Das Huawei P20 Pro ist das erste Smartphone mit einer Triple-Kamera. Doch setzt die 41-Megapixel-Kamera wirklich neue Massstäbe? Ist der Akku so ausdauernd, wie gemunkelt wird? Oder ganz allgemein gefragt: Machen die Chinesen inzwischen nicht nur preiswertere, sondern auch bessere Smartphones als Apple, Samsung, Nokia und Co.?
Ich habe das knapp 900 Franken teure P20 Pro in den letzten beiden Wochen ausgiebig getestet. Um besser beurteilen zu können, ob das Pro-Modell sein Geld wert ist, habe ich gleichzeitig das knapp 400 Franken teure P20 Lite genutzt. Das Lite-Modell hat uns Digitec für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.
Kommen wir also ohne Umschweife zu den praktischen Befunden meines Erfahrungsberichts.
Trotz seiner Grösse gibt es ein «Daumen hoch» – allerdings mit Vorbehalt: Das 6,1-Zoll-Display ist gross, aber nicht zu gross. Denn das P20 Pro gehört zur neuen Smartphone-Generation, bei der die Vorderseite fast vollständig aus dem Touchscreen besteht. In der Hand ist das Gerät mit seinem langgezogenen 19:9-Display somit nicht grösser als es herkömmliche Smartphones mit ca. 5,5 Zoll grossen Displays vor ein, zwei Jahren waren. Es ist beispielsweise kompakter als ein iPhone 8 Plus.
Der Vorbehalt bezieht sich auf die extrem rutschige Glasrückseite. Ohne Schutzhülle ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis einem das Handy aus der Hand flutscht.
Wer generell kleinere Smartphones bevorzugt, sollte einen weiten Bogen um das P20 Pro machen. Das sehr ähnliche P20 und das günstige P20 Lite sind übrigens etwas handlicher.
Der erste Eindruck ist wichtig, aber der zweite enthüllt die Wahrheit. Das gilt insbesondere für das Huawei P20 Pro.
Der Rahmen ist aus Metall und leicht abgerundet. Nach zwei Wochen zeigen sich keinerlei Gebrauchsspuren wie Kratzer.
Beim Design und der Verarbeitung ist Huawei auf Augenhöhe mit der teils weit teureren Konkurrenz.
Der Fingerabdruck-Scanner im Home-Button arbeitet schnell und zuverlässig. Wer die noch flinkere Gesichtserkennung per Front-Kamera zum Entsperren nutzt, braucht den Fingerabdruck-Sensor in den meisten Fällen gar nicht mehr. Da der Home-Button im schmalen Rahmen extrem weit unten sitzt, passierte es mir in den ersten beiden Wochen immer mal wieder, dass ich aus Versehen auf den Button kam.
Je nach Licht ist jeder Fingerabdruck und jedes Staubkörnchen sofort gut zu sehen. Vor allem um die Triple-Kamera herum sammelt sich schnell Schmutz an. Nicht falsch verstehen: Die Rückseite ist wunderschön. Sie fühlt sich angenehm und hochwertig an und ist eigentlich viel hübscher, als es meine Fotos zu zeigen vermögen. Das Glas ändert je nach Lichteinfall seinen Farbton. Mal spiegelt es, mal tanzen Lichtreflexionen auf der Oberfläche. Ich bin noch immer hin und hergerissen, ob ich sie lieben oder hassen soll.
Oh ja. Mit der neuen Huawei-Kamera kannst du Dinge tun, für die du bislang eine kompakte Digitalkamera mitnehmen musstest: Zum Beispiele Tiere im Zoo ohne Qualitätsverlust heranzoomen oder in der Nacht überzeugende Fotos knipsen. Was mir besonders gefällt: Die Kamera erkennt automatisch, ob ich eine Person, eine Landschaft oder ein Objekt aus nächster Nähe fotografieren möchte und wechselt entsprechend in den Porträt-, Landschafts- oder Makro-Modus. Schnappschützen können einfach draufhalten und bekommen gute Fotos, egal ob Tag oder Nacht, und ambitioniertere Fotografen können sich mit zig Zusatz-Optionen so richtig austoben (siehe Bildstrecke). Kurz gesagt: Ich hatte noch nie so viel Spass mit einer Handy-Kamera.
Die Kamera im gegen 900 Franken teuren P20 Pro ist klar die beste, die ich bislang in einem Handy gesehen habe. Sie ist beispielsweise in den meisten Situationen besser als die ebenfalls sehr gute Kamera im ungefähr gleich teuren Galaxy Note 8 von Samsung. Um die Fortschritte bei den Handy-Kameras zu verdeutlichen, habe ich zusätzlich Vergleichsaufnahmen mit dem weit günstigeren P20 Lite (unter 400 Franken), dem zwei Jahre alten HTC 10 und dem 3,5 Jahre alten iPhone 6 in der Diashow eingefügt.
