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7 Gründe, warum «See» von Apple die beste TV-Serie des Jahres ist

Die Hexenjäger kommen ...
Die Hexenjäger kommen ...screenshot: apple
Review

7 Gründe, warum Apples TV-Serie «See» besser ist als «Game of Thrones»

600 Jahre nach der Apokalypse schöpfen überlebende Wildlinge neue Hoffnung. Wenn da nur nicht die böse Königin wäre ...
06.11.2019, 15:1308.11.2019, 14:29
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Vergiss alles, was du über die neue Serie mit Jason Momoa («Aquaman») gehört hast. Gemeint ist «See» (Reich der Blinden), ein sogenanntes Apple Original, also eine Filmproduktion, die der iPhone-Hersteller für seinen neuen Streaming-Dienst in Auftrag gegeben und finanziert hat.

«See» gibts exklusiv über das am 1. November gestartete Apple TV Plus und im Probe-Abo kostenlos.

Es ist eine Mischung aus «Game of Thrones», «Mad Max» und «Der Herr der Ringe». Eine aufwendige Produktion, die (zumindest am Anfang) nur in der Wildnis Nordamerikas spielt.

Wir reden hier von der Champions-League. Eine einzelne Folge soll um die 15 Millionen Dollar gekostet haben. Weil es sich um eine der wenigen Eigenproduktionen handelt, mit denen Apple ins Streaming-Business einsteigt, waren die Augen vieler Kritiker darauf gerichtet. Und einige urteilten alles andere als schmeichelhaft, was ich übrigens überhaupt nicht nachvollziehen kann nach den ersten Folgen.

Aber genug des Vorgeplänkels, kommen wir zu den sieben Punkten, warum die neue Serie deine Zeit wert ist.

Vorsicht, Spoiler!

Die Handlung von «See» wird im Beitrag nur gestreift, wer die Serie völlig unbelastet von Vorab-Informationen geniessen möchte, sollte an dieser Stelle mit dem Lesen aufhören.

Hüne mit Hackbeil: Baba Voss hat Heldenmut und eine bitterböse Vergangenheit.
Hüne mit Hackbeil: Baba Voss hat Heldenmut und eine bitterböse Vergangenheit. screenshot: apple

Zur Handlung

Stell dir vor, du kämpfst ums Überleben. Und bist blind ...

Die Pupillen sind getrübt. Dafür haben sich Geruchs- und Hörsinn stärker ausgebildet.
Die Pupillen sind getrübt. Dafür haben sich Geruchs- und Hörsinn stärker ausgebildet. bild: apple

«See» spielt 600 Jahre in der Zukunft.

Am Anfang erfahren wir nur, dass im 21. Jahrhundert ein tödlicher Virus ausbrach, die Menschheit dezimierte und die verbliebene Bevölkerung (2 Millionen) blind machte.

Sehkraft ist inzwischen nur noch ein Mythos, und diejenigen, die auch nur davon sprechen, werden als Ketzer verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

«Einst hat die gefährliche Macht der Sehkraft die Welt nahezu zerstört.»
Sagt die verrückte Königin
«Die Grossmutter meiner Grossmutter hat sogar noch Bücher besessen. Aber die Hexenjäger haben sie ins Feuer geworfen.»
Sagt die Stammes-Heilerin Paris

Die Serie ist gerade mal drei Folgen alt und doch glauben neunmalkluge Besserwisser bereits beurteilen zu können, was nach dem «Outbreak» passierte und stellen infrage, dass sich die Menschen ohne Sehkraft dermassen weiterentwickeln und eine neue Zivilisation aufbauen konnten.

Dabei kennen wir bislang nicht viel mehr als den Zeitraum, in dem diese nächste «Evolutionsstufe» stattfand. Und wir wissen, dass gewisse technischen Errungenschaften trotz des Rückfalles in dunkle Zeiten erhalten blieben.

Wenn du zu den Serien-Fans gehörst, die jedes noch so kleine Detail nur an ihrem eigenen Erfahrungshorizont messen, dann lass lieber die Finger von «See». Sicher ist: Das Fantasy-trifft-Science-Fiction-Drama verlangt ein gerütteltes Mass an Fantasie und Vorstellungsvermögen. Wer zwanghaft Haare in der Suppe sucht, wird sie bestimmt finden.

  • Blinde tragen Kleider, die mit Ornamenten geschmückt sind? «Unrealistisch!»
  • Die Gesichter und Körper der Darsteller sind nicht völlig verdreckt und abgehalftert? «Unrealistisch!»
  • Vor dem Kampf schmieren sich Blinde Kriegsbemalung ins Gesicht? «Unrealistisch!»

Halten wir fest: Niemand kann sagen, was passieren würde, wenn die Menschheit erblindet. Niemand! Und wir werden es hoffentlich auch niemals herausfinden müssen.

