2015 hat uns das Playstation4-Game «Until Dawn» besonders beeindruckt: Wie in einem klassischen Slasher-Film begleiteten wir eine Gruppe von Teenies, die in der Abgeschiedenheit von einem irren Killer gejagt wird. Wer überlebt den ganzen Spass und wer muss blutig von der Bühne abtreten? Wir durften an verschiedenen Stellen selber das Schicksal in die Hand nehmen und die Figuren auf bestimmte Story-Pfade schicken.
Das Ganze sah dabei so unglaublich realistisch aus, dass wir kaum bemerkten, dass wir in diesem Videospiel eigentlich eine äusserst passive Rolle einnahmen und von einem Schlauchlevel ins nächste geschickt wurden. Doch das war uns ziemlich egal, denn die Film-Atmosphäre zog uns richtig schön hinein und machte die Genre-Fans glücklich. Knapp zehn Jahre später erscheint nun eine Neuauflage der Horror-Sause und will uns nochmals in die interaktive Filmspiel-Welt hineinziehen.
Alleine bei der Geschichte wird es dem Slasher-Fan ziemlich warm ums Herz: Vor einem Jahr geschah in einer verschneiten Berghütte ein Drama und sorgte dafür, dass zwei junge Mädchen spurlos verschwanden. Nun versammelt sich die Freundesgruppe von damals am selben Ort, um den zwei Vermissten zu gedenken und natürlich eine ordentliche, sexuell aufgeladene Party zu feiern.
Doch daraus wird nichts, denn ein maskierter Killer macht plötzlich Jagd auf die Gruppe und es kommt zu besonders blutigen Auseinandersetzungen. Zusätzlich lauert in der verschneiten Bergwelt etwas Düsteres im Unterholz, ein Einsiedler sorgt für zusätzlichen Terror und was genau ist eigentlich in der stillgelegten Heilanstalt in der Nähe der einsamen Berghütte abgegangen? Der Kampf ums Überleben und das Rätselraten beginnen.
Wir spielen mehrere kurze Kapitel und wechseln dabei zwischen den verschiedenen Gruppenmitgliedern hin und her, die sich natürlich trennen und auf unterschiedliche Wege gehen, um die Rätsel zu lösen sprich von dem Killer Reissaus zu nehmen. Dabei steuern wir wahnsinnig stereotypisierte Teenies durch spärlich beleuchtete Innenräume, verschneite Wälder oder labyrinthartige Höhlensysteme und dürfen an bestimmten Stellen tätig werden, sprich eine Aktion ausführen.
Wir öffnen Türen, heben Fotos und Zeitungsartikel auf oder nähern uns einer Figur, um einen Dialog zu starten, sprich eine Zwischensequenz auszulösen. Der Anteil spielerischer Freiheit ist klein. Dafür dürfen wir in Gesprächen unsere Antworten und Entscheidungen auswählen, die das Schicksal eines Charakters schon mal massiv beeinflussen können.
Und hier liegt die besondere Faszination von «Until Dawn», die auch heute noch zündet: Es gibt eine Unmenge an unterschiedlichen Wegen und Enden, die auf uns warten. Die Grunddramaturgie, die mysteriöse Geschichte im Hintergrund, bleibt zwar bei jedem Durchgang überall gleich, doch das Schicksal der Figuren und die unterschiedlichen Beziehungen zueinander machen nach dem Abspann Lust auf ein erneutes Durchspielen.
Die Neuauflage kommt natürlich in einer überarbeiteten Optik daher, die zwar mit noch etwas realistischeren Gesichtszügen und Animationen hervorsticht, jedoch keinesfalls einen wahnsinnig grossen Unterschied zum Original aufweisen kann, das schon damals unglaublich gut und realistisch die Game-Gemeinde verzückte.
Klar, auch die Innenräume und die Umgebungen, vor allem die Schneelandschaften, wirken jetzt noch prägnanter und realistischer, stachen aber schon 2015 äusserst positiv hervor. Neue Areale, Storyabschnitte oder dergleichen gibt es übrigens nicht. Dafür wurde immerhin der Soundtrack neu arrangiert und interpretiert.
Wer das Original bereits kennt, fragt sich nun also, ob es denn einen richtig guten Grund gibt, sich dem Slasher-Spass nochmals auszusetzen. Kurzantwort: Jein.
Das Original habe ich wohlwollend in Erinnerung und kann mich noch gut daran erinnern wie dieser interaktive Slasher bei mir die richtigen Knöpfe gedrückt hat. Allerdings habe ich inhaltlich so gut wie alles wieder vergessen, was sich für die ersten Spielstunden bei der Neuauflage als positiven Effekt verbuchen liess. Ich konnte mich weder daran erinnern, wer der Killer war, noch was genau da im Hintergrund dieser Mysterie-Geschichte abging.
Erst bei einer bestimmten Schlüsselszene dämmerte es mir und die Erinnerungen wurden wach. Ich wusste wieder, wer der Killer war und was da genau in dieser verschneiten Bergwelt abging. Den Controller beiseite gelegt habe ich dann aber trotzdem nicht. Dafür ist «Until Dawn» auch heute noch viel zu kurzweilig. Das Spiel lässt sich an einem längeren Abend gut durchspielen, benutzt brav die Genre-Regeln und macht sich auch gleichzeitig darüber lustig.
Die Figuren, die hauptsächlich durch ihre Sturm-und-Drang-Phase auffallen und jederzeit sexuell aktiv sein möchten, gehen einem schön auf die Nerven. Es wird am Laufband geschrien, dass man froh ist, wenn eine bestimmte Figur endlich das letzte Mal den Mund geöffnet hat.
Fazit: Der Fall ist klar: Wer Horror-Filme und -Spiele mag und sich gerne erschrecken lassen möchte, der wird mit «Until Dawn» ganz viel Spass haben. Vorausgesetzt, dass das Original nicht konsumiert wurde und keine Spoiler an Auge und Ohr gerieten.
Wer «Until Dawn» schon damals konsumiert hat, sollte sich jedoch sehr gut überlegen, ob er oder sie aktuell um die 70 Franken ausgeben möchte, um dasselbe nochmals zu erleben. Auch wenn die Erinnerungen verblasst sein mögen, ist der kurze Spielspass halt eben kurz und ab einem gewissen Zeitpunkt kann sich schnell einmal die Reue einschleichen, weil alle Erinnerungen plötzlich wieder da sind und der spielerische Anteil sich dann doch sehr stark in Grenzen hält.
So oder so, «Until Dawn» ist per se nach wie vor ein sehr atmosphärischer Horror-Titel, der euer Nervenkostüm regelmässig intensiv attackiert, stellenweise inhaltlich überraschen kann und wunderschön auf der Genre-Klaviatur spielt. Das hat das Spiel damals schon gemacht und macht es auch heute immer noch hervorragend.
«Until Dawn» ist erhältlich für Playstation 5 und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.