Huawei und der Kamera-Partner Leica kombinieren drei sehr unterschiedliche Kameras, um die typischen Probleme von Handy-Kameras zu minimieren. Für die meisten Aufnahmen werden die Fotos aller drei Kameras kombiniert und auf 10-Megapixel-Fotos heruntergerechnet. Bei Farbbildern werden zum Beispiel zusätzlich die Daten der lichtempfindlicheren Schwarz-Weiss-Kamera genutzt, um die Tiefenschärfe oder Kontraste zu verbessern. Die so genannte «Light Fusion»-Technik soll durch die Kombination mehrerer kleiner Pixel zu grösseren Pixeln weniger Bildrauschen und einen besseren Kontrast ermöglichen. Insbesondere bei schlechten Lichtverhältnissen spielt das P20 Pro in einer ganz eigenen Liga.
Das P20 Pro hat nicht nur mehr Megapixel, auch der Bildsensor ist grösser als bei anderen Smartphones. Der Sensor fängt das Licht ein und wandelt es in ein Bild um. Die Faustregel: Je grösser der Sensor, desto besser das Foto. Natürlich ist auch der 1/1,7"-Sensor im P20 Pro für 40 Megapixel viel zu klein. Das heisst, die einzelnen Bildpunkte werden sehr klein und darunter würde eigentlich die Bildqualität leiden. Huawei löst das Problem mit Mathematik. Die Software berechnet aus den kleinen Pixeln grössere Bildpunkte, wodurch weniger Bildrauschen sichtbar sein soll. Wie die Technologie im Detail funktioniert, erklärt dieser Hintergrundartikel.
Natürlich kann man auch bei der aktuell besten Smartphone-Kamera das Haar in der Suppe suchen: So gut die Kamera-App ist, sie hat noch kleine Macken bzw. es fehlen Funktionen. Bei mir ist sie in den ersten paar Tagen mehrmals abgestürzt, danach allerdings nie mehr. Was mich mehr stört: Selfies werden automatisch mit einem Beauty-Filter versehen und sehen selbst mit deaktiviertem Filter weichgezeichnet aus.
Bei diesen Kritikpunkten muss man relativierend sagen, dass ich ein Vorserienmodell, also kein fertiges Verkaufsgerät, getestet habe und Huawei ein Update für die Kamera angekündigt hat. So soll der Nachtmodus bzw. die Lichtempfindlichkeit (aktuell ISO 51200) weiter verbessert werden und bald gar ISO 102400 unterstützten. So wird die Nacht quasi zum Tag (siehe Bildstrecke bei Nummer 4).
Huaweis modifizierte Android-Benutzeroberfläche namens EMUI ist für mich ein guter Kompromiss zwischen Android und iOS, der die Stärken beider Welten kombiniert. Der Startbildschirm und die Menüs erinnern in der Standardeinstellung an iOS. Auch das Herunterwischen auf dem Homescreen für eine schnelle Suche und App-Empfehlungen funktioniert genau wie auf dem iPhone. In den Einstellungen lässt sich der Homescreen auch im Android-Look darstellen. Android-typisch lässt sich zudem fast jedes Detail nach dem eigenen Gusto einrichten. Kurz gesagt: Ob Android- oder iOS-Nutzer, man findet sich rasch zurecht.
Die Gestensteuerung beim #HuaweiP20Pro ist smart und macht Spass #iFrickTest pic.twitter.com/eAh197ga4i
— Jean-Claude Frick (@jcfrick) 31. März 2018
In den Einstellungen stehen drei Steuerungsmethoden zur Auswahl. Zunächst die gewohnten Buttons für Zurück, Home und die zuletzt geöffneten Apps. Werden diese Navi-Buttons ausgeblendet, bleibt mehr Platz auf dem Display. Bei der alternativen Wischsteuerung simuliert ein kurzes Tippen auf den Home-Button den Zurück-Button. Tippt man den Home-Button länger, gelangt man zum Startbildschirm. Ein Wisch über den Home-Button zeigt die aktuell geöffneten Apps. Ob man die klassische oder die Wischsteuerung nutzt, ist Geschmacksache, funktionieren tut beides gut.