Statt zu nörgeln, sollte man lieber zurücklehnen und die starke Erzählung einer märchenhaften Geschichte geniessen.

Yep, Blinde können sich sogar selbstständig waschen. 😉
Yep, Blinde können sich sogar selbstständig waschen. 😉

Sex, Gewalt und Religionskritik

«See» ist definitiv nicht jugendfrei, sondern gemäss offiziellem Rating für ein Streaming-Publikum ab 16 geeignet.

  • Kriegsführung, Strategie, Taktik und Waffen der blinden Kämpfer sind mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und absolut faszinierend. Wie auch die Kommunikation, Navigation und Fortbewegung ohne Sehvermögen.
  • Die Liebingswaffe von Baba Voss ist ein überdimensioniertes Hackebeil. Er beherrscht aber auch den Nahkampf mit (Samurai-)Schwert und kurzem Messer.
  • Es spritzt viel Blut aus diversen Körperteilen.
  • Aberglaube und Religiosität kriegen ebenfalls ihr Fett weg.

Mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur noch das: Eine Kampfszene aus der dritten Folge gehört für mich zu den besten und ungewöhnlichsten «Fights» aller Zeiten. Der blinde Baba Voss nimmt es auf relativ engem Raum mit mehreren Gegnern auf. Nichts für schwache Nerven!

Womit wir beim Sex sind. Den gibt es tatsächlich auch, und zwar in unerwarteter Form und messerscharf für eine Produktion, die das als prüde verschriehene Apple bezahlt hat.

Wer sagt denn, dass Religion langweilig sein muss? Die verrückte Königin hat masturbiert gebetet.
Wer sagt denn, dass Religion langweilig sein muss? Die verrückte Königin hat masturbiert gebetet.

Wildnis pur 😍

Gedreht wurde im Westen Kanadas, unter anderem auf Vancouver Island. Und wir lernen: Filmemacher müssen nicht nach Neuseeland für spektakuläre Landschaften und atemberaubende unberührte Wildnis. British Columbia bietet eine unglaubliche Kulisse, wobei einige Kamera-Einstellungen an die Reisen von Frodo Beutlin und Co. erinnern.

An dieser Stelle ist ein «Sorry» für die schlechten Screenshots nötig, die dem Gezeigten nicht gerecht werden. Leider stellt Apple (bislang) nur wenig hochauflösendes Bildmaterial zur Verfügung.
An dieser Stelle ist ein «Sorry» für die schlechten Screenshots nötig, die dem Gezeigten nicht gerecht werden. Leider stellt Apple (bislang) nur wenig hochauflösendes Bildmaterial zur Verfügung.

Grosses Kino

Ich habe die ersten drei Folgen auf einem Macbook Pro geschaut, und werde sie sicher auch noch auf einem grossen Screen geniessen. Der Soundtrack von Bear McCreary sowie viele düstere und geheimnisvolle Toneffekte tragen das ihre zu einem besonderen Heimkino-Spektakel bei.

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In «See» gibts keine furchtlosen Micky-Mouse-Superhelden, sondern Angst, Blut und Tränen. Und Menschen, die über sich hinaus wachsen.

Es ist nie zu dunkel

Trotz häufig bedrohlicher und düsterer Atmosphäre ist es in keiner der gesehenen Folgen zu dunkel. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied zu «Game of Thrones», bei dem ausgerechnet in der alles entscheidenden Schlacht gegen den Nachtkönig nicht mal die Hand vor Augen zu erkennen war.

Leder statt Latex

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In «Game of Thrones» war Jason Momoa Khal Drogo, brutaler Krieger und Fürst des Reitervolkes der Dothraki. In Erinnerung geblieben sind vor allem auch die Sexszenen mit der späteren Drachenkönigin Daenerys Targaryen (Emilia Clarke).

In «See» spielt der 1,93 grosse US-Amerikaner, der am 1. August 1979 in Honolulu auf Hawaii zur Welt kam, erneut einen bärenstarken Kämpfer und mutigen Anführer, in erster Linie aber einen liebevollen Familienvater. Und er bekommt viel mehr Screen-Time als bei GoT, was sich lohnt! Der muskulöse Schönling kann zeigen, was er schauspielerisch drauf hat.

In einem Interview sagte Momoa alias Baba Voss, dass er viel lieber draussen sei, bei Kälte und Nässe, mit Fell und Leder bekleidet, anstatt im Filmstudio mit einem Superhelden-Latexanzug vor einem Greenscreen herumzuhampeln.

Prädikat: bärenstark und sehenswert!

Der Untergang einer Zivilisation – ein (leider) brandaktuelles Thema

Eine Pandemie globalen Ausmasses, die weite Teile der Erdbevölkerung dahinrafft: Das hält nicht nur der Microsoft-Gründer Bill Gates für ein realistisches Szenario. Wobei man angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe gar nicht so weit suchen muss. Schafft sich die Menschheit ab?

