Im Nachhinein ist man immer klüger.
Das gilt speziell auch für ein neuartiges IT-Grossprojekt wie die Schweizer Corona-Warn-App, SwissCovid.
Auch Deutschland hat eine solche Tracing-App, die wie das Schweizer Pendant auf technischen Schnittstellen aufbaut, die Apple und Google in ihre mobilen Betriebssysteme iOS (iPhone) und Android implementiert haben.
Die Deutschen konnten trotz turbulenter Anfangsphase ihre App früher in die App-Stores bringen als die Schweizer. Und sie haben sich im Gegensatz zu den Eidgenossen für eine andere Vorgehensweise entschieden, was zum Anfangserfolg beigetragen haben dürfte: Seit der Lancierung am 15. Juni kommuniziert man die Download-Zahlen für die Corona-Warn-App. Mittlerweile sind es über 15 Millionen.
In der Schweiz hat sich hingegen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für einen anderen Weg entschieden und kommuniziert auf der Website des Bundesamts für Statistik die Zahl der täglich aktiven User. Das ist eine deutlich tiefere Zahl, weil manche Smartphone-User die SwissCovid-App zwar herunterladen, aber nicht regelmässig nutzen.
Am Donnerstag nun hat BAG-Abteilungsleiter Sang-Il Kim in einem Mediengespräch mit Journalisten, an dem watson teilnahm, die neusten Download-Zahlen verraten. Und die können sich sehen lassen, wie Kim betonte. Über 1,85 Millionen Mal sei die SwissCovid-App bereits aus dem App Store und dem Google Play Store bezogen worden.
Hingegen scheint sich die Zahl der aktiven User bei etwas weniger als einer Million Personen einzupendeln.
Hierzu muss man wissen, dass es sich bei den BAG-Angaben zu den aktiven Usern um «eine Annäherung» handelt. Eine Schätzung. Basierend auf der Zahl der Smartphones, die sich täglich mit den BAG-Servern verbinden. Wenn Smartphone-Besitzer SwissCovid aktivieren, aber ihr Gerät am Tag X im Flugmodus haben, werden sie nicht gezählt.
Die SwissCovid-App versucht zweimal täglich, die Server der Gesundheitsbehörden zu kontaktieren, um die sogenannten «Schlüssel» von Infizierten abzurufen. Das sind anonymisierte «Kontaktdaten», die keinen Rückschluss auf Personen oder Aufenthaltsorte enthalten. Sie ermöglichen aber der SwissCovid-App, einen Warnhinweis anzuzeigen zu einer eventuellen Coronavirus-Infektion. Dies, falls sich das Smartphone in einer Phase, in der eine Ansteckung möglich war, während 15 Minuten (oder länger) in der Nähe einer Person befand, die positiv auf Covid-19 getestet wurde.
Es sei ein bewusster Entscheid gewesen, nicht die Download-Zahlen zu kommunizieren, sondern eine Schätzung der Zahl der aktiven User, betonte BAG-Vertreter Kim. Und er sagte, es müsse bei der Zählung nachgebessert werden. «Wir sind eine neue Berechnungsmethode am Entwickeln.»
Die Verantwortlichen beim Bund machen keinen Hehl daraus, dass sie sich viel mehr User wünschen. Insbesondere muss es gelingen, die mobilen und sozial aktiven Bevölkerungsschichten zu erreichen, also Leute, die mit vielen Fremden in Kontakt kommen. Seien dies Pendler oder Club-Besucher.
Kommunikationsspezialist Marco Stücheli vom BAG verriet, dass unter anderem eine Influencer-Kampagne in Abklärung sei. So könnte man ein Publikum erreichen, dass nicht regelmässig journalistische Online-Medien konsumiert. «Wir sind vor allem bei Social Media aktiv», sagte Bücheli. Das macht auch insofern Sinn, als dass SwissCovid bei der jungen Generation noch nicht auf jedem zweiten Handy läuft.
