Im Swisscom-Hauptsitz in Worblaufen ist es ruhig an diesem Dienstag. Noch immer ist die grosse Mehrheit der Mitarbeiter im Homeoffice. Konzernchef Urs Schaeppi erscheint in aufgeräumter Stimmung zum Interview und nimmt sich viel Zeit. Seine Erstimpfung gegen das Coronavirus hat er hinter sich. «Das ging wunderbar. Ich hatte keine Nebenwirkungen», sagt der 61-Jährige.
Seit Ende 2013 führen Sie die Swisscom. Damals beschäftigte das Unternehmen mehr Mitarbeitende und schrieb mehr Umsatz als heute. Was ist passiert?
Urs Schaeppi: Der Telekommunikationsmarkt schrumpft. Nicht nur in der Schweiz, sondern überall. Aus einem Grund: Die Preise sinken substantiell. Früher wurde intensiv das Festnetz genutzt. Das ist heute Teil des Internetanschlusses. Telefonkabinen gibt es nicht mehr, viele Leistungen sind in Flatrate-Abos inbegriffen. Der Markt ist in einer riesigen Transformation. Wir meistern diese erfolgreich und Swisscom entwickelt sich gut.
Woran machen Sie das fest?
Wir haben es als eine der ganz wenigen Telekom-Firmen auf der Welt geschafft, die Marktanteile stabil zu halten. Wir sind hoch innovativ. Wir haben die besten Netze. Wir wachsen im IT-Bereich und sind auch in Italien erfolgreich unterwegs. Aber wir sind in einem Wandel. Und obwohl die Nachfrage nach Telekomdiensten wächst, wird der Markt umsatzmässig weiter schrumpfen.
Sie behaupten, die Swisscom sei innovativ. Aber viele Ihrer bekannten Projekte waren Flops – etwa Paymit, Siroop, iO oder zuletzt Swisscom Docsafe. Warum?
Im Innovationsmanagement gibt es immer erfolgreiche Projekte und solche, die scheitern. Über alles gesehen sind wir sehr erfolgreich. Sie haben nicht erwähnt, wie erfolgreich wir mit Swisscom TV sind, das heutige Blue TV, mit unserem Cloud-Angebot oder mit unseren Security-Lösungen.
Und da soll die Swisscom wachsen?
Unsere Wachstumsfelder in der Schweiz sind primär die IT, die Cloud und Sicherheitslösungen. Und wir werden in Italien mit Fastweb wachsen. Dort haben wir eine andere Marktpositionierung. In Italien wächst der Telekom-Markt im Internet-Bereich noch, und wir sind der Herausforderer.
Im Moment scheint es aber, als würden Kunden im Privatkundenbereich vor allem über Rabatte gewonnen.
Ja, aktuell werden in der Schweiz Neukunden hohe Rabatte gewährt, um Marktanteile zu gewinnen. Im Moment ist das extrem. Wir stellen uns diesem Wettbewerb. Wir wollen unsere Marktanteile verteidigen, aber primär natürlich mit unserem gut ausgebauten Kundendienst und der Leistung überzeugen.
In Umfragen zu den beliebtesten IT-Arbeitgebern der Schweiz landet regelmässig Google auf dem ersten Platz. Warum nicht die Swisscom?
Es gibt auch Statistiken, die zeigen, dass die Swisscom eine der beliebtesten Arbeitgeberinnen ist. Aber klar, Google ist ein Konkurrent mit hochattraktiven Jobs. Die haben wir zwar auch, gerade im technischen und betriebswirtschaftlichen Bereich. Es gibt aber ein Problem, und das ist keines der Swisscom.
Wovon sprechen Sie?
Wir haben viel zu wenig Talente und IT- und Digitalisierungs-Spezialisten hierzulande. Das hängt auch damit zusammen, dass wir wegen den knappen Kontingenten für Drittstaaten zu wenig Spezialisten in die Schweiz bringen können. Alle sprechen von der Digitalisierung und welche Chancen sie für unser Land bietet, aber wir können Talente aus rechtlichen Gründen oft nicht in der Schweiz beschäftigen. Darum lassen immer mehr Firmen im Ausland entwickeln und die Wertschöpfung findet dann auch im Ausland statt.
Macht das auch die Swisscom?
Ergänzend. Wir bilden aus und entwickeln in der Schweiz, aber auch im Ausland. Wir finden hierzulande nicht genügend Spezialisten.
