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Mordaufruf gegen Bundesrat bei Telegram geht viral – das steckt dahinter

Immer mehr Leute nutzen den Messenger-Dienst Telegram (Symbolbild)
Beim Messenger-Dienst Telegram tummeln sich User, die im Schutz der Anonymität zu Gewalttaten aufrufen.Bild: Shutterstock

Mordaufruf gegen Bundesrat verbreitet sich viral bei Telegram – das steckt dahinter

Ein Schweizer Telegram-Kanal verbreitet Drohungen – und erreicht Zehntausende. Fachleute warnen, der aktuelle Fall zeige exemplarisch, welche Gefahren dies für das demokratische System haben könne.
03.06.2024, 09:1404.06.2024, 06:50
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Die unabhängige Medienorganisation Fairmedia beobachtet das extremistische Treiben beim Messenger-Dienst Telegram. Und dies systematisch, mit Fokus auf Kanälen, die einen Bezug zur Schweiz haben.

Nun sind die Rechercheure auf einen beunruhigenden Fall gestossen, wie sie in einem aktuellen Bericht schreiben, den watson vorab einsehen konnte.

In Postings heisst es, «wir machen euch jetzt alle fertig», der «Deep State» sei auszulöschen und man müsse die «gesamte Schweizer Regierung exekutieren».

Solche justiziablen Aufrufe haben sich seit der Corona-Pandemie und den vom Bund erlassenen Massnahmen gehäuft. Dass diese jedoch ein breites Publikum erreichen, sei eher selten, hält Fairmedia fest.

Die Inhalte des besagten Telegram-Kanals deckten sich weitgehend mit der QAnon-Verschwörungstheorie aus den USA, die seit der Corona-Pandemie auch in der Schweiz Fuss gefasst habe.

Was hat das mit Trump und JFK zu tun?

Der Name des Telegram-Kanals und des mutmasslichen Betreibers wird hier nicht offengelegt, um nicht unfreiwillig Werbung dafür zu machen. Er ist dem Spektrum der Verschwörungserzähler und der aus Amerika bekannten QAnon-Bewegung zuzuordnen.

Zu den abstrusen Inhalten schreibt Fairmedia:

«T.M. gibt sich selbst als John F. Kennedy aus, der durch die Zeit in die Gegenwart gereist ist, um gegen die ‹Nazi-jüdische satanische Kabale› zu kämpfen, die es sich zum Ziel gesetzt habe, die gesamte Menschheit zu vernichten. Er behauptet, von John F. Kennedy Junior und Donald Trump unterstützt zu werden.

Des Weiteren geht er davon aus, dass die von Trump ins Leben gerufene ‹Space Force› eine entscheidende Rolle im Kampf gegen diese Kabale spielt.»​

Die entsprechende Nachricht wurde bereits über 107’000 Mal angesehen, wie watson bestätigen kann.

Ki-generiertes Bild zum Messenger-Dienst Telegram
KI-generierter Telegram-Hetzer ...Bild: DALL-E / watson

Fairmedia hält fest:

«So abstrus seine Nachrichten auch erscheinen, zeigen die Zahlen, dass es sich bei T.M. nicht um einen einsamen Spinner handelt. Sein Telegram-Kanal erfährt ständigen Zuwachs; alleine im letzten Monat sind mehr als 16’000 Subscriber hinzugekommen.»

Welche Telegram-Nutzerinnen und -Nutzer den Kanal abonniert haben, lässt sich allerdings nicht herausfinden.

Es sind auch keine offiziellen Userzahlen zur Schweiz bekannt und wir wissen nicht, wie viele Personen die toxischen Kanäle mit ihren extremistischen Inhalten konsumieren. Gemäss einer IGEM-Erhebung nutzen 800’000 Personen (12 Prozent der Bevölkerung) täglich einen alternativen Messenger-Dienst wie Telegram.

Warum ist das gefährlich?

Fairmedia geht davon aus, dass die Abonnentinnen und Abonnenten des Telegram-Kanals sowohl aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, also aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, als auch aus Nordamerika stammen. Der Kanal-Betreiber verbreitet viele Nachrichten auf Englisch sowie auf Deutsch. Sie weisen zudem häufig einen Schweiz-Bezug auf.

«Dass in toxischen Telegram-Kanälen offen zum Mord an Bundesräten aufgerufen wird, ist eine Eskalationsstufe, die ab und an erreicht wird. Dass solche Beiträge viral gehen, ist in diesem Fall besorgniserregend.»
Fairmedia

watson geht nicht weiter auf den Betreiber ein.

Misstrauen und Hass auf politische und gesellschaftliche Eliten seien typische Merkmale des QAnon-Narrativs, hält Fairmedia fest. Die Verschwörungserzählungen gingen so weit, dass Eliten angeblich Kinder verschleppen und satanisch missbrauchen würden. Hier findet sich auch ein deutlicher Bezug zu einer entsprechenden antisemitischen Verschwörungserzählung.

Wie Fairmedia in einem früheren Bericht festhielt, befeuern auch Schweizer Alternativmedien, die über Telegram verbreitet werden, den Antisemitismus.

Wie reagiert der Bund?

Die Schweizer Bundespolizei Fedpol hat Kenntnis von den entsprechenden Gewaltaufrufen, wie die Behörde gegenüber Fairmedia erklärte.

Das Fedpol, das auch für den Schutz der Landesregierung sowie der eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier zuständig ist, beobachte seit dem Ende der staatlichen Corona-Massnahmen weniger Drohmeldungen «gegenüber ihren Schutzpersonen», aber die Gesamtzahl der Drohungen sei gegenüber der Vor-Corona-Zeit noch immer erhöht.

«Was seit Beginn der Corona-Massnahmen bis heute anhält, ist der besorgniserregende Inhalt und gewaltvolle Ton dieser Drohungen.»
Fedpol-Sprecherin

Fairmedia schreibt im aktuellen Bericht, die regelmässig ausgewerteten Telegram-Kanäle seien «voll von Fehlinformationen, Hassrede und wirren Verschwörungstheorien». Dies alles bleibe unwidersprochen stehen und erfahre mehr oder weniger viel Zuspruch.

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158 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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John T. Ripper
03.06.2024 08:21registriert September 2022
Ich finde immer wieder spannend, wie solche Leute den anderen immer vorwerfen, irgendwelchen "Eliten" blind zu folgen, man sei eine Marionette, etc. aber selber glauben sie alles blind irgendwelchen Telegram Leuten..
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Magnum
03.06.2024 08:36registriert Februar 2015
Okay, dieser T.M. ist kein einsamer Spinner. Er ist ein verantwortungsloser Hetzer mit einer Schar leichtgläubiger Mitläufer und -leser. Und ja: die haben alle schwerstens einen an der Waffel.
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Luckypiet
03.06.2024 08:30registriert Februar 2018
Ich tippe auf Russland.
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