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«Silent Hill 2»-Remake im Test: So gut ist das Game für PS5 und PC

In der Kleinstadt Silent Hill warten zahlreiche Gefahren auf unsere Hauptfigur James.
In der Kleinstadt Silent Hill warten zahlreiche Gefahren auf unsere Hauptfigur James.bild: zvg
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Wenn dich der Seelen-Horror von «Silent Hill 2» in den Abgrund zieht

Nach über 20 Jahren hat das japanische Horror-Meisterwerk «Silent Hill 2» ein Remake erhalten. War das wirklich nötig?
04.10.2024, 10:3004.10.2024, 14:15
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«Silent Hill 2» hat im Jahr 2001 in der Videospiellandschaft tiefe Spuren hinterlassen: Reihenweise klappten die Münder nach unten als wir im Schlussakt mit der Wahrheit konfrontiert wurden. Wir konnten das alles gar nicht glauben, starrten ins Leere und wollten einfach nur noch aus diesem Jammertal entfliehen. Gleichzeitig wollten wir aber auch nicht, dass es aufhört. Wir wollten mehr, obwohl wir schon längstens genug hatten.

Ja, «Silent Hill 2» hat uns damals tief in Abgründe gezogen, uns in Sicherheit gewogen und dann wieder fertiggemacht. Nun bekommt dieses Meisterwerk ein Remake und die gepeinigte Spieler-Seele fragt sich, ob das wirklich nötig war.

So sah das Original damals aus...

Wo ist meine Frau?

Der zweite Teil von «Silent Hill» ist zwar ebenfalls im selben Kosmos wie der Erstling angesiedelt, erzählt aber eine so entfernte Geschichte, dass sie komplett für sich alleine stehen darf. Wir schlüpfen in die Rolle von James Sunderland, der am Rande des Städtchens Silent Hill in einer heruntergekommenen Toilette entgeistert in den Spiegel blickt und stark sinniert.

Ein Brief von seiner Frau Mary hat ihn an diesen Ort geschickt, wo sie an einem ganz besonderen Platz auf ihn wartet. Was sich zuerst ziemlich romantisch anhört, wird schnell verstörend. Denn Mary ist schon lange gestorben. Dennoch reist der gepeinigte Ehemann ins neblige Örtchen, um sich auf die Suche nach seiner angeblich toten Frau zu machen und das Geheimnis um den mysteriösen Brief zu lüften. Mehr kann und soll hier zur Geschichte nicht verraten werden, denn alles andere grenzt an Blasphemie.

James macht sich in Silent Hill auf die Suche nach seiner Frau.
James macht sich in Silent Hill auf die Suche nach seiner Frau.bild: zvg

Es knackt und rauscht

Auf seinem leidvollen Weg bemerkt James immer mehr, dass mit dieser Kleinstadt etwas so gar nicht stimmen mag: Sie ist komplett verlassen. Häuser und Läden sind leer oder wurden verbarrikadiert. Leere Autos stehen einfach nur so herum und ein mysteriöser Nebel hat die Stadt fest in ihrem Griff. Ist dieses Szenario an sich schon unheimlich genug, schleichen finstere Kreaturen durch die Gegend, die sich aggressiv an James heranpirschen.

Diese Kreaturen kann der Protagonist im dichten Nebel meist nicht kommen sehen, aber er kann sie hören. Denn ein gefundenes, kleines Radio wird zum Taschen-Radar. Wenn sich diese Ausgeburten der Hölle in der Nähe befinden, beginnt ein leises Knacken und artet dann in wildes Rauschen aus, je näher die Biester kommen. Und das alles passiert direkt zwischen euren Händen, sofern die Playstation 5-Version gespielt wird und die Geräusche via Controller zu euch dringen.

Manche Gegner sieht man nicht, aber man kann sie hören.
Manche Gegner sieht man nicht, aber man kann sie hören.bild: zvg

Das Genre-Einmaleins

James hat natürlich noch andere Utensilien bei sich, um sich gegen die wilde Horde zur Wehr zu setzen. Wie es sich für ein Survival-Horror-Spiel gehört, wird zu Beginn mit einem Holzknüppel kräftig ausgeteilt und auch eine Schusswaffe wandert später in die Tasche von James. Heiltränke und Spritzen sorgen für den nötigen Energieschub und das Sammeln und Sichten von Notizen und Objekten hilft bei der Lösung von Rätseln.

Im weiteren Spielverlauf gesellen sich weitere Hieb- und Stichwaffen hinzu und selbstverständlich gibt es auch kräftigere Schusswaffen mit ordentlicher Durchschlagskraft, die man sich aber erst verdienen muss. Wie das Genre es verlangt, werden in regelmässigen Abständen dann schliesslich besonders knackige Rätsel gelöst, Schlüssel ausfindig gemacht, um Tore und Türen zu öffnen und aus grossen, verzwickt begrenzten Arealen das Weite gesucht, nachdem ein Bossgegner überlebt wurde.

James bekommt es mit immer obskureren Gegnern zu tun.
James bekommt es mit immer obskureren Gegnern zu tun.bild: zvg

Einfach mal eine Scheibe einschlagen

Dieses spielerische Grundprinzip hat sich auch im Remake nicht geändert. Noch immer wird gerätselt, gesucht und gekämpft. Die Grundstruktur ist dieselbe geblieben. Auch neue grosse für die Dramaturgie wichtige Schauplätze gibt es nicht. Dafür wurden die bekannten Areale wie etwa das Krankenhaus oder das Gefängnis unaufdringlich vergrössert, teilweise mit neuen Rätseln versorgt und bieten die eine oder andere infrastrukturelle Überraschung.

Das Städtchen selber zeigt sich jedoch im Remake von einer ganz anderen Seite. Es wurde nämlich leicht vergrössert und hat jetzt mehr versteckte Geheimnisse, die auf unsere Enthüllung warten. Im Gegensatz zum Original können wir nun diverse Scheiben einschlagen, uns in Läden umsehen und uns Rätseln widmen, die für die Story nicht von Belang sind. Auch abgeschlossene Gebiete dürfen nach intensiver Objekt-Suche und starkem Sinnieren betreten werden.

Das Städtchen Silent Hill zeigt sich im Remake von seiner besonders schaurig schönen Seite.
Das Städtchen Silent Hill zeigt sich im Remake von seiner besonders schaurig schönen Seite.bild: Zvg

Blutige, ekelhafte Kulissen

Der Hauptunterschied zum Original ist natürlich die optische Generalüberholung. So darf sich die Stadt Silent Hill nun in ihrem besten Kleid zeigen und uns noch mehr das Fürchten lehren. Aber nicht nur die Innenstadt, die sich im Verlaufe des Spiels immer mehr verändert, dreckiger und verkommener wird, auch die bekannten Areale triefen vor ekelhafter Optik, die unsere Augen verzücken.

Schäbige, verlotterte Innenräume, wo man den abgestandenen Geruch schon fast riechen kann, transformieren sich immer mehr zu einer blutigen, rostigen Kulisse, die den Realismus weiter von sich drückt und den surrealen Horror mit offenen Armen empfängt.

Die Innenräume sind schäbig, gruselig und oft einfach nur ekelerregend.
Die Innenräume sind schäbig, gruselig und oft einfach nur ekelerregend.bild: zvg

Keine intensive Kampfdynamik

In diesen oft spärlich beleuchteten Umgebungen, die James immerhin mit einer Taschenlampe ein bisschen erhellen darf, will auch intensiv gekämpft werden. Die Third-Person-Perspektive wurde aus dem Original übernommen. Allerdings wurde die frei steuerbare Kamera auch näher an unseren Protagonisten herangeführt, so dass wir ihm nun über die Schulter blicken können.

Das macht die Kämpfe dynamischer als in der Vergangenheit. Oder besser gesagt, sie soll sie dynamischer machen. Denn auch wenn sich James nun nicht mehr so steif bewegt und auch ausweichen kann, läuft jeder Kampf fast immer gleich ab und driftet in einen Rhythmus hinab, der die erhoffte Kampfdynamik weit von sich wirft.