Zwei Millionen Downloads seien schon mal nicht schlecht, bilanzierte Kim, auch im Vergleich zum Ausland. Trotzdem sollen schnell weitere Nutzerinnen und Nutzer gewonnen werden. Unter anderem mit Hilfe der Schweizer Telekomanbieter. Diese haben bereits SMS verschickt mit einer App-Nutzungsempfehlung. Zudem soll auch die Post eingespannt werden. In einer Testphase in verschiedenen Kantonen sollen Post-Kunden am Schalter Hilfe bei Fragen zur App bekommen.
Was weiterhin nicht gut klappt, ist der Informationsfluss, respektive die Datenübermittlung von den Verantwortlichen in den Kantonen an die Zuständigen beim Bundesamt für Gesundheit. Bekanntlich sind die kantonalen Gesundheitsbehörden fürs klassische Contact Tracing zuständig. Und dabei hätten einzelne Kantone Probleme, sagte BAG-Abteilungsleiter Kim. Viele Contact-Tracer fragen offenbar bei Infizierten nicht nach, ob sie über die SwissCovid-App gewarnt wurden. Das BAG erhalte diesbezüglich nur lückenhafte Informationen, es gebe beträchtlichen Nachholbedarf.
Insgesamt sind bis Mittwoch 80 Covidcodes über die SwissCovid-App eingegeben worden. So viele Personen versuchten also nach Vorliegen eines positiven Covid-19-Tests, andere Smartphone-Besitzer schnell und anonym zu warnen. Allein am gestrigen Tag seien 15 Covidcodes eingegeben worden, hiess es am Mediengespräch.
Wie viele Warnhinweise bis heute auf fremden Smartphones angezeigt worden sind, sei nicht bekannt. Unklar ist auch, wie viele Personen sich daraufhin testen liessen.
Grund sind die hohen Datenschutz-Standards der SwissCovid-App: Sie erfasst keinerlei Telemetrie-Daten und darum kann das BAG keine entsprechenden Statistiken führen, sondern ist auf Angaben aus den Kantonen hingewiesen.
Bekanntlich ist Covid-19 eine meldepflichtige Krankheit und so erhofft sich das BAG auch Erkenntnisse aus den verpflichtenden Arztmeldungen. Es gebe leider bislang keine guten Rücklaufquoten, räumten die BAG-Vertreter ein.
Ein weiteres Problem scheint bei der Generierung von Covidcodes durch die autorisierten medizinischen Fachstellen zu bestehen. Hier müsse man noch besser schulen.
Der App-Entwicklerchef von SwissCovid, Mathias Wellig, gab am Mediengespräch einen Ausblick, was in Sachen Software in den kommenden Wochen zu erwarten ist.
Mit dem neusten Update für iPhones, iOS 13.6, das seit Mittwoch verfügbar ist, würden einige technische Probleme behoben. So soll nun die Hintergrundaktualisierung zuverlässiger klappen. SwissCovid weist zudem seit Version 1.0 darauf hin, dass man die App öffnen solle, falls während 48 Stunden keine Verbindung zum BAG-Server möglich war.
Mit dem neusten System-Update iOS 13.6 sollte auch die irritierende Fehlermeldung nicht mehr angezeigt werden, dass zu wenig Speicherplatz auf dem iPhone vorhanden sei.
Für nächste Woche ist ein Bugfix-Update der iPhone- und Android-Version von SwissCovid geplant, wie Wellig sagte.
In Zukunft soll sich die SwissCovid-App viel häufiger mit den BAG-Servern verbinden, um anonyme Kontaktdaten von Infizierten abzufragen. Möglich machen dies Apple und Google, die die entsprechenden Schnittstellen aufrüsten und verbessern. Die neue Version 1.5 des «Exposure Notification Framework» von Google und Apple (GAEN) sei jetzt am Ausrollen, sagte Wellig. Die Neuerungen seien aber noch nicht in die für nächste Woche erwartete App-Version integriert.
