Die Firma Proton, bekannt für ihren verschlüsselten Webmail-Dienst Protonmail, hat einen äusserst prominenten Unterstützer gewonnen: Tim Berners-Lee, Erfinder der Programmiersprache HTML und Begründer des World Wide Web.
Der 66-jährige britische Physiker und Informatiker heuert bei der Proton Technologies AG als Berater an, wie das in Genf ansässige Unternehmen am Mittwoch bekannt gab.
Im Firmenblog heisst es:
Und Berners-Lee wird mit den Worten zitiert:
Die prominente Unterstützung kommt für die Proton-Gründer um den Geschäftsführer Andy Yen (33) genau richtig: Sie sind mit ihrem dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abhörsicheren Dienst Protonmail unter Beschuss geraten.
Dies, weil das Unternehmen im Zuge eines Strafverfahrens Internet-Metadaten eines Users an die Ermittlungsbehörden aushändigen musste. Auf Begehren von Europol.
Dabei geht es nicht um die Aufklärung von Kapitalverbrechen, sondern um Klimaaktivisten, die bei Hausbesetzungen mutmasslich kleinere Delikte begangen haben wie Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl.
Es sei bedauerlich, dass juristische Mittel, die für ernste Verbrechen geschaffen wurden, auf diese Art eingesetzt würden, liess Proton-Chef Yen via Twitter verlauten. Doch da war der Image-Schaden bereits angerichtet: Bis hinüber in die USA sorgte der Fall für negative Schlagzeilen.
Seine Firma sei nach Schweizer Recht gezwungen gewesen, die geforderten Informationen (IP-Adressen, von denen der Zugriff auf den Webmail-Dienst erfolgte, sowie weitere technische Angaben) zu erheben und herauszugeben, verteidigte sich der Proton-Chef. Es sei nicht möglich gewesen, sich dagegen juristisch zu wehren. Tatsächlich hatte das Unternehmen aber mit Werbeversprechen auf der eigenen Website falsche Erwartungen geweckt – und korrigierte dies später.
Weiter betonen die Verantwortlichen, dass sich die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unter keinen Umständen umgehen lasse. Das heisst, E-Mails und Anhänge könnten auch auf richterliche Anordnung hin nicht eingesehen werden.
Gemäss dem eigenen jährlichen Transparenz-Report hat die Proton Technologies AG allein im Jahr 2020 mehrere tausend Anfragen erhalten, hauptsächlich von Schweizer Behörden. In 750 Fällen wehrte sich die Firma vor Gericht.
Neu soll auf der Protonmail-Website transparent gemacht werden, welche Verpflichtungen das Unternehmen nach Schweizer Recht gegenüber Strafverfolgungsbehörden hat. Nutzerinnen und Nutzern, die bei der Verwendung ihres abhörsicheren Protonmail-Kontos anonym bleiben wollen, rät das Unternehmen zur Verwendung des Tor-Browsers. Wer über das Darknet zugreift, muss nicht damit rechnen, dass die IP-Adresse zum Provider zurückverfolgt werden kann.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass auch die Verwendung eines (kostenlosen) VPN-Dienstes vor einer Herausgabe von Metadaten an die Ermittlungsbehörden geschützt hätte: Bekanntlich bietet Proton einen solchen Anonymisierungs-Dienst ebenfalls an. Name: ProtonVPN.
Da das Schweizer Recht E-Mail und VPN unterschiedlich behandle, könne seine Firma nicht gezwungen werden, ProtonVPN-Benutzerdaten zu protokollieren, sagte Yen.
Der Proton-Chef hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen den «Überwachungskapitalismus» ausgesprochen, wie ihn Google und andere US-Techkonzerne umsetzen. Und diesem Kampf wird er sich auch in Zukunft widmen.
Seit 2014 versucht Proton gegen die übermächtigen Konkurrenten zu bestehen. Dabei musste sich das Start-up auch mit dem App-Store-Betreiber Apple anlegen und dessen höchst umstrittene Vorgaben für Dritt-Apps attackieren.
2018 stellt Apple Proton vor die Wahl: Entweder die Protonmail-App fürs iPhone (iOS) werde so umprogrammiert, dass sie auch In-App-Käufe erlaube, oder sie werde aus dem App-Store verbannt. Apple wollte also mitverdienen.
PS: Proton und Tim Berners-Lee haben eine historische Verbindung, wie der Journalist Michael Grothaus für Fast Company schreibt. «Proton wurde 2014 von Wissenschaftlern gegründet, die sich bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) trafen. CERN ist zufällig die Organisation, für die Berners-Lee arbeitete, als er 1989 zum ersten Mal sein Projekt vorschlug, ein Projekt, das zu dem öffentlichen Internet führen würde, das wir heute kennen.»
Im Firmenblog heisst es nun denn auch:
Laut Proton haben sich bislang 50 Millionen Menschen weltweit als Nutzerinnen und Nutzer registriert.