Internationales Strafgericht verzichtet auf Microsoft-Software – aus Gründen
Das im niederländischen Den Haag angesiedelte Strafgericht hat gemäss Recherchen des deutschen «Handelsblattes» beschlossen, die Büro-Software des US-Tech-Konzerns Microsoft zu ersetzen.
Im Vergleich zu internationalen Konzernen sei der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit rund 1800 Arbeitsplätzen zwar vergleichsweise klein, doch der Wechsel von Microsoft zu OpenDesk habe grossen Symbolwert. Der Schritt zeige exemplarisch, dass Technologie ins Zentrum der Geopolitik gerückt sei.
Konkreter Hintergrund der Entscheidung des Strafgerichtshofs seien Sanktionen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen hochrangige Vertreter des IStGH, darunter Chefankläger Karim Khan.
Wer entwickelt die Office-Alternative OpenDesk?
Das Programmpaket, das die Microsoft-Software ablösen soll, stammt gemäss «Handelsblatt» vom Zentrum für Digitale Souveränität (Zendis), einer Firma im Besitz des deutschen Staates. Ihr Auftrag sei es, die digitale Unabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung zu stärken, indem sie «kritische Abhängigkeiten von einzelnen Technologieanbietern» auflöst. Ein zentrales Element dabei sei OpenDesk, ein Programmpaket mit Komponenten von acht europäischen Software-Herstellern.
Laut Bericht steht der Gerichtshof kurz vor der Vertragsunterzeichnung. Der zuständige IT-Verantwortliche beim IStGH, Osvaldo Zavala Giler, erklärte:
Was war der Auslöser?
Die US-Regierung hat wiederholt Sanktionen gegen Richter und Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs verhängt. Im Sommer wurde bekannt, dass der Chefankläger Karim Khan seit Anfang 2025 keinen Zugriff mehr auf seine dienstlichen E-Mails hatte, die auf der Cloud-Infrastruktur von Microsoft lagen.
Das von über 120 Staaten anerkannte Strafgericht ist unter anderem für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig. Im Jahr 2023 erliess es einen internationalen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der jedoch bisher nicht vollstreckt wurde.
2024 hatte Chefankläger Khan einen Haftbefehl gegen Israels Premier Benjamin Netanyahu beantragt wie auch gegen den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant und gegen mehrere Hamas-Führer.
Der Haftbefehl gegen Israels Regierungschef wurde sowohl von der Biden-Regierung als auch von Donald Trump verurteilt. Im Februar 2025 verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen den Chefankläger.
Rahel Estermann (Grüne) begründete ihr Postulat damit, dass die Einführung der Software Microsoft 365 und deren in die Kritik geratener Cloud tiefgreifende Auswirkungen auf die kantonale Verwaltung und die Grundrechte der Bevölkerung habe. Luzern begebe sich in eine grosse Abhängigkeit des Tech-Konzerns und der USA.
Unterstützt wurde die Forderung nach einem Marschhalt von der SP. Simone Brunner (SP) sagte, es gehe um die digitale Souveränität des Kantons.
Die Ratsmehrheit sah zwar die kritischen Punkte, lehnte einen Marschhalt aber als zu weitgehend ab. Karin Dober (Mitte) gab etwa zu bedenken, dass die in der Verwaltung benutzten Applikationen veraltet seien.
Der für die Informatik zuständige Regierungsrat, Finanzdirektor Reto Wyss (Mitte), bezeichnete die Umstellung auf Microsoft 365 als unumgänglich. Die Verwaltung arbeite bereits mit der Software, aber es würden noch alle Daten lokal gespeichert.
Nach Angaben der Kantonsregierung werden insgesamt künftig rund 95 Prozent aller Daten in der kantonalen Obhut bleiben. Wyss sagte, die Daten würden grundsätzlich in den kantonalen Rechenzentren gespeichert. Personenbezogene Daten würden vollständig in den kantonalen Fachapplikationen verbleiben. «Es gibt keinen Grund, sensible Daten in der Cloud zu bearbeiten», sagte der Finanzdirektor.
Quellen
- handelsblatt.com: Strafgerichtshof ersetzt Microsoft durch deutsche Lösung (30. Oktober)
- spiegel.de: Internationaler Strafgerichtshof plant Wechsel von Microsoft zu deutschem Officepaket
(dsc)


