Der silbergraue VW ist mit diversen Sensoren bestückt.Bild: swisscom
Ein selbstfahrendes Auto mitten in Zürich: Die Swisscom will mit dem Pilotprojekt praktische Erfahrungen für die zunehmende «Digitalisierung» sammeln.
12.05.2015, 10:1712.05.2015, 15:37
Der Slogan auf dem Heckfenster lässt aufhorchen: «Dieses Auto fährt selbst. Wer drin sitzt, fährt mit.»
Am Dienstagmorgen ist bei Twitter das erste Foto des selbstfahrenden Swisscom-Autos aufgetaucht. Es handelt sich um einen VW Passat, den Forscher von der Freien Universität Berlin mit Sensoren, Computern und entsprechender Software ausgerüstet haben.
Der Computer fährt und bremst das Fahrzeug autonom, wie die Swisscom am Dienstag vor den Medien in Zürich bekannt gab. Er erfasst andere Fahrzeuge und Passanten über Laserscanner, Radar und Videokameras. Spezielle Software analysiert die Daten, erkennt Fahrsituationen und gibt Fahrbefehle.
Die Satelliten-Navigation via GPS ermöglicht dem Computer, den Standort des Autos auf wenige Zentimeter genau zu bestimmen. Beim Fahrzeug handelt es sich um einen Prototypen, der auch ohne Verbindung ins Mobilfunknetz autonom fahren kann.
Bis selbstfahrende Autos regelmässig und in grösserer Zahl auf Schweizer Strassen fahren, wird noch einige Zeit vergehen. Fachleute schätzen, dass es mindestens drei bis fünf Jahre dauern wird.
Zu den Projektkosten macht die Swisscom keine Angaben. Man habe sich nach einem geeigneten Partner umgeschaut, sei aber in der Auto-Industrie nicht fündig geworden. So kam es zur Kooperation mit dem Innovationslabor Autonomos in Berlin. Die Wissenschaftler entwickeln seit einigen Jahren Computer-Lenksysteme für Autos, die die Strassen sicherer machen sollen. Ziel ist es, Verkehrsunfälle zu vermeiden.
Vollgestopft mit Technik, ist der VW Passat zwei Wochen lang in Zürich unterwegs.Bild: Swisscom/Autonomous Labs
Wie die Swisscom informierte, fährt das Auto bereits seit dem 4. Mai zu Testzwecken autonom durch die Stadt Zürich. Die Testfahrten sollen laut Ankündigung noch bis am 14. Mai dauern. Spezialisten hinter dem Lenkrad sorgten für die nötige Sicherheit, wie es heisst. Der Bund hat entsprechende Testfahrten für vorgegebene Routen bewilligt.
Das selbstfahrende Auto ist beim neuen «Business Campus» von Swisscom an der Turbinenstrasse in Zürich stationiert. Man habe nicht die Absicht, selber Fahrzeug zu bauen, heisst es. Vielmehr interessiere man sich für die zunehmende «Digitalisierung».
Mit dem Pilotprojekt will der Telekom-Konzern Erfahrungen «für die Mobilität der Zukunft» sammeln. Die Fragestellung ist: Wie lassen sich Fahrzeuge, Gegenstände und Menschen optimal vernetzen?
Es werden zwei Anwendungsbeispiele genannt: «Effektive Verkehrsleitsysteme führen zu weniger Stau, dies entlastet die Umwelt und reduziert volkswirtschaftliche Kosten.» Und dank des Internets der Dinge werde ein selbstfahrendes Fahrzeug künftig bereits vor Ankunft wissen, «welche Parkplätze frei sind und sie gezielt ansteuern».
Zudem wolle die Swisscom eine Diskussion anstossen. Denn selbstfahrende Autos würden viele Fragen aufwerfen.
- Dürfen Personen nach wie vor ein Auto lenken, wenn es ohne den Faktor Mensch sicherer wäre?
- Wie werden Gesetze angepasst?
- Wer haftet bei Unfällen?
Diverse Kameras erfassen das Geschehen.bild: swisscom
Bleibt die Frage nach dem finanziellen Nutzen. Plant die Swisscom, eine Flotte von Roboterautos zu betreiben? Es sei zu früh, über konkrete Geschäftsmodelle zu sprechen, betonen die Verantwortlichen.
Die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden in einem schriftlichen Bericht zusammengefasst, der später veröffentlicht wird.
Handy-Daten ausgewertet
Wer mit dem Auto und dem Handy unterwegs ist, trägt vielleicht – ohne es zu wissen – zu einer besseren Verkehrsplanung bei. Die
Swisscom analysiert für das Bundesamt für Strassen
anonymisierte Positionsdaten von Mobiltelefonen und liefert in Big-Data-Projekten Prognosen zur Entwicklung des Verkehrs. Ausserdem testet der halbstaatliche Telekom-Konzern zurzeit in Zürich und Genf ein alternatives kabelloses Netzwerk für das Internet der Dinge. So können alltägliche Gegenstände, wie Autos, bei minimalen Energieverbrauch miteinander kommunizieren.
Ein Restrisiko bleibt
Wenn selbstfahrende Autos im normalen Verkehr unterwegs sind, birgt das immer gewisse Risiken, die nicht vorhersehbar sind. Die Steuerungs-Software kann noch so ausgefeilt sein: Wenn plötzlich ein Kind vom Trottoir auf die Strasse springt, ist auch der schnellste Computer nicht mehr in der Lage, das Fahrzeug rechtzeitig zu stoppen. Gleichzeitig gilt es in Erinnerung rufen: Ein menschlicher Lenker würde in der gleichen Situation noch viel langsamer reagieren.
Das grösste Risiko im Strassenverkehr bleibe der Mensch, bestätigt der ETH-Professor Roland Siegwart im NZZ-Interview. Jedoch habe der Mensch in gewissen Belangen auch der Maschine etwas voraus: «Wir müssen einerseits die Technologie verfeinern und die Forschung vorantreiben. Andererseits muss die Gesellschaft von den Vorzügen des autonomen Fahrens überzeugt werden. Denn in vielen Bereichen ist der Mensch das grösste Sicherheitsproblem. Auf der anderen Seite ist er der Technologie gerade in der Innenstadt noch überlegen. Er kann komplexe Situationen schneller und zuverlässiger analysieren.»
Gerade erst wurde bekannt, dass die selbstfahrenden Google-Autos innert des seit sechs Jahren dauernden Testprojekts in elf kleinere Unfälle verwickelt worden. Dabei sei das selbstfahrende Auto nie der Grund für die Zwischenfälle gewesen, betonte der Projektchef.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA
Bekannte selbstfahrende Autos
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Das sind die ersten selbstfahrenden Autos
Das erste selbstfahrende Auto in der Schweiz: Seit Mai 2015 fährt ein VW Passat der Swisscom und der Freien Universität Berlin zu Testzwecken durch Zürich.
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