Wie jetzt? Es gibt schon wieder ein neues «Bayonetta»-Game? Hatten wir uns nicht gerade noch im letzten Jahr mit dem dritten Teil amüsiert? Ja, in der Tat scheint das Entwickler-Studio Platinum Games einen ordentlichen Run zu haben. Denn kaum haben wir «Bayonetta 3» durchgespielt, kommt schon der nächste Teil aus diesem kruden Universum auf uns zugeflogen.
Doch anstatt ein weiteres Sequel auf die Game-Gemeinschaft loszulassen, wurden ein paar Schritte rückwärts getätigt. Denn «Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon» ist ein Prequel und erzählt von den ersten Gehversuchen der jungen Hexe Cereza, die später zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Figuren im Videospielkosmos wird.
Bevor Bayonetta reihenweise dunkle Kräfte jagt, turmhohe Monster bodigt und sich gegen allerlei kuriose Wesen aus verschiedenen Dimensionen erwehrt, war sie eine blutjunge Anfängerin, die erst Schritt für Schritt ihre Mächte entdecken musste.
So steuern wir denn die kleine Cereza, die brav in die Hexenschule geht und zunächst das tut, was man von ihr verlangt. Doch das Mädchen wird immer aufmüpfiger und macht sich schliesslich auf den Weg in einen mysteriösen Wald, der sie zu rufen scheint.
Parallel kommt ein wolfähnliches Wesen ins Spiel, eine mysteriöse Lehrerin im Hintergrund lässt uns zweifeln und unsere eingesperrte Mutter, die gerettet werden möchte, spielt auch immer mehr eine wichtige Rolle bei unserem Schicksal, dem wir uns nicht mehr entziehen können.
Doch ganz allein muss sich der Hexen-Azubi dann doch nicht ins Dickicht wagen. Denn ein Dämon ergreift urplötzlich von ihrem Plüschtier Besitz und schlummert fortan im langjährigen Begleiter, der uns in brenzligen Situationen immer wieder hilft und uns tatkräftig zur Seite steht. Dieser allererste Dämon bringt nicht nur wichtige Fähigkeiten mit auf den brenzligen Weg, sondern lehrt Cereza auch den Umgang mit einer fremden Kreatur, die immer mehr zu einem Freund heranreift.
Ja, das «Bayonetta»-Spieluniversum ist schräg, in sich verschachtelt und wer bei der abstrusen Story der Hauptspiele den Durchblick behalten und alles und jeden genau einordnen konnte, der oder die darf sich durchaus auf die Schulter klopfen. «Cereza and the Lost Demon» spielt zwar ebenfalls in diesem Universum, hat aber den Vorteil, dass es von Anfang an auf ein weisses Blatt kritzeln und behutsam Schritt für Schritt nach vorne wandern darf und nicht tausend Dinge erklären muss.
Das ist sowohl für die Kenner als auch für die Neulinge eine willkommene Geste. Das Spiel ist ruhig, unaufgeregt und eine Wohltat. Das ist schon mal ein grosser Pluspunkt. Doch es folgen noch zwei weitere ...
Das Videospiel sieht jederzeit schlicht fantastisch aus. Wenn wir Cereza nicht selber steuern und die Geschichte via sympathischer Stimme weitererzählt wird, blicken wir in ein Bilderbuch hinab und erfreuen uns an dem einzigartigen Grafikstil, der so frisch und lieblich daherkommt, dass wir davon gar nicht mehr genug bekommen.
Wechseln wir in den aktiven Spielpart, staunen wir ebenfalls: Märchenhaft und mysteriös öffnet sich uns eine Fabelwelt, die uns immer tiefer hineinzieht und unsere Neugierde weckt. Cereza und ihr Sidekick bewegen sich durch wunderschöne Areale, die mit vielen Details gespickt sind und unseren Entdeckergeist wecken.
Wir wuseln herum, suchen unsere Pfade, lösen leichte Rätsel und erfreuen uns an dem Gezeigten. So wandern wir von einem Gemälde zum nächsten und staunen bei den Kämpfen immer mehr, wie hübsch und liebevoll alles inszeniert wurde. Und immer wieder werden wir Zeugen von magischen Begebenheiten, wo sich die Designerinnen und Designer richtig schön austoben durften und der Bildschirm zu einem Kunstwerk-Trip wird.
Die Spielmechanik ist simpel und herausfordernd zugleich. Denn wir steuern meistens zwei Charaktere gleichzeitig. Mit dem linken Stick steuern wir die junge Hexe, während wir mit dem rechten unseren Dämonen-Freund dirigieren. Das hört sich zunächst etwas gar kompliziert an, doch schnell geht die Doppelsteuerung ins Blut über. Zwar brauchen wir ein paar Minuten, bis wir die Figuren mit vollendeter Geschmeidigkeit bewegen können, doch haben wir alles intus, geht alles wie von Geisterhand.
Während Cereza die Gegner mit ihrem Zauber bändigt, startet der Dämon seinen Angriff und alles kommt aus einem Guss. Zusammen lösen wir Rätsel, umgehen Hindernisse und arbeiten uns gemeinsam von Level zu Level. Mit der Zeit erlernen wir immer neue Fähigkeiten, um uns den Monster- und Geister-Horden zu erwehren und staunen auch hier immer wieder, wie leicht sich das alles trotz ihrer Komplexität steuern lässt und auch anfühlt. Ein spielmechanischer Geniestreich folgt auf den nächsten.
Auch wenn sich der Schwierigkeitsgrad behutsam nach oben drückt, bleibt er immer fair. Denn wer sich der Mechanik hingibt und ihr brav folgt, bekommt auch schnell einen Fortschritt nach dem anderen serviert. Trotz Komplexität ist die Mechanik jederzeit lieb zu uns, nimmt uns zärtlich an ihre Hand und lässt uns nicht mehr los.
Fazit: «Cereza and the Lost Demon» ist ein kleines Meisterwerk geworden. Die Levels sind ein Genuss fürs Auge und lassen uns ab ihrer Farbenpracht staunen. Zusammen mit der herausfordernden Spielmechanik, die jederzeit fair bleibt, dringen wir immer tiefer in eine magische Welt ein, die uns von der ersten Minute an nicht mehr loslässt.
Die Balance zwischen Action und Erkunden sorgt jederzeit für ein angenehmes Spielerlebnis, wo sich jedes Einzelteil wunderschön ins Gesamtbild einfügt und uns motiviert, die kleine Hexe auf ihrem noch jungen Lebensweg zu begleiten.
Wer die «Bayonetta»-Reihe kennt und sich bei den Hauptspielen viele Fragen zur Herkunft gestellt hat, bekommt endlich Antworten serviert, während Neulinge behutsam in die Zauberwelt eingeführt werden und ohne Vorkenntnisse die Magie dieser Marke auf einem Silbertablett serviert bekommen.
Unbedingt spielen und einfach geniessen!
«Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon» ist ab dem 17. März erhältlich für Nintendo Switch und freigegeben ab 12 Jahren.