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Angst vor USA: Internationaler Strafgerichtshof cancelt Microsoft

FILE - A general view of the exterior of the International Criminal Court is seen in The Hague, Netherlands, March 12, 2025. (AP Photo/Omar Havana, File)
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Am Strafgerichtshof in Den Haag werden schwerste Verbrechen verhandelt.Bild: keystone

Internationales Strafgericht verzichtet auf Microsoft-Software – aus Gründen

Aus Angst vor Repressalien durch US-Präsident Donald Trump will sich das hohe Gericht von amerikanischer Technologie unabhängig machen. Derweil hält der Kanton Luzern an Microsoft fest.
30.10.2025, 13:1130.10.2025, 14:37

Das im niederländischen Den Haag angesiedelte Strafgericht hat gemäss Recherchen des deutschen «Handelsblattes» beschlossen, die Büro-Software des US-Tech-Konzerns Microsoft zu ersetzen.

Im Vergleich zu internationalen Konzernen sei der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit rund 1800 Arbeitsplätzen zwar vergleichsweise klein, doch der Wechsel von Microsoft zu OpenDesk habe grossen Symbolwert. Der Schritt zeige exemplarisch, dass Technologie ins Zentrum der Geopolitik gerückt sei.

«Da die USA unter Trump digitale Technologie als Druckmittel einsetzen, gilt die Abhängigkeit von amerikanischen Digitalkonzernen in Wirtschaft und Politik zunehmend als Problem.»

Konkreter Hintergrund der Entscheidung des Strafgerichtshofs seien Sanktionen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen hochrangige Vertreter des IStGH, darunter Chefankläger Karim Khan.

Wer entwickelt die Office-Alternative OpenDesk?

Das Programmpaket, das die Microsoft-Software ablösen soll, stammt gemäss «Handelsblatt» vom Zentrum für Digitale Souveränität (Zendis), einer Firma im Besitz des deutschen Staates. Ihr Auftrag sei es, die digitale Unabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung zu stärken, indem sie «kritische Abhängigkeiten von einzelnen Technologieanbietern» auflöst. Ein zentrales Element dabei sei OpenDesk, ein Programmpaket mit Komponenten von acht europäischen Software-Herstellern.

Laut Bericht steht der Gerichtshof kurz vor der Vertragsunterzeichnung. Der zuständige IT-Verantwortliche beim IStGH, Osvaldo Zavala Giler, erklärte:

«Angesichts der Umstände müssen wir Abhängigkeiten reduzieren und die technologische Autonomie des Gerichtshofs stärken – auch wenn das kurzfristig teuer, ineffizient und unbequem ist.»

Was war der Auslöser?

Die US-Regierung hat wiederholt Sanktionen gegen Richter und Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs verhängt. Im Sommer wurde bekannt, dass der Chefankläger Karim Khan seit Anfang 2025 keinen Zugriff mehr auf seine dienstlichen E-Mails hatte, die auf der Cloud-Infrastruktur von Microsoft lagen.

Das von über 120 Staaten anerkannte Strafgericht ist unter anderem für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig. Im Jahr 2023 erliess es einen internationalen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der jedoch bisher nicht vollstreckt wurde.

2024 hatte Chefankläger Khan einen Haftbefehl gegen Israels Premier Benjamin Netanyahu beantragt wie auch gegen den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant und gegen mehrere Hamas-Führer.

Der Haftbefehl gegen Israels Regierungschef wurde sowohl von der Biden-Regierung als auch von Donald Trump verurteilt. Im Februar 2025 verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen den Chefankläger.

Kanton Luzern will trotz Bedenken auf Microsoft 365 umstellen
Trotz offener Fragen sieht das Luzerner Kantonsparlament keine Alternative zu Microsoft 365. Der Kantonsrat hat am vergangenen Montag ein Postulat mit 80 zu 30 Stimmen abgelehnt, das bei der Einführung des Produkts einen Marschhalt forderte.

Rahel Estermann (Grüne) begründete ihr Postulat damit, dass die Einführung der Software Microsoft 365 und deren in die Kritik geratener Cloud tiefgreifende Auswirkungen auf die kantonale Verwaltung und die Grundrechte der Bevölkerung habe. Luzern begebe sich in eine grosse Abhängigkeit des Tech-Konzerns und der USA.

Unterstützt wurde die Forderung nach einem Marschhalt von der SP. Simone Brunner (SP) sagte, es gehe um die digitale Souveränität des Kantons.

Die Ratsmehrheit sah zwar die kritischen Punkte, lehnte einen Marschhalt aber als zu weitgehend ab. Karin Dober (Mitte) gab etwa zu bedenken, dass die in der Verwaltung benutzten Applikationen veraltet seien.

Der für die Informatik zuständige Regierungsrat, Finanzdirektor Reto Wyss (Mitte), bezeichnete die Umstellung auf Microsoft 365 als unumgänglich. Die Verwaltung arbeite bereits mit der Software, aber es würden noch alle Daten lokal gespeichert.

Nach Angaben der Kantonsregierung werden insgesamt künftig rund 95 Prozent aller Daten in der kantonalen Obhut bleiben. Wyss sagte, die Daten würden grundsätzlich in den kantonalen Rechenzentren gespeichert. Personenbezogene Daten würden vollständig in den kantonalen Fachapplikationen verbleiben. «Es gibt keinen Grund, sensible Daten in der Cloud zu bearbeiten», sagte der Finanzdirektor.
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Ausstellung im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Der Innerschweizer Kanton hält trotz Bedenken aus der Politik an US-Software fest.Bild: keystone

Quellen

(dsc)

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Karl33
30.10.2025 14:12registriert April 2015
"Der für die Informatik zuständige Regierungsrat, Finanzdirektor Reto Wyss (Mitte), bezeichnete die Umstellung auf Microsoft 365 als unumgänglich. "

Jaja. Etwa so alternativlos, wie damals, als wir die AHV-Gelder in die USA zur Verwaltung gegeben haben.
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Urs Kipfert
30.10.2025 13:34registriert Februar 2019
Jemand sollte den Parlamentariern vielleicht erklären, dass die verarbeiteten Daten in Microsoft 365 nicht nur aus Word und Excel bestehen. Da gehört schlussendlich auch "Teams", "SharePoint", "Exchange", der MS Defender, "CoPilot" und vermutlich auch in Luzern "Azure" dazu.

Zu glauben "alle Daten werden [nur] lokal gespeichert" ist im Oktober 2025 schon sehr naiv.
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Fakten_Checker
30.10.2025 13:49registriert September 2025
Das ist so wichtig und sowas macht hoffentlich mehr und mehr die Runde, damit dieses Vorurteil, dass man heute in der Business Welt Microsoft Produkte braucht, nicht mehr gehört wird. Das ist nämlich Unsinn. Niemand braucht etwas von Microsoft. Es ist nur die Faulheit was zu ändern.
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