Du hast also «Part Two» gespielt und kennst die Story – du glaubst also, die Story zu kennen. Mit dieser Relativierung beginnt mein Tanz um den Elefanten im Raum. Nein, ich werde nicht spoilern und auch keine Hinweise geben, seien sie auch noch so klein.
Leider erfordert das gewisse Opfer. Aber gewisse Dinge darf und will ich nicht ansprechen – sei einfach geduldig und freu dich auf die nächsten sieben Wochen.
Um meiner Ansage gerecht zu werden, werde ich diesen Review in Form eines FAQs schreiben. So kann ich unangenehmen Fragen dodgen einfach ausweichen.
«The Last of Us»-Erfinder Neil Druckmann betonte immer, die Serie auch für die Gamer interessant gestalten zu wollen. Der Ansage wurde er aufgrund verschiedener Kniffs und Tricks gerecht. Zum einen sind da komplett neue Storyelemente, zum anderen sind da Vertiefungen und Aufschlüsselungen von bereits Bekanntem.
Die Gratwanderung zwischen Alt und Neu stimmt – die wohl kontroversesten Veränderungen betreffen die Darstellung der Hauptcharaktere Ellie und Joel. Seine innere Zerrissenheit und ihre Sturm-und-Drangzeit – und der gemeinsame Kulminationspunkt – erhalten mit bisher unbekannten Nebenstorys eine deutlich höhere Priorität in der Serie. Damit werden die Charaktere mit dem deutlich feineren Pinsel gemalt und sie erhalten eine Vielschichtigkeit, die im Game nicht erreicht wird. Etwas weniger schwülstig ausgedrückt: Wir lernen zwar keine komplett neue Ellie und auch keinen komplett neuen Joel kennen – aber zwei Figuren mit mehr Facetten.
Das wird – wie immer – nicht allen gefallen. Einen grossen Beitrag zum Facettenreichtum steuern die feinfühligen Darstellungen von Pedro Pascal, besonders aber auch von Bella Ramsey bei. So werden Joel, aber auch Ellie noch eindrücklicher, vor allem jedoch glaubwürdiger als in «Part Two» vom überhöhten Gamehelden-Sockel geholt. Dafür dürfen sie etwas mehr Menschlichkeit zeigen, die im doch enorm bitteren Game an die sehr kurze Leine genommen wurde.
Ja! Da werden ein paar Tore zur Hölle aufgetan, die im Game so nicht vorkommen. Diese lassen einigen Raum für Neues offen, so richtig bespielt wird dieser aber (noch) nicht.
Nein. Bei Weitem nicht. Die Macher schlagen ein nicht allzu hohes Erzähltempo an – was übrigens sehr angenehm ist. Da lässt man Ellie auch mal drei Minuten ein Lied singen.
Im Videocall-Interview mit Journalisten, zu dem wir ebenfalls eingeladen waren, erklärte Neil Druckman, er wolle nicht einfach die Erfolge der ersten Staffel kopieren. Eine Bill-und-Frank-Folge lasse sich nicht einfach mit einer Blaupause wiederholen. In dem Sinn: Nein, gibt es nicht. Aber: Es gibt durchaus wieder eine Folge, die aus dem Rahmen fällt. Und mir hat die Episode erneut am besten gefallen.
Das könnte durchaus sein. Vor allem, weil alles, was Inklusivität propagiert, einen Schuss Diversität oder Gleichberechtigung beinhaltet, in den USA aktuell einen schweren Stand hat. Wäre «The Last of Us» ein Buch, es würde unter der Regierung Trump/Vance aus den Bundes-Bibliotheken verbannt.
Laut Druckman hat sich das Team von der aktuellen Stimmungslage aber nicht beeinflussen lassen: «Wir versuchen darzustellen, was passiert, wenn verschiedene Gruppen miteinander in Konflikt geraten. Dem wird man am besten gerecht, wenn man sämtliche Einflüsse und sämtlichen Druck von aussen ausklammert. So kann der Schreib- und Entstehungsprozess so geschützt wie nur möglich gehalten werden – und so isoliert entsteht die beste Kunst: Wenn man Risiken nimmt, wenn man Dinge tut, die etwas subversiv und gefährlich sind.»
Tatsächlich liess sich das Team nicht von seinem Weg abbringen. Wie bereits in «Part Two» zerfliessen die Grenzen zwischen Gut und Böse – in einer Sache hat die Serie aber zugelegt.
In Sachen – man kennt es von HBO – Brutalität. Gedärme hängen oder fallen heraus, Kinder werden ermordet, Kinder entscheiden wie kleine Cäsaren über Leben und Tod – anfänglich war ich nicht ganz sicher, ob die explizite Darstellung von Gewalt wirklich nötig ist. Aber sie erfüllt auch einen Zweck. Sie ist Stilmittel, um die Konsequenzen von Handlungen zu dramatisieren. Ausserdem kontrastiert sie mit den ruhigen Szenen. Zusammen entsteht das perfekte Wechselbad der Gefühle.
Die Figur Abby war mitverantwortlich für die Kontroverse, die «Part Two» auslöste. Damals wurde die Antipathie gegen Ellies Antagonistin dadurch verstärkt, dass man im Game gezwungen wurde, Abby zu spielen. Das fährt auf ganz anderen Ebenen ein, als wenn man die Story passiv konsumiert und so mehr Distanz erhält. Deshalb glaube ich, dass Abby, die auch weniger muskulös auftritt, nicht mehr so kontrovers diskutiert wird.
Weil Abby-Sprecherin Laura Bailey sogar Morddrohungen erhielt, bot HBO bei den Dreharbeiten zusätzliches Sicherheitspersonal am Set auf, immer wenn Abby-Schauspielerin Kaitlyn Dever vor der Kamera stand. «Ich war mir der Sache natürlich bewusst», sagt sie uns im Interview, «aber die Kontroverse hätte mich nie daran hindern können, die Rolle zu übernehmen. Es ist eine Rolle – und ich hoffe, die Leute können zwischen fiktiven Charakteren in einem Game und einem echten Menschen unterscheiden.»
Solid, solid! Vielleicht aus dem Nähkästchen geplaudert: Im Chat mit Kaitlyn Dever erkannte ich Abby nicht wieder. Man merkt es: Die Frau muss sich vor der Kamera wirklich verwandeln, um der Rolle gerecht zu werden. Anders ist das bei Isabela Merced – sie wirkt auch im Chat so quirlig und lebensfroh wie Dina in der Serie.
Auf einer Skala von 0 bis 10 eine 8,85. Weil das Setting mit den verschiedenen Fraktionen und Blickwinkeln interessanter ist, würde ich sie damit leicht höher bewerten als die erste Staffel. Der hätte ich vielleicht eine 8,6 gegeben.
Auf jeden Fall. Gerade als Fan des Games ist es immer wieder interessant zu sehen, wie gewisse Dinge umgesetzt wurden – oder eben nicht. Dem reinen Konsumerlebnis wird so eine Metaebene hinzugefügt, die man sonst bei «normalen» Serien nicht kriegt. Ich bin grosser Fan und freue mich bereits jetzt auf die dritte Staffel.
Die Rolle der Nora, einer Weggefährtin von Abby, wird von Tati Gabrielle gespielt. Und als ich sie das erste Mal sehe, geht mir ein Licht auf: Die habe ich doch erst kürzlich gesehen! Und ja: Die Schauspielerin dient als Vorlage für die Hauptprotagonistin im kommenden «Naughty Dog»-Sci-Fy-Game «Intergalactic: The Heretic Prophet». Das Alte mit dem Neuen so zu verbinden, fand ich ziemlich cool.