Der Regisseur von «See» brachte es in einem Interview mit medienmagazin.de auf den Punkt:

«Ich würde nicht sagen, dass die Welt besser dran wäre ganz ohne Menschen, aber mit weniger Menschen. Unser Planet ist deutlich übervölkert und wir verhalten uns angesichts dessen unverantwortlich im Umgang miteinander – und mit den verbliebenen Ressourcen.»
Francis Lawrence, Regisseurquelle: dwdl.de
Francis Lawrence (l.) und Jason Momoa bei den Dreharbeiten in Trümmern.
Francis Lawrence (l.) und Jason Momoa bei den Dreharbeiten in Trümmern.Bild: ap

Mein persönliches Fazit: «See» ist eine klassische Geschichte von Gut gegen Böse, stark und in wohltuendem Tempo erzählt. Auf nervöse Schnitt-Effekthascherei wird verzichtet, dafür gibts die wunderschön wilde Natur Westkanadas und packende, höchst ungewöhnliche Kampfszenen.

Schon nach drei Folgen entwickelt sich ein ungeheurer Sog. Als Zuschauer will man auch unbedingt mehr darüber erfahren, wie die Menschheit eine solche Katastrophe globalen Ausmasses bewältigen konnte.

Dazu sagt der Regisseur:

«Je weiter wir in die Staffel bzw. Serie kommen, desto mehr erfahren wir immer über das verloren geglaubte Wissen der Vergangenheit – unserer heutigen Gegenwart. Und die spannende Frage ist ja: Macht die Menschheit die gleichen Fehler noch einmal? Das ist eine der grossen Fragen, die diese Serie aufwirft.»

In diesem Video reden die Filmemacher über die Herausforderungen, eine Welt von und mit Blinden zu kreieren:

Was Apple unbedingt verbessern muss

Die Benutzeroberfläche und Steuerung des Streaming-Dienstes lässt definitiv noch zu wünschen übrig. Zumindest, was die Apple-TV-App auf dem iPhone betrifft. So kann man etwa während des Abspanns nicht einfach problemlos zur nächsten Folge springen. Für Binge-Watcher ein No-Go. Zudem startet die Wiedergabe immer mal wieder in der Original-Sprache (Englisch), obwohl zuvor Deutsch eingestellt war.

Das ist der erste (sehenswerte) Trailer zur ersten Staffel von «See»:

Bei IMDb ist die Serie als Drama und Science-Fiction klassifiziert. Die derzeitige durchschnittliche User-Bewertung liegt bei 7.7 (abgerufen am 6. November 2019).

Wann gibts die nächsten Folgen von «See»?

Schlechte Nachricht für Binge-Watcher: Apple hat sich für eine gestaffelte Lancierung der Serie entschieden. Zum Start sind nur die ersten drei Folgen verfügbar.

  • Episode 4 – Freitag, 8. November 2019
  • Episode 5 – Freitag, 15. November
  • Episode 6 – Freitag, 22. November
  • Episode 7 – Freitag, 29. November
  • Episode 8 – Freitag, 6. Dezember

Die Verantwortlichen wollten nicht gleich das ganze Pulver verschiessen. Und wie bei «Game of Thrones» hofft man auf eine wachsende Fangemeinde, die fleissig diskutiert und durch Mund-zu-Mund-Propaganda Werbung macht.

Laut Berichten ist bereits die zweite Staffel geplant bzw. die Finanzierung durch Apple gesichert. Wobei noch nicht feststehen soll, welche Produktionsfirma ran darf.

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quelle: bbc
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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Varanasi
06.11.2019 15:50registriert August 2017
Game of Thrones hat ab Staffel 5 etwas nachgelassen und die letzten beiden waren eher schlecht.
Aber von einer Serie, die im Moment gerade mal über 3 Folgen verfügt zu behaupten, sie sei besser als GoT (8 Staffeln), finde ich etwas fragwürdig.
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wilbur
06.11.2019 16:36registriert März 2019
"Vor dem Kampf schmieren sich Blinde Kriegsbemalung ins Gesicht? «Unrealistisch!» " - find ich jetzt schon noch einen wichtigen punkt, da die kriegsbemalung dazu dient, den gegner (visuell) zu verunsichern und ihm angst einzuflößen, empfinde ich schon als einen ziemlichen big fail und kein zwanghaftes haar in der suppe.

zur dunklen got-folge: fand ich richtig geil. man fühlte als zuschauer in dieser angsteinflössenden dunkelheit mit und musste sich, mit die protagonisten, durch diese "durcharbeiten". ist doch geiler als 0815-kino auf dem servierteller
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who cares?
06.11.2019 17:21registriert November 2014
Habe peinlich lange gebraucht bis ich gecheckt habe, dass englisch "sehen" gemeint ist und nicht das Gewässer in deutscher Sprache, sogar noch nachdem ich den deutschen Titel gelesen habe...
798
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