Das ist der beliebteste Schweizer Dialekt – zumindest in der Werbung
Mitten in Zürich zieht ein gigantisches Plakat alle Blicke auf sich: Es ist die Werbung eines Kaffeeherstellers. «Die ganzi mänschlichi Technologie für din Kaffi !», steht da.
Es mag verwundern, dass gerade hier zwischen der Hardbrücke und dem Prime Tower, wo internationale Konzerne wie Zalando oder Universal ihre Büros haben, ein Kaffeehersteller nicht auf Englisch, sondern auf Mundart wirbt.
watson hat bei einem Marketing-Experten und einem Sprachwissenschaftler nachgefragt, warum wir in der Werbung so viel Schweizerdeutsch lesen.
Boom von schweizerdeutscher Werbung
Schweizerdeutsche Werbesprüche wie «I wett i hett es happy Bett» oder «Wer häts erfunde?» sind längst ins kulturelle Gedächtnis übergegangen. Werbung auf Schweizerdeutsch im Fernsehen und Radio ist schon lange Normalität. Doch die geschriebene Werbung auf Mundart habe in den vergangenen Jahren einen zusätzlichen Boom erlebt, sagt Stephan Feige zu watson.
Feige beschäftigt sich seit 20 Jahren mit «Swissness» im Marketing und ist Geschäftsführer von HTP St.Gallen, einem Beratungs-Spin-off der Universität St.Gallen.
Unternehmen würden darauf hoffen, mit schweizerdeutscher Werbung Nähe und eine regionale Verankerung zu demonstrieren, sagt Feige. Er hat vor zwei Jahren eine Studie herausgegeben, die untersucht hat, wie Schweizerdeutsch in der Werbung wahrgenommen wird.
Die Ergebnisse waren durchmischt: «Wir gingen davon aus, dass Werbung auf Schweizerdeutsch klar positiver und sympathischer wahrgenommen wird. Das konnte die Studie so aber nicht eindeutig bestätigen», sagt Feige.
Die Wahrnehmung falle sehr differenziert aus. Tendenziell habe sich aber gezeigt, dass Werbung auf Mundart bei Jüngeren besser wirkt, während für Ältere hochdeutsche Werbung mehr Seriosität ausstrahlt.
Auch Banken können heute auf Mundart werben
Ein Mitgrund für den Anstieg von Mundart-Werbung seien die neuen Kommunikationsmedien, die mit dem Mobiltelefon aufgekommen sind, sagt Sandro Bachmann. Er ist Sprachwissenschaftler und Redaktor beim Mundart-Wörterbuch «Schweizerisches Idiotikon» und hat ebenfalls an der Studie mitgearbeitet.
Traditionellerweise hatten Dialekt und Standarddeutsch in der Deutschschweiz klar zugewiesene Funktionen: Mundart wurde hauptsächlich gesprochen, Hochdeutsch hauptsächlich geschrieben, sagt Bachmann zu watson. Das nennt man in der Fachsprache «Diglossie».
Durch die Revolution der neuen Medien habe sich Mundart auch als geschriebene Sprache etabliert. Damit habe sich das Verhältnis von Dialekt und Standardsprache nachhaltig verändert, sagt Bachmann. Geschriebenes Schweizerdeutsch fühle sich somit heute für viele normal an.
Schweizerdeutsch wirkt auf Kundinnen und Kunden heute ebenso professionell wie Hochdeutsch, zeigt die Studie «Ädverteising – Dialekt in der Werbung». So schätzten Testpersonen bei der Studie selbst schweizerdeutsche Werbung von Banken als seriös ein.
Dialekt, aber verständlich
Dialekt zu verschriftlichen, sei jedoch komplizierter als gedacht, sagt Sprachwissenschaftler Sandro Bachmann. Einerseits sollen viele Menschen die Werbung verstehen, andererseits soll die Werbung klar als Dialekt ersichtlich sein – und rasch verständlich. «Wenn man an der Autobahn ein Plakat sieht, muss man es innerhalb einer halben Sekunde verstehen», sagt Bachmann.
Auch Stephan Feige sagt: Die Dialektformulierungen würden für die geschriebene Werbung oft abgeschliffen und «verhochdeutscht». Denn sie sollen auch für jene verständlich sein, die einen anderen Dialekt oder gar kein Mundart sprechen.
Und schliesslich sei auch die Wahl des Dialekts von Bedeutung, sagt Bachmann. Denn viele Unternehmen hätten nicht das Budget, um regional unterschiedliche Werbungen zu schalten, und müssten sich somit für einen Dialekt entscheiden. Berndeutsch oder der Bündner Dialekt seien besonders beliebt.
Eher unbeliebt ausserhalb ihrer eigenen Sprachgebiete seien hingegen der Zürcher und der Basler Dialekt: Darum werde oft ein «Allerweltsdialekt» gewählt, zum Beispiel ein Aargauer oder Oltner Dialekt, erläutert Bachmann.
Der Dialekt müsse aber auch zum Produkt passen, sagt Bachmann: «Einen Schinken aus der Innerschweiz kann man schlecht mit Walliserdeutsch bewerben.»
Stephan Feige glaubt, dass der Hype der Mundart-Werbung langsam abebbt: «Ich habe den Eindruck, dass der Neuigkeitswert nicht mehr so stark greift.» Sandro Bachmann teilt diese Einschätzung. Viele Firmen hätten sich ursprünglich auch für schweizerdeutsche Werbung entschieden, um herauszustechen. «Jetzt fällt man eher auf, wenn man nicht auf Mundart wirbt.»
