Die Zeiten, als sich um Punkt 19.30 Uhr die Familie für die Tagesschau vor dem Fernseher versammelte, sind vorbei. Heute sitzt bestenfalls noch die Grosselterngeneration pünktlich auf dem Sofa. Die Jüngeren holen sich die «Nachrichten» irgendwann ab. Im Internet. Wer trotzdem noch Lust hat auf das Angebot des «Staatsfernsehens», spult einfach im verpassten Programm zurück – «Replay» sei Dank.
Willkommen in der neuen Fernsehwelt, wo sich die jungen Leute nur noch für Konsolenspiele oder Live-Sport vor den Fernseher locken lassen. Das restliche Informations- und Unterhaltungsbedürfnis wird in Videodiensten, Newsportalen, Social-Media-Plattformen und YouTube auf Handy und Tablet zusammengeklickt. Das ist das Fazit der weltweiten GfK-Studie View Scape, die am Branchentreffen IFA GPC in China (siehe Box) präsentiert wurde.
Dennoch ist der Fernseher nicht tot. Aber er muss sich gewaltig anstrengen. Vor allem, muss er sich nahtlos mit dem Internet verbinden und emotionsreichere Bilder zeigen, als die Mobilgeräte. Dies gelingt vor allem TV-Modellen mit 4K/UHD-Auflösung und grossen Bilddiagonalen. Hier sieht man die Träne der Schauspieler im Augenwinkel aufblitzen, bevor sie losheulen. Und Fussballfans wissen immer, wo der Ball ist. Smartphone-Zuschauer können diesen nur erahnen.
Von der 4K-Entwicklung wurden allerdings die Fernsehsender überrollt. Sie senden zwar in Full-HD, nutzen dabei aber meist nur einen Drittel der 4K-Bildqualität. Beim Schweizer SRF besteht das Bild aus 720 Bildzeilen. Ein 4K/UHD-Fernsehgerät könnte 2160 Bildzeilen darstellen. Das Schweizer Fernsehen wird die Umstellung auf 4K erst in einigen Jahren vornehmen.
Die 4K-Lücke füllen inzwischen andere Inhaltslieferanten wie Swisscom TV und Netflix. Der grösste Telekom-Anbieter des Landes hat mit der Auslieferung seiner 4K-Setop-Box begonnen, welche die volle Bildqualität der neuen Fernsehgeneration unterstützt. Über die Box lassen sich aus Spielfilme in 4K-Qualität mieten. Ferner wird Swisscom laut Ankündigung einzelne Spiele der Fussball EM 2016 (ab Viertelfinal) sowie zahlreiche lokale Fussballspiele in echter 4K-Auflösung verbreiten.
Die Schärfe der Bilder mag stimmen, doch eine Garantie für gute Qualität auf dem Spielfeld bedeutet dies noch lange nicht. In solchen Fällen vertreiben sich die User halt die Zeit bei Twitter ...
Eine ähnliche 4K-Settop-Box ist auch für Sunrise-TV angekündigt, ob die EM-Spiele darauf zu sehen sind, ist uns noch nicht bekannt.
Bei UPC (Cablecom) gibt es noch keine konkreten Aussagen zur 4K-Technik. Die Anzahl installierter 4K-Geräte sei noch zu klein.
Beliebtester 4K-Lieferant in der Schweiz ist zurzeit Netflix, der gegen eine monatliche Gebühr tausende Serien-Episoden und Filme liefert. Der Anteil von 4K-Inhalten steigt dabei kontinuierlich. Netflix liefert nun sogar erste Serien in HDR (High Dynamic Resolution) aus, was auf neusten TV-Modellen mehr Kontrast und Farben beschert. Auch Swisscom verspricht, demnächst HDR-Inhalte zu liefern.
Wie es in Zukunft weitergeht, zeigte an der IFA-GPC der TV-Guru Paul Gray von IHS auf. Bereits nächstes Jahr werden erste 8K-Fernsehgeräte erwartet. Deren immense Auflösung von 7680 x 4320 Bildpunkten kommt aber erst ab Bilddiagonalen von 80 Zoll zur Geltung.
Solche 2-Meter-Fernsehmonster werden ferner nicht durch jede Stubentüre passen. Noch sind 8K-Inhalte kaum verfügbar, nur das japanische Fernsehen hat erste Testübertragungen angekündigt.
Ungewiss ist, welchen Einfluss Brillen für Virtual Reality (VR) auf den Fernsehkonsum haben werden. VR-Brillen erlauben ein interaktives Rundum-Erlebnis in Filmen und Spielen. Komfort und Bildqualität sind aber heute noch so eingeschränkt, dass sie den Fernseher (noch) nicht konkurrenzieren.
(dsc/sda)