Bis zu sechs Mal pro Tag soll neu der Abgleich möglich sein. Das heisst, SwissCovid-User können sich viel schneller vor einer möglichen Coronavirus-Infektion warnen lassen. Und die gewonnene Zeit kann beitragen, dass sich Betroffene früher in Quarantäne begeben, statt andere anzustecken.
Wellig rechnet auch damit, dass Apple die Tracing-Schnittstelle bald in das für Herbst erwartete neue Betriebssystem iOS 14 integriert. Mit der derzeit verfügbaren öffentlichen Testversion (Public Beta) funktioniert SwissCovid nicht.
Apple und Google stellen den Corona-Warn-Entwicklern inzwischen auch «etwas mehr Informationen» aus den in die Betriebssysteme integrierten Bluetooth-Schnittstellen zur Verfügung. Dies sei wichtig für die Weiterentwicklung und Verfeinerung des epidemiologische Modells, sagte Wellig.
Bekanntlich sind die Schnittstellen nicht Open Source, sondern proprietärer Programmcode von Apple und Google. Dies bezeichnen Kritiker als mangelnde Transparenz. Hingegen ist der SwissCovid-Programmcode quelloffen und bereits von unabhängigen Sicherheitsexperten überprüft worden.
Das BAG will Informationen veröffentlichen zur Präzision und Zuverlässigkeit des Tracing-Systems. Allerdings könnte dies noch länger dauern. «Wir befinden uns am Anfang einer langen Reise», sagte BAG-Vertreter Kim. «Die App wird uns noch mehrere Wochen oder Monate begleiten.»
Nationale Warn-Apps machen wenig Sinn, wenn die Grenzen offen stehen und die Menschen reisen. Vielmehr braucht es ein gemeinsames System für den Datenaustausch. Im Fachjargon wird dies als «Interoperabilität» bezeichnet.
Rein technisch könnte die SwissCovid-App bereits im August auch in Deutschland, Österreich und Italien eingesetzt werden, hatte der Leiter Abteilung Digitale Transformation im BAG, Sang-Il Kim, erst kürzlich gesagt. Doch nun scheint es auf der politischen Ebene gewaltig zu klemmen. Die EU-Kommission will die Schweiz nicht einfach mitmachen lassen.
Die EU mache «leider zurzeit keine Aussagen zu Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz oder Grossbritannien», war am Mediengespräch zu erfahren. Dies, nachdem die EU-Kommission gestern zum weiteren Vorgehen informiert hatte. Demnach sollen bis spätestens Ende August die Corona-Warn-Apps von 10 EU-Mitgliedsstaaten miteinander Daten austauschen. Dies soll über einen Gateway-Server in Luxemburg klappen.
Die Schweiz bleibt vorläufig aussen vor, weil das institutionelle Rahmenabkommen nicht unterzeichnet ist. Damit fehlt auch der rechtliche Rahmen für den Datenaustausch, der in der sogenannten Patientenmobilitätsrichtlinie geregelt ist.
«Wir sind auf verschiedenen Ebenen diplomatisch aktiv», sagt BAG-Abteilungsleiter Kim. «Ich will hier aber momentan keine grossen Hoffnungen schüren.» Es könnte noch Monate dauern bis zu einer Einigung auf «normalem» Weg.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA
in diesen EU Kommissionen scheinen richtig stabile Genies zu sitzen.
Soso, das Rahmenabkommen ist nicht unterzeichnet.
Da gibt es Länder wie Ungarn und Polen, die sich nicht gross um demokratische Prinzipien kümmern. Kümmert niemanden in Brüssel.
Jetzt will die Schweiz sich einklinken mit ihrer Covid-App und die EU blockt ab. Auf einem Rahmenformular fehlt eine Unterschrift. Ergo, schaut selber.
Ich kann das einfach nicht nachvollziehen.