Am 11. Oktober eröffnet der chinesische Elektronikkonzern Xiaomi seinen ersten Schweizer Flagship-Store in Wallisellen. Die Schweiz kommt dabei früh in den Genuss der europäischen Xiaomi-Expansion, denn nach Paris ist das erst der zweite Flagship-Store der Chinesen in Europa.
Bei uns ist Xiaomi vor allem für günstige Smartphones bekannt, doch im neuen Laden soll diese Sparte nur ein kleiner Teil des Sortiments ausmachen. Laut Xiaomi sind auf den 178 Quadratmetern rund 300 Artikel verfügbar, davon 200 ausgestellt.
Nachfolgend gibt es einen kurzen Überblick über den chinesischen Konzern, der sich anschickt, Europa zu erobern.
Als erstes klären wir gleich einmal die wichtigste Frage:
Xiaomi wurde erst 2010 von sechs Chinesen gegründet, die teilweise langjährige Erfahrungen bei Unternehmen wie Google, Microsoft oder Motorola vorzuweisen hatten. Ziel des Gründerteams ist es, ein Elektronikkonzern aufzubauen, der sich eines Tages auf Augenhöhe mit Apple und Google messen kann. Betrachtet man die Geschwindigkeit, mit der Xiaomi wächst, ist das Unternehmen auf bestem Weg dazu. Im Mai 2018 liess der Konzern verlauten, dass bereits eine halbe Milliarde Menschen das Xiaomi-Ökosystem nutzen würden.
Das Gesicht des Konzerns ist der Milliardär Lei Jun. Er hatte Xiaomi bereits in den ersten drei Jahren zu einem der führenden Smartphone-Hersteller gemacht – zumindest in China. Dies gelang ihm durch geschicktes Marketing, bei dem er sich hauptsächlich von Apple inspirieren liess. Jun imitierte dabei anfangs sogar den Kleidungsstil und das Auftreten von Steve Jobs. So züchtete er sich – ähnlich wie Apple – eine treue und eingeschworene Fangemeinde heran.
Bekannt ist Xiaomi für seine Smartphones. Allerdings bietet der Konzern keineswegs nur Mobiltelefone an, sondern erinnert stellenweise fast schon an einen Tante-Emma-Laden für hochwertige Elektronik.
Zum einen findet man im Sortiment der Chinesen typische Produkte wie Laptops, Fitnessarmbänder, Lautsprecher, Kopfhörer und Fernseher. Dann wiederum bietet Xiaomi aber auch Dinge wie ein faltbares Fahrrad, einen Roboterbausatz, einen vernetzten Blumentopf oder gar einen smarten Laufschuh an. In China umfasst das Sortiment von Xiaomi rund 1200 Artikel. Dadurch ist der Konzern laut eigener Aussage zum führenden Hersteller für Internet-of-Things-Produkte geworden.
In Europa sind die wenigsten dieser Produkte offiziell erhältlich. Hier konzentriert sich Xiaomi vor allem auf Smartphones, Unterhaltungselektronik und Haushaltsartikel wie Roboter-Staubsauger und smarte Leuchtmittel. Im neuen Flagship-Store im Glattzentrum sind aber auch spezielle Gadgets wie beispielsweise der Roboterbausatz erhältlich.
Die kurze Antwort: ja. Xiaomi hat selbst in ihren günstigsten Smartphones oft Hardware verbaut, die sonst nur in höheren Preisklassen zu finden ist. Bei Tests schneiden die verschiedenen Smartphones fast immer gut bis sehr gut ab.
Allerdings muss man, wenn man sein Handy im Netz bestellt, aufpassen, dass man immer die internationale Edition kauft, da sonst gewisse Funktionen eingeschränkt sein können.
Wer aber bei den gängigen Anbietern wie Interdiscount, Digitec oder Sunrise bestellt, sollte automatisch die korrekte Version erhalten. Aufpassen muss man nur bei Shops, die sich auf den Import von Geräten spezialisiert haben.
Der Konzern verzichtet schlicht auf eine grosse Marge. Beträge wie Apple oder auch Samsung, die pro Smartphones teilweise brutto mehrere hundert Dollar verdienen, kann Xiaomi damit vergessen.
Die Chinesen setzen vielmehr auf eine Strategie, die beispielsweise Amazon anwendet: Hardware möglichst günstig anbieten, um eine rasche Verbreitung zu erreichen. Gewinne will das Unternehmen später mit eigenen Diensten einfahren. Das funktioniert im Moment vor allem in China, da es dort für Xiaomi mangels Play Store einfacher war, ein eigenes Ökosystem mit dazugehörigem App Store aufzubauen.
