Obwohl (oder gerade weil) Gerüchte um faltbare Handys und Tablets seit Jahren umhergeistern, gelang Samsung am Mittwochabend ein echter Paukenschlag. Der südkoreanische Tech-Riese enthüllte das Galaxy Fold, das auf den ersten Blick wie ein normales Smartphone aussieht, sich aber wie ein Buch öffnen lässt, um ein zweites Display von der Grösse eines kleinen Tablets zu enthüllen.
Zusammengeklappt sieht das Fold aus wie zwei sehr schmale, aufeinandergelegte Smartphones. «Aufgeklappt entsteht eine einheitliche Bildschirmfläche – ganz ohne Falz oder störende Linie zwischen den Einzeldisplays», schreibt die Journalistin von «Zeit Online», die der Präsentation beiwohnte.
Wie dies in der Praxis funktioniert, zeigen die beiden folgenden GIFs.
Das Gerät könnte Nutzer ansprechen, die bislang mit einem Smartphone und Tablet unterwegs sind und so ein Gerät zuhause lassen könnten. Nicht von ungefähr geht der Trend seit Jahren zu immer grösseren Smartphones. Denn viele Nutzer wollen Netflix, YouTube und Co. auch unterwegs auf einem genügend grossen Display konsumieren, aber kein zweites Gerät (Tablet, Laptop) mitnehmen.
Vielleicht kommen solche «Foldables», wie Samsung die neue Gerätekategorie nennt, noch zu früh. Aber spätestens mit dem flächendeckenden 5G-Netz und der weiteren Verbreitung von Flatrate-Handyabos dürften es einige Menschen zu schätzen wissen, ein flexibles Gerät zu haben, das sich etwa im Zug zu einem Tablet auffalten lässt.
Insbesondere für Menschen, die das Smartphone als zentrales Gerät nutzen und eventuell gar kein Tablet oder keinen PC mehr haben, macht ein flexibles Tablet-Smartphone-Hybridgerät durchaus Sinn – beispielsweise bei der Nutzung zu Hause auf dem Sofa.
Aufgeklappt lassen sich auf dem Galaxy Fold drei Apps parallel ausführen, was Samsungs Anspruch unterstreicht, das Fold als Business-Gerät zu etablieren. Hierfür spricht auch, dass Samsung mit Microsoft kooperiert, um die populären Office-Apps für das Falt-Gerät zu optimieren.
Bislang hat noch kein einziger Journalist das neue Falt-Gadget in den eigenen Händen gehalten. Samsung zeigt sein Foldable nur in Videos. Ob es gut in der Hand liegt, sich mühelos falten lässt oder zu klobig für die Hosentasche ist, bleibt vorerst ein Geheimnis.
Misstrauisch stimmt, dass die sonst so zahlenverliebten Südkoreaner es tunlichst vermeiden, die Dicke ihres Falt-Galaxys zu erwähnen. Das Display sei rund 50 Prozent flacher als ein typisches Smartphone-Display, heisst es lediglich. Im Endeffekt dürfte das Galaxy Fold trotzdem fast doppelt so dick wie zwei dünne Smartphones sein.
Immerhin: Kommende Versionen werden zweifellos dünner – was uns zur nächsten Frage bringt.
Das zweite und grössere Display für den Tablet-Modus lässt sich nicht nur biegen, sondern komplett falten. Der Faltmechanismus ist laut Samsung auf eine Lebensdauer des Geräts von rund fünf Jahren ausgelegt. Dies unter der Annahme, dass das Fold 150 Mal am Tag geöffnet und wieder zugeklappt wird. «Möglich wird das biegbare Display durch eine neu entwickelte Polymerschicht, aus einem Material, das auch in Raketen verbaut oder als Hitzeschutz verwendet wird», schreibt Zeit Online.
Ein kleines, leichtes und dennoch stabiles Scharnier zu entwickeln, dürfte für Samsungs Ingenieure eine besondere Herausforderung gewesen sein. Immerhin hatten sie genug Zeit. Laut Samsung sind seit dem ersten Prototyp acht Jahre vergangen.
Nicht falten lässt sich übrigens der Akku. Das Fold hat deshalb zwei einzelne Akkus, die sich gemeinsam entleeren bzw. wieder geladen werden.
Das Galaxy Fold ist ein Luxus-Gerät, und entsprechend gepfeffert ist der Preis: Mindestens 2000 Franken wird man für den Formwandler hinblättern, wenn er ab dem 3. Mai in Europa verfügbar ist. Dafür bekommt man aber auch ein vielseitig nutzbares Gerät mit zwei Displays (das grössere auf der Innenseite ist faltbar), sechs Kameras, schnellem Prozessor, 12 GB Arbeitsspeicher und 512 GB Speicherplatz. Das kleine Falt-Handy hat somit weit mehr Power als die allermeisten Laptops.
Das Galaxy Fold ist auch deutlich komplexer als ein Handy oder Tablet und es wird zunächst nur in kleineren Stückzahlen produziert, was die Kosten weiter in die Höhe treibt. Aufgrund des Preisschildes dürften sich nur Technik-begeisterte für die erste Generation interessieren. Branchenkenner schätzen, dass Samsung im laufenden Jahr nicht mehr als ein bis zwei Millionen Geräte absetzen kann. Um breitere Zielgruppen anzusprechen, müsste der Preis fallen.
Diese Frage lässt sich erst beantworten, wenn wir das Gerät ab Mai ausprobieren können. Vieles spricht aber dafür, dass das Fold zunächst ein CEO-Spielzeug und Gimmick für reiche Influencer ist.
Für den Otto Normalverbraucher ist nicht nur der hohe Preis ein Verzichtsgrund, sondern auch die vielen ungeklärten Fragen. Bei diesen neuartigen und irgendwann sicher alltagstauglichen Faltgeräten gilt somit mehr als je zuvor die alte Regel beim Technikkauf: «Kauf kein Gerät der ersten Generation.»
Samsung wagt sich also als erster grosser Hersteller an das Experiment Foldable. Microsoft etwa soll Mitte 2018 kurz vor der Enthüllung seines faltbaren Geräts gestanden haben. Die Präsentation wurde dem Vernehmen nach abgeblasen, weil man keinen Markt sah. Auch Apple hält sich vornehm zurück. Zu gross ist wohl die Angst, mit einem nicht ausgereiften Produkt auf die Nase zu fallen.
Samsung steht nun vor der Herausforderung Menschen für ein Produkt zu begeistern, das sie nicht kennen und dessen Nutzen sich nicht sofort erschliesst. Das kann gelingen – oder auch nicht. Die Geschichte lehrt uns, dass neuartige Produkte Bedürfnisse schaffen können, die Konsumenten vorher gar nicht kannten. Und die Geräte-Hersteller haben jedes Interesse, neue Bedürfnisse zu wecken, da der Smartphone-Markt seit zwei, drei Jahren schrumpft.
Allein auf weiter Flur im erst noch zu erschaffenden Foldable-Markt bleibt Samsung auf jeden Fall nicht lange: Huawei, Xiaomi, LG, Motorola und andere könnten schon nächste Woche an der Branchen-Messe Mobile World Congress in Barcelona nachziehen und eigene Falt-Geräte präsentieren.
Das Fazit in den Worten eines watson-Lesers: