bereitstellen kann.
Die Google Play Dienste sind ebenfalls nicht Open Source, können aber immerhin als App nachinstalliert werden. Allerdings sollte man äusserst vorsichtig sein, woher man die Google-Services-App bezieht. Mehr dazu weiter unten.
Ohne Google Mobile Services und Google Play Services funktionieren die meisten Google Apps nicht oder nur sehr eingeschränkt. Sprich: Ja, du kannst zwar alle Google-Apps nachinstallieren, nur funktionieren die allermeisten nicht richtig. So konnten wir beispielsweise den Google Play Store problemlos von einer externen Quelle aus installieren – allerdings liess er sich anschliessend nicht öffnen.
Ohne Play Store kann man sich also den Zugang zu Apps via Play Store schon einmal abschminken. (Wie ihr trotzdem an Anwendungen kommt, lest ihr weiter unten.)
Wir haben die wichtigsten Google Apps auf unserem Testgerät nachinstalliert, um zu prüfen, ob sie funktionieren oder nicht. Dabei haben wir das Gerät so belassen, wie es aus der Verpackung kommt – sprich, wir haben die Google Play Services nicht nachinstalliert.
Folgende Google Apps haben auf unserem Testgerät nicht funktioniert (Stand 19.11.2019):
Folgende Google Apps haben auf unserem Testgerät teilweise funktioniert (Stand 19.11.2019):
Folgende Google Apps haben (auf den ersten Blick) ohne Einschränkung funktioniert (Stand 19.11.2019):
Anschliessend haben wir die Google Play Services manuell nachinstalliert. Sehr viel bringt das allerdings nicht. Zwar läuft dann YouTube, allerdings funktioniert dann witzigerweise Google Maps nicht mehr wirklich. Der grösste Teil der Google Apps bleibt damit auch mit installierten Google Play Services unnutzbar.
Das muss wohl jeder und jede für sich selbst herausfinden. Grundsätzlich ist es so, dass zu jeder Google-App eine brauchbare Alternative existiert. Teilweise sogar eine bessere. Der grosse Vorteil der Google-Apps ist aber natürlich, dass sie perfekt aufeinander abgestimmt sind und zusammenarbeiten.
Ein weiterer, problematischer Punkt ist die Bezugsquelle der Alternativen. Da man diese nicht aus dem Play Store laden kann, stellt sich die Frage, woher man diese nimmt. Versierte User werden wohl einfach die APK-Datei von ihrem alten Handy portieren. Wem das zu kompliziert ist, muss auf einen alternativen Play-Store ausweichen. (Dazu weiter unten mehr.)
Wer sich jetzt sagt «Easy, ich brauch keine Google-Apps, ich hab genug Alternativen», hat womöglich trotzdem das Nachsehen. Denn fast alle Apps von Drittanbietern nutzen auf irgendeine Art und Weise Google-Dienste oder Schnittstellen – und sei es nur, um zu überprüfen, ob ein Update im Google Play Store verfügbar ist.
Wenn eine App den Play Store nicht mehr auf Updates überprüfen kann, ist das unter Umständen vernachlässigbar. Allerdings gibt es auch Anwendungen, die auf wichtige Schnittstellen der GMS zugreifen müssen und darum überhaupt nicht mehr funktionieren. Ein Beispiel dafür ist Twint, das die Bezahl-API von Google nicht findet und darum den Dienst verweigert.
Auch wer sich ursprünglich bei einer App via Google registriert und nie ein anderes Login erstellt hat, hat Pech gehabt, denn weder Registrieren noch Anmelden via Google ist möglich. So kann es also passieren, dass man aus seinem eigenen Account ausgeschlossen wird.
Besser ist es da natürlich, wenn man sich seine Apps aus dem Huawei-eigenen Store namens App Gallery besorgt. Huawei-Chef Richard Yu hatte bereits im September versprochen, dass man rund eine Milliarde US-Dollar investieren werde, um die App Gallery auszubauen und Entwickler dabei zu unterstützen, ihre Apps zum Huawei-Ökosystem zu portieren. Die fehlenden Google Mobile Services werden dabei von Huawei durch die Huawei Mobile Services ersetzt.
Die Frage ist natürlich, wie gut ist die App Gallery im Moment? Wir haben uns die vorinstallierte Play-Store-Alternative der Chinesen angeschaut.
Ein erster Blick in die App Gallery bestätigt einem, was viele von euch schon vermuten dürften: Das Angebot für europäische, respektive Schweizer Nutzer ist sehr begrenzt. Und das ist sogar noch optimistisch formuliert. So ist von den aktuell zehn beliebtesten Apps im Play Store nur gerade eine in der App Gallery verfügbar. Bei dieser handelt es sich um die chinesische App TikTok, bei der es wegen ihrer Herkunft wenig verwundert, dass sie bei Huawei verfügbar ist.