Die Kämpfe laufen meistens nach demselben Schema ab.
Die Kämpfe laufen meistens nach demselben Schema ab.bild: zvg

Mit audiovisueller Kunst überzogen

Doch die Qualität von «Silent Hill 2» steht und fällt nicht durch die Kampfdynamik, die im Remake immer noch gut ist und ihren Zweck erfüllt. Nein, dieses Spiel wurde hauptsächlich zu einem Meisterwerk, weil es narrativ im Videospielbereich komplett andere Wege ging und die Storyline mit audiovisueller Kunst überzog. Das, was zwischen den Zeilen geschieht, spiegelt sich auch immer auf dem Bildschirm in der Form der Monster oder der Umgebung, die selber zu einer mit Metaphern überladenen Gestalt im Horror-Trip wird.

Die ganzen Szenerien werden mit einem Klangteppich überzogen, der uns auch heute noch mit Gänsehaut versorgt. Was hier der japanische Künstler Akira Yamaoka erschaffen hat, lässt sich schwer beschreiben. Seine düsteren Industrial-Klänge, die sich mit sanften Ambient-Klängen paaren, sind eine Offenbarung für die Ohren. Selbstverständlich wird auch das Remake mit diesen Klängen versorgt. Auch wenn hier nicht gross an der Klangkulisse geschraubt wurde, hört man dennoch ein paar neue, sprich überarbeitete Muster, die aber nur denjenigen auffallen wird, die das Spiel schon mehrfach durchgespielt haben und den Soundtrack aus der Endlosschleife kennen.

Das Artdesign von «Silent Hill 2» ist und bleibt eine Meisterleistung.
Das Artdesign von «Silent Hill 2» ist und bleibt eine Meisterleistung.bild: zvg

Mehr und längerer Horror

Apropos durchspielen: Das Besondere an «Silent Hill 2» war und ist, dass es mehrere Enden gibt, die freigespielt werden können und den Interpretationsraum weit nach oben katapultieren. Während einige Enden erscheinen, wenn man sich in bestimmten Situationen beispielsweise aggressiv verhält, tauchen andere erst auf, wenn ein bestimmter Gegenstand im Spiel gefunden wurde. Das Remake hat die Enden von damals übernommen, aber auch komplett neue erhalten, womit die Suche und Freischaltung via erneutem Durchspielen losgehen können.

Die Neuauflage ist übrigens etwa doppelt so lang wie das Original. Da keine grossen Areale neu hinzugefügt wurden, erstaunt das sehr. Doch indem man behutsam die bekannten Orte erweitert und sehr knackige, neue Rätsel eingeführt hat und die Innenstadt heute mehr zur Erkundung einlädt als früher, stehen am Ende des Spiels mehr als 20 Spielstunden auf dem Konto. Wem die Rätsel und die Kämpfe generell zu schweisstreibend sind, kann den Schwierigkeitsgrad übrigens nach unten schrauben. Der Horror bleibt aber so oder so intensiv.

Manche Orte wirken sofort vertraut, andere wurden inhaltlich und optisch erweitert.
Manche Orte wirken sofort vertraut, andere wurden inhaltlich und optisch erweitert.bild: zvg

Keine grossen Experimente

«Silent Hill 2» bleibt sich treu. Oder anders ausgedrückt: Die Entwickler von Bloober Team sind mit Samthandschuhen an die Remake-Aufgabe herangegangen. Auftraggeber Konami scheint sich hier sehr bewusst gewesen zu sein, dass grosse Experimente mit diesem einen Videospiel nicht angebracht waren. Zu viel scheint hier auf dem Spiel zu stehen. Denn Konami will genau wie Kollege Capcom mit seinen «Resident Evil»-Remakes auch Geld verdienen.

Da ist man mit einem simplen Remake ohne grosse Ausschweifungen auf der sicheren Seite. Kommt hinzu, dass die neuen «Silent Hill»-Teile in der Pipeline in der Fanbase jetzt schon mit Argusaugen beobachtet werden. Ein waghalsiges, experimentvolles Remake mit dem Heiligtum «Silent Hill 2» hätte sich schnell zu einem Strohfeuer ausbreiten können.