Da geht es doch um eine Lohnfrage!
Nein. Gerade bei Spezialisten ist es keine Lohnfrage.
Müsste der Bund die Kontingente erhöhen?
Ja, das ist ein Teil der Lösung. Wir müssen aber auch mehr ausbilden und diese Leute in der Schweiz halten können. Es macht keinen Sinn, wenn sie nach ihrem Hochschulabschluss die Schweiz verlassen müssen. Die Schweiz vergibt sich bei der Digitalisierung damit grosse Chancen.
Wie erklären Sie sich das?
Das Thema Einwanderung und Arbeitsplätze wird breit diskutiert, wofür ich Verständnis habe. Wir reden aber über hochqualifizierte Arbeitsplätze. Die schaffen im Normalfall weitere Arbeitsplätze in angrenzenden Bereichen. Das zeigt die Geschichte.
Man könnte auch den Schweizer Nachwuchs weiter fördern.
Die Swisscom ist in diesem Bereich sehr aktiv – mit der Lehrlingsausbildung und über 900 Lehrlingen, Trainee-Gängen und Ausbildungsinitiativen. Wir machen viel.
Der grösste Teil ihrer Mitarbeitenden ist immer noch im Homeoffice. Und nach der Krise?
Ich bin überzeugt, dass der Erfolg in hybriden Modellen liegt. Homeoffice hat Vor- und Nachteile, letztere gerade bei Innovationen und der Lösungsfindung. Das ist einfacher, wenn man zusammen in einem Raum sitzt. Wir hatten schon vor Corona ein flexibles Homeoffice-Modell. Erstaunlich ist, dass wir die Swisscom während des Lockdowns zu 85 Prozent aus dem Homeoffice betreiben konnten. Das hat funktioniert und zeigt das Potenzial auf. Aber nur Homeoffice reicht nicht.
Waren ihre Angestellten zufriedener im Homeoffice?
Unsere Umfragen zeigen, dass sie es geschätzt haben, auch im Lockdown von zuhause aus am Arbeitsleben teilhaben zu können und geschützt zu sein. Jetzt spürt man langsam bei einigen eine Ermüdung. Sie wollen wieder ins Büro.
Trotzdem haben Sie Homeoffice bis im August verordnet.
Wenn wir sehen, was wir alles machen müssten, um die Belegschaft jetzt sicher ins Büro zu holen, wäre das zu aufwendig. Die Swisscom funktioniert gut aus dem Homeoffice. Wir gehen davon aus, dass die Situation im August entspannter ist und ein grösserer Teil der Bevölkerung geimpft ist. Dann wird es auch einfacher, in die Firma zu kommen. Wenn man in die Firma kommt und niemand ist da, bringt das ja nichts. Eine gewisse Masse an Leuten muss vor Ort sein, sonst ergeben sich die Netzwerkeffekte gar nicht.
Künftig könnten bei einem Teil der Arbeitnehmenden Modelle gefragter sein, bei denen sie etwa für einige Tage in den Bergen arbeiten. Merken Sie das schon?
Neben der allgemeinen Zunahme der Kommunikation merken wir tatsächlich, dass sich die Kommunikationsströme verschoben haben. Es wird mehr aus ländlichen Gebieten kommuniziert. Viele sind teilweise aufs Land oder in die Ferienhäuser gezogen in den letzten Monaten.
Da kommt Ihr Glasfaserausbau ins Spiel. Nachdem Sie schon 30 Prozent der Bevölkerung vor allem in den Städten mit Glasfaserkabeln erreichen, wollen sie bis 2025 weitere 30 Prozent vor allem in Agglomerationen abdecken. Die erhalten aber ein Netz zweiter Klasse: Mehrere Kunden teilen sich vereinfacht gesagt ein Kabel, während Kunden in den Städten ein eigenes erhalten.
Das ist kein Netz zweiter Klasse. Wir bauen es mit der gleichen Technologie, wie es die ganze Welt macht. Es ist der logische Schritt, auf unseren bisherigen Investitionen aufzubauen. Das ist eine Architektur, die global verwendet wird und sehr leistungsfähig ist.
Aber es ist nicht dasselbe wie in der Stadt.
Nein. In den Städten verwenden wir die sogenannte Point-To-Point-Technologie, auf dem Land die Point-To-Multipoint-Technologie. Die Glasfaser-Technologie wird sich weiterentwickeln. Was vor fünf Jahren noch keine gute Technologie war, ist es heute.