In Europa dürfte das allerdings nicht ganz so einfach werden. Hier beherrscht Google mit seinem Play Store den Markt und von populären China-Apps wie WeChat hat hier kaum jemand was gehört. Google und Facebook dürften ihre beliebten Apps wie YouTube oder Instagram kaum für den Xiaomi-eigenen Store zur Verfügung stellen.
Das Angebot an Smartphones bei Xiaomi wirkt auf den ersten Blick etwas unübersichtlich. Grundsätzlich hat Xiaomi seine Smartphone-Sparte in drei Labels aufgeteilt:
Aktuell hat Xiaomi 16 verschiedene Smartphones unter dem Label Mi Phones im Programm. Das neuste ist das jüngst vorgestellte, futuristisch anmutende Mi Mix Alpha. Dieses erscheint aber erst später und wird vermutlich nicht in der Schweiz erscheinen.
Ursprünglich hatte Xiaomi die Modellreihe Redmi als Budget-Linie als Ergänzung zu den «teureren» Mi-Smartphones eingeführt. Anfangs 2019 wurde aus Redmi allerdings eine eigene Marke, die allerdings komplett im Besitz von Xiaomi ist.
Das Pocophone ist eine Budgetmarke, die Xiaomi erst vor etwas mehr als einem Jahr eingeführt hat. Das einzige bisher erschienene Smartphone Pocophone F1 setzt dabei auf ein zweckmässiges Plastikgehäuse, aber hochwertige Hardware.
Xiaomi produziert natürlich in China selbst. Speziell bei den Smartphones fertigt Xiaomi aber immer mehr der benötigten Komponenten in Indien. 2018 sollen sogar 95 Prozent aller Smartphones der Chinesen in Indien gebaut worden sein. Dafür arbeitet Xiaomi mit drei grossen Fertigungsunternehmen zusammen, wovon das bekannteste Foxconn ist.
Foxconn steht seit Jahren immer wieder in der Kritik, ihre Mitarbeiter auszubeuten. So sieht sich auch Apple, das ebenfalls bei Foxconn fertigen lässt, immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, das iPhone unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren zu lassen. Erst im September veröffentlichte die Organisation für Arbeitsnehmerrecht China Labor Watch einen ausführlichen Bericht über die fragwürdige Produktion des iPhone 11.
In Sachen umweltfreundliche Herstellung gehört Xiaomi wohl eher zu den Schlusslichtern. Unter anderem rangiert Xiaomi bei einem Bericht von Greenpeace bezüglich Grüner Elektronik am Schluss des Rankings, zusammen mit Oppo, Vivo und Amazon. Laut Greenpeace falle Xiaomi vor allem durch mangelnde Transparenz und wenig Engagement bei erneuerbarer Energie auf. Allerdings stammt dieser Bericht aus dem Jahr 2017 und ist damit nicht mehr ganz aktuell.
Der Vorwurf der mangelnden Transparenz wurde 2018 durch einen Fall untermauert, bei dem Xiaomi vorgeworfen wurde, wissentlich Dokumente über Umweltverstösse eines Zulieferers zurückgehalten zu haben. Angeblich soll der Tech-Konzern dies getan haben, um den damals geplanten Börsengang nicht zu gefährden.
Später gab der Konzern zu, dass mehrere Zulieferer gegen Umweltschutzauflagen verstossen hätten. So wurde von einem Zulieferer belastetes Abwasser durch ein geheimes Rohr in die umliegenden Gewässer geleitet. Xiaomi betonte aber gleichzeitig, dass diese Verfehlungen bereits korrigiert worden seien und die Umweltstandards wieder eingehalten würden. Einige Umweltorganisationen widersprechen dem aber und behaupten, dass die Missstände nicht oder nur unzureichend korrigiert worden seien.
Cool, endlich noch günstigere Produkte!
Dann so:
- von ausgebeuteten Mitarbeitern produziert
- in China programmiert, wo Datenschutz inexistent ist
- mit umweltverschmutzender Produktion
- aus China exportiert, wo Menschenrechte inexistent sind
- mit geplanter Obsoleszenz, sodass in einem Jahr kaputt
- eigentlich schon genug Elektroschrott zu Hause
Und schliesslich so:
Naja, aber zu dem Preis muss man trotzdem kaufen!
*facepalm*