Seit 2002 wird jede Bewegung von Schweizer Handybesitzern ein halbes Jahr lang aufgezeichnet. Swisscom, Sunrise und Orange müssen im Auftrag des Bundes von jedem Kunden folgende Daten auf Vorrat speichern:
Wie sich die Mobilfunkanbieter zum geplanten Ausbau der staatlichen Überwachung von Smartphones, Tablets und PCs äussern, lesen Sie weiter unten in diesem Artikel.
Die Vorratsdatenspeicherung betrifft alle Bürger und Firmen, die Kommunikation über das Internet oder die Post nutzen, also die gesamte Bevölkerung. Die Überwachung soll mit der Revision des Überwachungsgesetzes BÜPF ausgeweitet werden.
Die Revision des Überwachungsgesetzes (BÜPF) fordert im Kern drei Ausweitungen der bestehenden Möglichkeiten.
Erstens: Die Vorratsdatenspeicherung (wer mit wem wann und von wo aus kommuniziert hat) soll von sechs auf zwölf Monate verlängert werden.
Zweitens: Nebst Swisscom und Co. sollen auch Schweizer E-Mail-Provider, Cloud-Anbieter, Kurznachrichten-Apps wie Threema und Anbieter von öffentlichen WLANs wie Restaurants die Nutzerdaten speichern.
Drittens: In der gezielten Direktüberwachung von einzelnen Personen, gegen die ein Verdacht vorliegen muss, soll neu der Einsatz von Spionageprogrammen (Trojaner) auf PCs und Smartphones erlaubt werden.
Die Gegner der BÜPF-Revision setzen sich aus einer losen Allianz von Grünen und Piraten, Liberalen und Konservativen sowie Unternehmern und Konsumentenschützern zusammen. Nun erhalten die Überwachungsgegner Sukkurs von den grossen Telekomanbietern. Diese stören sich an der momentan fehlenden Rechtssicherheit sowie am Mehraufwand und den Zusatzkosten, die für sie durch den Ausbau der Überwachung entstehen.
«Der BÜPF-Entwurf weist schwerwiegende Mängel auf. Insbesondere ist das Prinzip der Verhältnismässigkeit nicht gewahrt, da die Fernmeldedienstanbieter für beliebige, neue Überwachungsformen hohe und kaum planbare Investitionen in Systeme tätigen müssen.»
«Würde die Aufbewahrungsfrist der Nutzerdaten gesetzlich von 6 auf 12 Monate verlängert, so müsste mit erheblichen Kostenfolgen und einer wesentlich grösseren Anzahl von Anfragen gerechnet werden.»
«Neu sollen wir auch speichern müssen, wer wann welche Website besucht hat, was im Vergleich zur Aufbewahrung von Telefonieverbindungsdaten viel aufwändiger ist. Für die Rechnungsstellung an die Kunden ist dies überhaupt nicht nötig und wird daher schon aus Daten-/Persönlichkeitsschutzgründen momentan nicht gemacht.»
«Die Begehrlichkeiten der Behörden sind gross und wir könnten mit dem in vielen Punkten bewusst offen formulierten Gesetzesentwurf zur Speicherung weiterer Daten verpflichtet werden.»
Bei Swisscom nervt man sich über das Prinzip, dass eine Telekomfirma die Strafverfolgung mitfinanzieren soll. «Es kann nicht sein, dass letztlich die Kunden die Strafverfahren subventionieren müssen», sagte Andreas Locher gegenüber SRF. Er leitet bei der Swisscom das Überwachungs-Team, das «nichts anderes tut als Abhöraktionen am Telefon ermöglichen, melden, wer wann wem eine SMS schickt oder Namen von Handy-Nutzern ausliefern, und das Tag und Nacht», wie das SRF schreibt.
Hinzu komme möglicherweise eine Ausweispflicht, sagen Orange und Swisscom unisono: Handy- oder Internet-Abos könnten allenfalls nicht mehr online gekauft werden, sondern nur mit einem Ausweis im Laden. Die Telekom-Verkaufsläden müssten Kopien der Ausweise aufbewahren, befürchtet Locher. Für ihn wäre dies «eine Art ausgelagerte Polizeidatenbank», schreibt SRF.
«Eine Revision des BÜPF für eine klarere Definition der Überwachungsformen findet Sunrise grundsätzlich sinnvoll. Mit Sorge stellen wir jedoch fest, dass die Ausweitung der Überwachung weitgehende und negative Auswirkungen auf den Betrieb der Unternehmen haben wird.»
«Die Anliegen und Bedürfnisse der Strafverfolgung sollen die Revision des BÜPF nicht einseitig dominieren. Insbesondere die Aufbewahrungspflicht für auf Vorrat gespeicherte Daten soll nicht auf 12 Monate ausgedehnt werden, sondern bei 6 bleiben. Dies aus Gründen der Verhältnismässigkeit und dem damit verbundenen deutlichen Mehraufwand für die betroffenen Unternehmen».
Im Jahr 2013 wurden von den Strafverfolgungsbehörden insgesamt 16'000 Auskunftsbegehren an die Provider gestellt, Tendenz steigend.
Orange, Swisscom und Sunrise schlagen sich, so sieht es zumindest aus, auf die Seite der Überwachungskritiker. Ob aus Kosten- und Imagegründen oder aus der Überzeugung, dass die geplanten Massnahmen zu weit gehen, kann den BÜPF-Kritikern letztlich egal sein. Den Mobilfunkprovidern kommt eine entscheidende Rolle im Hinblick auf ein wahrscheinliches Referendum zu. Sie verfügen über die Mittel, die den Überwachungsgegnern für eine sichtbare Anti-BÜPF-Kampagne bislang fehlten.