Die Ausbaumethode ist umstritten. Die Wettbewerbskommission (Weko) verlangt, dass unabhängige Anbieter Zugang zu sogenannten Layer-1-Angeboten erhalten, bei denen sie die eingesetzte Technologie und Geschwindigkeiten selbst bestimmen können. Kleinere Provider kritisieren: Die Swisscom schaffe sich die Konkurrenz vom Hals.
Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Die Frage ist: Haben wir einen funktionierenden, guten Wettbewerb? Den haben wir. Wir haben die besten Netze der Welt, unterschiedliche Netze unterschiedlicher Anbieter, die Preise sinken und wir haben eine hohe Innovationsrate. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten für Endkunden. Dass unterschiedliche Akteure unterschiedliche Interessen haben, gehört dazu. Wir investieren 20 Prozent unseres Umsatzes in einer offenen Art in unsere Technologie. Alle, die wollen, können auf unsere Netze. Natürlich gibt es technische Restriktionen.
Was ist mit den letzten 40 Prozent der Bevölkerung, die noch keine Glasfaser in Aussicht haben? Wann erhalten diese das schnelle Internet?
Bis Ende Jahr werden wir fast alle Gemeinden mit hybriden Glasfasertechnologien modernisiert haben. So hat man überall eine Grundgeschwindigkeit, die eine Teilnahme am digitalen Leben ermöglicht. Bis 2025 werden wir 60 Prozent mit Glasfaserkabeln bis in die Wohnung erschliessen. Das ist das sogenannte FTTH. Das wird die Endtechnologie sein, aber das braucht Zeit. Und es wird an gewissen Orten auch hybride Lösungen etwa mit Internet über 5G geben. Es gibt schon Single-Haushalte, die haben nur noch Mobilfunk.
Die Grundversorgung soll neu mindestens 80 Mbit/s betragen, so will es Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Was würde das für die Swisscom bedeuten?
Die Frage ist, wie die Verordnung ausformuliert ist. Das wissen wir noch nicht. Ende Jahr werden wir in über 90 Prozent der Schweiz mehr als 80 Mbit/s anbieten. Daneben gibt es Kabelnetze. Zählt man die dazu, ist die Lücke sehr klein. Wenn wir die Grundversorgung technologieneutral erbringen dürfen, ist das machbar – auch in Kombination mit Internet über 5G, das schnelle Geschwindigkeiten ermöglicht, oder in bestimmten Fällen mit Satellitenlösungen.
5G ist umstritten. Der Ausbau stockt. Wo stehen Sie?
In einer Basisversion decken wir bereits 96 Prozent der Schweiz ab. Die Vollversion braucht aber neue Antennen. Neue Antennen zu bauen, ist extrem schwierig. In vielen Orten werden wir total blockiert. Das macht mir grosse Sorgen. Unsere Kunden nutzen unsere Netze immer mehr, das Datenwachstum beträgt rund 30 Prozent jährlich. Wir können aber nur ein paar Prozente ausbauen. Ein Daten-Stau ist vorprogrammiert. Wir müssen die Sache deblockieren. Dass schon 1.1 Millionen Schweizer ein 5G-Handy besitzen, zeigt, dass die Schweizer diese Technologie wollen.
Trotzdem sind die Vorbehalte gross.
Auch 5G ist Mobilfunk und somit nicht gefährlich. Das zeigt etwa die Bewertung der WHO. Das Netz ist energieschonender. Es braucht den Dialog mit unterschiedlichen Interessensgruppen, aber auch die Kommunikation durch die Behörden. In anderen Ländern ist das verstärkt passiert. Dort haben die Behörden über 5G informiert und konnten die Ängste nehmen. Das Bundesamt für Umwelt beschäftigt sich ja auch mit dem Thema. Ich wünsche mir, dass die Behörden noch klarer Stellung nehmen zum Thema 5G.
Gewisse Kantone und Gemeinden blockieren den Ausbau. Wie gehen Sie dagegen vor?
Die Rechtssituation ist klar. Es gab diverse Entscheide dazu. Das Moratorium in Genf wurde für nichtig befunden. Es gibt aber auch eine politische Diskussion. Ich habe ein gewisses Verständnis für Gemeinden, die in einer schwierigen Situation sind. Die haben viele Einsprachen und besorgte Bürger. Aber die juristische Situation ist klar. Neu gibt es auch die Vollzugshilfe des Bundesamts für Umwelt. Es spricht nichts dagegen, die Baugesuche jetzt zu bewilligen.