Huawei allows users to delete the cutout on the top of the P20 and P20 Pro display https://t.co/BugK0ID7Vs pic.twitter.com/O256zQUj6n
— Neowin (@NeowinFeed) March 27, 2018
Der Einschnitt verschwindet natürlich nicht, sondern wird einfach durch einen schwarzen Balken verborgen. Ob man sich für den klassischen schwarzen Balken oder den Einschnitt entscheidet, ist primär eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Im P20 Pro (und übrigens auch im normalen P20) steckt Huaweis aktuell schnellster Prozessor. Bei einem Preis von gegen 900 Franken darf man erwarten, dass alles ohne Verzögerung oder Ruckler läuft und dies tut es auch. Selbst aufwändige 3D-Spiele zwingen das Gerät nicht in die Knie, da Huawei weder beim Prozessor noch beim Grafikchip oder dem 6 GB grossen Arbeitsspeicher gespart hat. Kurz gesagt: Ja, der Prozessor ist auf dem Papier langsamer als die neusten Top-Modelle von Sony oder Samsung, aber im Alltag gibt es keinerlei Probleme. Alles läuft schnell und flüssig.
Nebst der Kamera ist der sehr grosse Akku mit 4000 Milliamperestunden (mAh) das meiner Meinung wichtigste Argument für das P20 Pro. Weder die Schwestermodelle P20 und P20 Lite noch die aktuellen Top-Modelle von Nokia, Samsung oder Apple kommen an die Akkulaufzeit des P20 Pro heran. An normalen Arbeitstagen stand die Akkuanzeige am Abend bei etwa 70 Prozent. Wenn ich das Gerät intensiver nutzte, war der Akku zur Hälfte entleert. Bei anderen Testgeräten stand die Akkuanzeige am Abend für gewöhnlich bei 20 bis 40 Prozent.
Fast wichtiger als die Akkulaufzeit ist mir persönlich inzwischen die Schnellladefunktion. Das P20 Pro lässt sich mit dem mitgelieferten Schnellladegerät in 30 Minuten zu etwa 50 Prozent aufladen. Bei einer Akku-Kapazität, die mehr als doppelt so gross ist wie beim iPhone 8, ist diese Ladezeit rekordverdächtig schnell. Ist der Akku doch mal fast leer, reichen wenige Minuten am Kabel, um genug Strom für ein paar Stunden zu tanken. Das ist ungemein praktisch.
Wie heute bei fast allen Premium-Smartphones üblich, ist der Akku fest verbaut, was den Austausch massiv erschwert, aber nicht verunmöglicht. Erstaunlicherweise lässt sich das Gerät auch nicht kabellos laden.
Es wird vermutlich niemanden schockieren, dass Huawei seinem Top-Modell ein sehr gutes OLED-Display spendiert hat. Es ist gestochen scharf und hell – kommt allerdings weder bei der Auflösung noch bei der Helligkeit ganz an die Konkurrenz heran.
Im Alltag ist dies kein Problem, sondern eher ein Vorteil: Bereits im Automatik-Modus, der das Display je nach Umgebungslicht erhellt oder verdunkelt, ist der Bildschirm stets genug hell, um ihn selbst im direkten Sonnenlicht gut ablesen zu können. Smartphone-Displays, die heller strahlen und eine höhere Auflösung bieten, saugen auch den Akku schneller leer. Beim P20 Pro kann man die Standardauflösung daher in den Einstellungen manuell reduzieren oder die Option «Smarte Auflösung» wählen, welche die Auflösung bei tiefem Akkustand reduziert.
Der Farbmodus (normal vs. lebhaft) und die Farbtemperatur (standard, warm, kalt) lassen sich übrigens in den Einstellungen anpassen. Darüber hinaus kann man das Gerät so einstellen, dass blaues Licht herausgefiltert wird, um etwa beim Lesen am Abend die Augen zu schonen.
Die nächsten Zeilen werden einige Leser schmerzen: Huawei hat den separaten Kopfhörer-Anschluss gestrichen. Wer seine alten, kabelgebundenen Kopfhörer weiter nutzen will, muss also den mitgelieferten Adapter anschliessen. Alternativ greift man zu den kabellosen Free Buds von Huawei oder einem beliebigen anderen Bluetooth-Kopfhörer. Einen Steckplatz für eine Speicherkarte gibt es ebenfalls nicht. Käufer des Pro-Modells dürften dies verschmerzen können, da der interne Speicher mit 128 GB grosszügig ist. Das weit günstigere Lite-Modell unterstützt übrigens weiter microSD-Karten und hat einen separaten Kopfhörer-Anschluss.
Positiv fallen die Einschübe für zwei Nano-SIM-Karten und der schnelle USB-C-3.1-Anschluss auf. Damit lässt sich das Handy nicht nur schnell laden, es kann auch mit einem PC-Monitor verbunden werden. So wird aus dem Handy ein kleiner, mobiler PC-Ersatz. Im PC-Modus, den ich selbst (noch) nicht ausprobiert habe, erscheint auf dem Monitor eine Oberfläche, die an den Desktop eines Windows-PCs erinnert. Apps wie Word, Excel oder Power Point können so auf einem grossen Bildschirm genutzt werden, etwa um schnell ein Dokument oder eine Präsentation zu bearbeiten, wenn man keinen Laptop zur Hand hat.
