Vor gut einem Monat hat Microsoft seine Suchmaschine Bing mit künstlicher Intelligenz und einem Chatbot à la ChatGPT massiv aufgewertet und zur Jagd auf Google geblasen. Nun legt der weltgrösste Softwarekonzern nach und erweitert seine Office-Programme mit KI-Funktionen.
Umfassende Funktionen künstlicher Intelligenz werden die Büro-Anwendungen integriert, wie Konzernchef Satya Nadella am Donnerstag in Redmond ankündigte.
Mit dem «Microsoft 365 Copilot» könnten Anwenderinnen und Anwender von Office-Programmen von den neuartigen KI-Funktionen profitieren, die seit Monaten in der IT-Fachwelt und darüber hinaus für Aufsehen sorgen.
Zu den Programmen zählen etwa die Textverarbeitung Word, die Präsentationssoftware PowerPoint, die Tabellenkalkulation Excel sowie das E-Mail- und Kalenderprogramm Outlook.
Der Microsoft-Konzernchef stellte die Ankündigung in eine Reihe mit der legendären Vorstellung der grafischen Bedienungsoberfläche durch den Computer-Wissenschaftler und Erfinder Doug Engelbart (1963) und mit der Premiere des ersten iPhones (2007).
Nie mehr an der passenden Formulierung eines wichtigen Business-E-Mails verzweifeln? Keine Stunden mit dem Erstellen von Powerpoint-Präsentationen mehr verbraten?
«Dies wird die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändern und eine neue Welle des Produktivitätswachstums freisetzen», verspricht Nadella. Mit dem neuen «Copiloten für die Arbeit» gebe Microsoft den Menschen mehr Handlungsspielraum und mache Technologie über die universellste Schnittstelle – die natürliche Sprache – zugänglicher.
So stellte Nadella zusammen mit Microsoft-Manager Jared Spataro einen neuartigen Business Chat vor. Dieser arbeitet nicht nur mit den Daten eines öffentlichen KI-Sprachmodells, sondern greift auch auf persönliche Daten wie Kalender-Einträge, E-Mails, Chats sowie andere Dokumente der Anwenderinnen und Anwender zurück.
«Damit können Sie Dinge erledigen, die Sie bisher noch nie tun konnten», versprach Spataro. So könne man dem Programm mündlich Anweisungen geben, wie zum Beispiel: «Sagen Sie meinem Team, wie wir die Produktstrategie aktualisiert haben.» Die Software werde dann ein entsprechendes Status-Update auf der Grundlage der Besprechungen, E-Mails und Chat-Verläufe zu dem Thema erstellen.
Mit der breit angelegten KI-Offensive greift Microsoft zum einen die bislang unangetastete Führungsposition von Google in den Bereichen Internet-Suche und Online-Werbung an. Hier spielt die Integration des Text-Roboters ChatGPT in Bing und den Browser Microsoft Edge eine massgebliche Rolle.
Mit «Microsoft 365 Copilot» will der weltgrösste Software-Konzern zum andern seine Vormachtstellung im Bereich der Office-Software absichern und weiter ausbauen.
Die von Microsoft verwendete Technik setzt auf dem Sprachmodell GPT-4 auf, das erst am Mittwoch vom kalifornischen Start-up OpenAI einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt worden war. GPT-4 soll unter anderem bessere Ergebnisse als die vorherigen Varianten liefern und versteht auch visuelle Inhalte als Eingabe.
Microsoft-Manager Spataro betonte, der «Microsoft Copilot» sei aber mehr als ChatGPT von OpenAI. Es handle sich um eine «hochentwickelte Verarbeitungsmaschine, die hinter den Kulissen arbeitet», um die Leistung von öffentlichen Sprachmodellen mit den Microsoft-365-Apps und den damit erzeugten Daten («Microsoft Graph») zu kombinieren.
Microsoft testet Copilot derzeit «mit 20 Kunden», darunter soll es mehrere sehr grosse US-Unternehmen haben. Die Tests würden «in den kommenden Monaten» auf weitere Organisationen ausgeweitet. Jedoch will oder kann das Unternehmen noch nicht mitteilen, wann einzelne Microsoft-365-Abonnenten die neuen KI-Funktionen nutzen können.
Man werde «bald mehr über Preise und Lizenzierung mitteilen», heisst es, was gemäss Ars Technica darauf hindeutet, dass es ein kostenpflichtiges Add-on zusätzlich zu den Kosten eines Microsoft 365-Abos geben könnte.
Microsoft integriert dieses Jahr KI-gestützte Funktionen in all seinen grossen Produkte, insbesondere in die Bing-Suchmaschine, aber auch in Skype und Windows 11. Möglich ist das dank einer Multi-Milliarden-Dollar-Partnerschaft mit OpenAI, dem KI-Unternehmen hinter ChatGPT.
Ein Microsoft-Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur, «Microsoft 365 Copilot» und der «Business Chat» könnten auch bedenkenlos in der Europäischen Union eingesetzt werden, da sie die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU erfüllten.
Die KI-Lösungen seien auch nicht an den Einsatz der englischen Sprache gebunden, sondern würden auch beispielsweise auf Deutsch gut funktionieren.
Am Dienstag hatte Google bereits angekündigt, eine Reihe von neuen generativen KI-Funktionen für seine verschiedenen Workspace-Apps auf den Markt zu bringen, darunter Google Docs, GMail, Sheets und Slides.
Zu den KI-Funktionen gehören unter anderem neue Möglichkeiten, Texte mit KI zu generieren oder zusammenzufassen sowie Ideen zu sammeln. Dank der KI können dann vollständige E-Mails in Gmail auf der Grundlage von knappen Aufzählungspunkten erzeugt werden.
Der Chef von Google Cloud, Thomas Kurian, betonte, bei der Integration von sensiblen Daten aus den Unternehmen werde der Datenschutz strikt gewährleistet. Kunden könnten Verschlüsselungsverfahren mit einem eigenen Schlüssel einsetzen, so dass Google selbst keinen Zugriff auf die Daten habe. Die Kunden-Daten würden auch nicht mit dem Daten-Pool für die öffentliche Google-Suche vermengt.
Googles Textroboter heisst «Bart», steht aber im Gegensatz zu ChatGPT noch nicht einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.
Preise für die KI-Schnittstellen und Entwicklungsbaukästen hat Google am Dienstag noch nicht genannt. Diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden.
Die grossen IT-Anbieter Microsoft und Google befinden sich auch in einem globalen Wettbewerb, vor allem mit China. Der chinesische Internetkonzern Baidu sorgte am Donnerstag allerdings mit seiner Antwort auf ChatGPT für eine Enttäuschung bei den Anlegern. Während Firmengründer Robin Li einen ersten Einblick in die Fähigkeiten der Ernie Bot genannten Anwendung gab, rutschte die Aktie des Unternehmens an der Hongkonger Börse deutlich ab.
(dsc/sda/awp/dpa)