Sind sie froh um diese Vollzugshilfe?
Ich bin froh, ist sie da. Das Problem ist, dass die Situation deswegen nicht besser geworden ist. Sie hat sich nicht entspannt. Jetzt muss die Vollzugshilfe auch wirklich angewendet werden.
An dieser Vollzugshilfe gibt es Kritik. Grenzwerte würden durch die Hintertür erhöht – weil der Grenzwert über 6 Minuten gemittelt wird und weil die Messmethode unseriös sei, weil hochgerechnet werde.
Wenn sich jemand Sorgen macht, muss er für 5G sein. Die Exposition in einem 5G-Netz ist tiefer, wenn Datenpakete übertragen werden, als in einem 3G- oder 4G-Netz. Und je besser das Netz ist, desto tiefer ist die Sendeleistung der Geräte und damit die Exposition. Die Gegner werfen uns gelegentlich vor, dass wir Grenzwerte verletzen. Das ist nicht so. Wir haben in der Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr strenge Grenzwerte. Die Antennen funktionieren heute anders. Darum ist es fair, dass wir einen Mittelwert zur Berechnung heranziehen. Wir halten die Grenzwerte ein. Die Antennen werden permanent überwacht und wir werden von den Behörden überprüft.
Wo hapert es denn?
Wir sehen keinen positiven Trend bei der Bewilligung von Antennen. Die meisten unserer Gesuche werden nicht bewilligt.
Die Schweizer Bevölkerung ist gegenüber 5G kritischer als jene im Ausland. Wie begegnen sie dieser Tatsache?
Wir hatten eine Welle mit viel Skepsis. Das verstehe ich. Jede neue Technologie schafft neue Ängste. Untersuchungen zeigen aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung die neue Technologie unterstützt.
Wie könnte das Problem gelöst werden?
Ich wünsche mir, dass man das Thema basierend auf Fakten diskutiert. Wenn es nur noch darum geht, was man glaubt, wird es schwierig. So kann man keinen Dialog führen. Da läuft man mit Fakten auf.
Es gibt Menschen, die zu tief in Verschwörungsmythen drin sind, als dass man sie noch erreichen könnte.
Wir haben beim Thema 5G teils eine sehr emotionale Diskussion. Aber natürlich ist das nicht die Mehrheit. Sonst hätte nicht ein Achtel der Bevölkerung schon ein 5G-Handy. Ich stelle eher fest, dass sich die Situation ein wenig beruhigt.
Die Schweiz hat in der Coronakrise keinen guten Eindruck gemacht, was den Stand der Digitalisierung angeht, zum Beispiel bei der Datenerfassung im Gesundheitswesen. Ist die Schweiz ein digitales Entwicklungsland?
Die Unternehmen gehen sehr gut mit der Digitalisierung um. Der Innovationsschub in den letzten eineinhalb Jahren war gewaltig. Erst kürzlich besuchte ich eine Firma aus dem Bereich Industrie 4.0, die ihre Produktion digitalisiert hat. Was da passiert, ist unglaublich und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Diese Firma überlegt sich nun, die Produktion wieder in die Schweiz zurückzuholen. Viele Schweizer Firmen sind vorne dabei. Auch die Kunden haben viel gelernt.
Aber?
Vor allem im staatlichen Bereich tun wir uns schwer. Das hängt auch mit den föderalen Strukturen unseres Landes zusammen. In gewissen Bereichen haben sie Nachteile, auch wenn ich ein grosser Verfechter davon bin. Wenn man eine technische Lösung schnell im ganzen Land einführen will, ist es einfacher, wenn man sich rasch auf ein einheitliches System einigt. Die Schweiz hat in der Corona-Krise vieles sehr gut gemacht, hat ein gutes System, aber bei digitalen Lösungen sind wir zu langsam. (aargauerzeitung.ch)
Nicht nur Geld, sondern vorallem auch Zeit…
Trotz BA & MA wird man nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen. Wer ein LinkedIn premium Account hat sieht genau wo sich die Swisscom neues Personal holt. Hier geht es klar ums Alter und um Kosten. Und dann schiffen sie eben ab mit Produkten die mit Leuten entwickelt werden die den CH Markt nicht kennen. Umstrukturiert wird auch alle 6 Monate. Kaum ernst zu nehmen.