Huawei Schweiz sagt auf Anfrage: «Normalerweise gibt es mindestens ein Betriebssystemupdate und drei Jahre Sicherheitsupdates.»
Ich nutze die Gesichtserkennung zum Entsperren von Smartphones seit einigen Monaten mit einem Galaxy Note 8, ein Leihgerät von Samsung. Auch beim P20 Pro finde ich die Gesichtserkennung bequemer als den Fingerabdruck-Sensor, der im Home-Button verbaut ist. Am Tag funktioniert die extrem schnelle Gesichtserkennung zu 99 Prozent. Bei absoluter Dunkelheit braucht der Scanner oft zwei Versuche und man muss das Gerät nahe ans Gesicht halten.
Die Gesichtserkennung ist praktisch, allerdings warnt Huawei beim Einrichten davor, dass sie weniger sicher als ein Kennwort sei. Im Internet gibt es ein Video, das angeblich zeigt, wie der Scanner mit einem Selfie auf einem zweiten Smartphone überlistet wird. Bei mir hat das nicht geklappt, aber höchste Sicherheit bietet die Gesichtserkennung bestimmt nicht.
Der Fingerabdruck-Sensor im Home-Button ist ebenfalls sehr schnell und zuverlässig, aber man merkt, dass Huawei den Home-Button nur noch mit Müh und Not im schmalen unteren Displayrand unterbringen konnte. Der Home-Button ist nun so nah an der Unterseite positioniert, dass ich mehrmals aus Versehen darauf gekommen bin.
Nebst dem P20 Pro, das mit einer Display-Schutzfolie ausgeliefert wird, sind ein Schnelladegerät- und Datenkabel (USB-C 3.1) sowie erstaunlich gute Kopfhörer enthalten. Für ältere Kopfhörer liegt ein Adapter bei, da das Gerät keinen separaten Kopfhörer-Anschluss besitzt.
Der von Huawei empfohlene Verkaufspreis für das P20 Pro liegt bei 899 Franken. Die Speicherausstattung beträgt fix 128 GB. Im Online-Handel bekommt man es schon jetzt etwas günstiger. Das Schnellladegerät wird mitgeliefert.
Ein Schnäppchen ist das Gerät bestimmt nicht, dafür bekommt man ein sehr schnelles Smartphone, die aktuell beste Handy-Kamera und eine weit überdurchschnittliche Akkulaufzeit.
Das fast 900 Franken teure Smartphone lohnt sich primär für Nutzer, die ein sehr schnelles Handy mit deutlich überdurchschnittlicher Akkulaufzeit möchten und oft und gerne Fotos knipsen. Wer oft aufwändige 3D-Games spielt, kann ebenfalls mit dem Pro-Modell liebäugeln.
Allen anderen würde ich eher zum etwas kleineren P20 raten, das immerhin rund 200 Franken günstiger ist. Das P20 ist im Alltag genau gleich schnell und die Fotoqualität ist auch beim P20 sehr gut, allerdings fehlt hier der optische Dreifach-Zoom. Auch der Akku ist etwas kleiner, aber immer noch überdurchschnittlich gross.
Für mich persönlich und wohl für die meisten Otto Normalverbraucher ist das knapp 500 Franken günstigere P20 Lite eigentlich die vernünftige Wahl. Ich habe es parallel zum P20 Pro getestet und würde es jedem empfehlen, der ein schnelles, schönes Handy zu einem vernünftigen Preis sucht. Optisch ist das Lite- vom Pro-Modell kaum zu unterscheiden und im Alltag ist es fast genau gleich schnell. Den langsameren Prozessor spürt man eigentlich nur bei 3D-Games. Deutliche Abstriche muss man bei der Kamera und der Akkulaufzeit hinnehmen, die beide nur durchschnittlich sind. Umgekehrt hat nur das günstige P20 Lite einen separaten Anschluss für die Ohrhörer sowie einen Einschub für microSD-Speicherkarten (siehe Vergleichsgrafik bei Punkt 2).
Hinweis: Das Testgerät P20 Pro wurde uns von Huawei für gut zwei Wochen zur Verfügung gestellt. Das P20 Lite wurde uns von Digitec zur Verfügung gestellt.
Hinweis: Das Filtern des blauen Anteils beim Display schont nicht die Augen sondern hilft dem Koerper Melatonin auszuschuetten (respektive umgekehrt, der blauanteil im Licht hindert den Koerper Melatonin freizusetzen) Melatonin brauchen wir um den Koerper in den Schlafmodus zu versetzen (oder so aehnlich)