Manche Rätsel erkennt der Purist sofort, andere wurden erneuert.
Manche Rätsel erkennt der Purist sofort, andere wurden erneuert.bild: zvg

Optische Frischzellenkur macht Sinn

Doch zurück zum eigentlichen Spiel: Ja, das Entwicklerteam hat es sich doch etwas einfach gemacht und das Original kaum verändert. Das ist aber auch gut so und war die richtige Entscheidung. Denn das Remake ist auch dazu da, um jüngere Semester für dieses Meisterwerk zu begeistern, die damals schlicht zu jung waren oder noch gar nicht erst auf dieser Erde weilten. Würde man ihnen das Original anbieten, würden sie abwinken. Obwohl das Spiel aus dem Jahr 2001 immer noch hervorragend aussieht und nichts von seiner Faszination verloren hat, würden jüngere Generationen nur lachend davonlaufen.

Man kann noch so sehr mit der Story-Keule in einer inbrünstigen Rede von der Tiefe und metaphorischen Verschachtelung von «Silent Hill 2» predigen. Wenn die Optik nicht mehr zeitgemäss ist, will es halt auch kaum jemand spielen. Darum tut die grafische Frischzellenkur mit schicken Zwischensequenzen dem Kultspiel gut und erschliesst so eine neue Zielgruppe, um die Marke am Leben zu erhalten.

Egal ob Original oder Neuauflage, Protagonist James ist immer noch eine gezeichnete Seele.
Egal ob Original oder Neuauflage, Protagonist James ist immer noch eine gezeichnete Seele.bild: zvg

Gänsehaut und Tränen wie damals

Und wir, die wir das Spiel damals im Original erlebten? Wir spielen es mit derselben Ehrfurcht nochmals durch, saugen diese einzigartige Atmosphäre in uns auf und leiden mit James und allen anderen Figuren in dieser kruden Stadt erneut mit.

Wir bekommen Gänsehaut, wenn wir zu Beginn durch den Wald laufen. Wir reagieren panisch, wenn dieser Pyramid Head auf uns zukommt. Wir laufen ehrfürchtig einen ewig langen Weg in die Tiefe hinab, der einfach nicht enden will. Wir springen in schwarze Löcher und werden in einem engen, düsteren Gefängnis mit Stress überhäuft. Und wir haben erneut Tränen in den Augen, wenn wir gen Ende mit der Wahrheit konfrontiert werden.

Wenn der mysteriöse Pyramid Head auftaucht, möchte man immer noch einfach nur davonrennen.
Wenn der mysteriöse Pyramid Head auftaucht, möchte man immer noch einfach nur davonrennen.bild: zvg

Seelen-Horror, der tief geht

Fazit: Vorfreude und Skepsis waren stets meine Begleiter. Ich hatte Angst, dass das Original nicht die nötige Würdigung erhält und gleichzeitig freute ich mich immens auf vertraute Spielabschnitte und Szenen, die sich damals in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt hatten.

Bloober Team hat es unter der Aufsicht von Konami glücklicherweise verstanden, dass kosmetische Schliffe ausreichen, um «Silent Hill 2» in die Gegenwart zu transportieren. Die Story ist zeitlos und die Irrungen und Wirrungen von James und allen anderen Figuren, denen er auf seinem Leidensweg begegnet, hallen bis in alle Ewigkeit nach. Die beklemmende Atmosphäre ist immer noch intensiv und wird euch leiden lassen. Das Monsterdesign lässt uns bei genauem Hinsehen erschaudern und die melancholisch-düsteren Klänge werden uns ewig verfolgen.

«Silent Hill 2» ist und bleibt ein Meisterwerk, egal ob das Original oder das Remake gespielt wird. Dieser Seelen-Horror geht besonders tief, bringt euch oft an den Rand der Verzweiflung und gräbt sich tief im Hinterstübchen ein. Eine spielerische Offenbarung, mit grossem Interpretationsraum, die einfach erlebt und erlitten werden möchte.

Oder um es mit einem der schönsten Videospielzitate abzuschliessen: «In my restless dreams, I see that town... Silent Hill.»

Das Remake von «Silent Hill 2» ist ab dem 8. Oktober erhältlich für Playstation 5 und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.

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