Auch wenn man einfach mal ein bisschen auf gut Glück durch die verschiedenen Kategorien scrollt, sind Apps auf deutsch Mangelware. Und selbst wem englische Apps recht sind, wird nur eine kleine Auswahl finden. Meist muss man sich durch eine Mischung aus etwas dubios wirkenden und chinesischen Apps wischen.
Dennoch: Huawei scheint bemüht, bekannte Apps in ihre App Gallery zu holen. So sind bereits nach sieben Tagen einige Anwendungen in der App Gallery aufgetaucht, die zuvor noch nicht da waren. (Unter anderem ist nun auch watson News verfügbar). Wegen des US-Banns sollte man aber nicht so schnell mit US-amerikanischen Apps wie WhatsApp, Instagram oder Microsoft Office rechnen.
Die App Gallery als Alternative zum Play Store ist damit in etwa so gut, wie ein Tante-Emma-Laden als Alternative zu einem Einkaufszentrum.
Eine weitere Möglichkeit, an Apps zu gelangen, ist der Weg über einen App Store eines Drittanbieters. Bekannte Anbieter sind unter anderem APK Pure, APK Mirror und F-Droid.
Bei diesen Stores sollte man aber immer im Hinterkopf behalten, dass die genaue Herkunft der Installationsdateien nicht immer ganz klar ist. Zwar gelten APK Pure, APK Mirror und F-Droid grundsätzlich als vertrauenswürdige Seiten, die durch verschiedene Methoden versuchen, gefährliche Apps auszusortieren.
Dennoch findet man in diesen Stores auch immer wieder modifizierte Apps oder Fälschungen, mit denen man sich im schlimmsten Fall Schadcode einfängt. Vor allem, wenn es sich um eine Gratis-Anwendung handelt, die im Google Play Store kostenpflichtig ist, sollte man lieber die Finger davon lassen. Ebenfalls sollte man keinesfalls Apps aus diesen Shops beziehen, die mit sensiblen Daten zu tun haben (es sind beispielsweise durchaus Schweizer eBanking-Apps in APK Pure zu finden).
Eine weitere Alternative ist der Amazon Appstore. Diesen kann man ganz einfach über die Amazon-Website herunterladen und installieren. Allerdings ist für den Zugang ein Amazon-Konto zwingend nötig.
Äuffällig ist, dass Huawei einem die Installation von Apps von Beginn an erleichtert. So muss man in den Einstellungen nicht mehr die Installation von Apps aus externen Quellen explizit aktivieren.
Stattdessen poppt beim Installieren eine Meldung auf, bei der man über die Risiken aufgeklärt wird. Anschliessend kann man die App aber ohne Umwege installieren. Auch der optionale Virencheck ist löblich. Ob dieser allerdings jede Gefahr erkennt, ist schwer zu sagen.
Grundsätzlich sollte man die Apps, wenn immer möglich, direkt von der Hersteller-Website beziehen. Sowas ermöglicht beispielsweise WhatsApp. Nur so kann man davon ausgehen, dass die Anwendung nicht von fremden Personen modifiziert wurde.
Im Moment kursieren diverse Anleitungen im Netz, die es ermöglichen sollen, die Google Mobile Services mit allen Google-Apps nachzuinstallieren. Zwar kann es durchaus sein, dass diese Anleitungen zum Erfolg führen, allerdings geht man damit ein erhebliches Sicherheitsrisiko ein.
In der Regel wird bei solchen Workarounds tief ins System eingegriffen und fremden Programmen vollen Zugriff (Administratorreche) auf das Handy gewährt. Wer auch immer diese Programme kontrolliert, hat dann uneingeschränkten Zugriff auf euer Smartphone. Ganz davon abgesehen, dass Software-Basteleien am Betriebssystem dessen einwandfreie Funktion gefährden können.
Ein Leben mit dem Huawei Mate 30 Pro ohne Google-Apps ist möglich, keine Frage. Allerdings braucht das Einrichten viel mehr Zeit und Nerven. Die App Gallery als Play-Store-Alternative scheidet aus, da sind alternative App-Stores besser. Allerdings können Anwendungen daraus gefährlich sein und funktionieren oft nicht korrekt, da die Google Mobile Services fehlen.
Den durchschnittlichen Handy-Nutzer wird das Mate 30 Pro damit vermutlich überfordern und es ist verständlich, warum sich Huawei deshalb scheut, das Mate 30 Pro auf den europäischen Markt zu bringen. Bastler und Tech-Enthusiasten wiederum dürften am Mate 30 Pro ihre helle Freude haben.