Lange war es in der Handy-Welt bezüglich Design eher langweilig. Seit nun etwas mehr als einem Jahr liefern sich Samsung, Huawei und Motorola ein Wettrennen mit faltbaren Smartphones. Mehrere Bildschirme – oder ein möglichst grosser – sollen Handys für Multitasking fit machen. LG hat nun seine Vorstellung davon präsentiert, wie so ein Gerät auszusehen hat.
Okay. Nachdem wir alle innerlich über den naheliegenden Witz «Sieht aus wie ein Kreuz, damit kannst du Vampire jagen» geschmunzelt haben, stellt sich natürlich die Frage:
Grundsätzlich soll das LG Wing dem Nutzer dank des zweiten Bildschirms einige Dinge erleichtern respektive dessen Produktivität erhöhen. Gleichzeitig soll sich aber auch die eine oder andere neue Möglichkeit ergeben. LG hat sich dazu ein paar Gedanken gemacht und präsentiert einige Szenarien, in denen ein solcher Formfaktor nützlich sein soll:
LG möchte mit dem Wing Gimbals für Smartphones überflüssig machen. Dafür soll eine Kamera mit Gimbal-Stabilisierung sorgen. Allerdings kann auch LG keine technischen Wunder vollbringen: Zwar messen sechs verbaute Sensoren die Bewegung, für die nötige Gegenbewegung sorgt dann aber keine Hard-, sondern Software.
Auf dem zweiten Bildschirm hat LG dafür eine für Gimbals typische Steuerung integriert: Mit dem virtuellen Joystick soll man sogar den Kamerawinkel kontrollieren können.
Wie genau das funktionieren soll, lässt LG unerwähnt. Vermutlich wechselt die Software einfach zwischen den verschiedenen Brennweiten, um den Eindruck zu vermitteln, der Bildausschnitt bewege sich tatsächlich nach links oder rechts.
Insgesamt bietet die Gimbal-Funktion fünf verschiedene Modi:
Erleichtern soll der zweite Bildschirm auch die Bearbeitung von Fotos und Videos. Während auf dem oberen Bildschirm das Ergebnis angezeigt wird, finden sich unten die Bearbeitungstools. Bei Videoprogrammen befindet sich unten sogar die Timeline. So muss man nicht mehr zwischen verschiedenen Fenstern hin und her wechseln, ganz wie bei einem Desktop-Computer.
LG ist der Meinung, dass es viel angenehmer sei, Videos zu schauen, wenn man das Handy senkrecht halten kann. Ein weiterer Vorteil soll sein, dass man nicht von Steuerelementen oder Push-Nachrichten gestört wird. (Wobei Streaming-Dienste wie Netflix Letzteres standardmässig unterbinden).
Zumindest für YouTube ist diese Funktion sicher nützlich, da man so gleichzeitig das Video und die Kommentare anschauen kann. Damit zeigt sich auch, dass sich das Wing eher an die junge Generation richtet.
Beim Navigieren soll das LG Wing vor allem im Auto ein Vorteil sein. So kann man auf dem zweiten Bildschirm unter anderem Anrufe entgegennehmen oder Musik steuern. So hat man nicht das Problem, dass die Navigationsanzeige überlagert oder durch Push-Nachrichten gestört wird.
Nützlich dürfte das wohl nur bei älteren Autos sein. Bei neueren Fahrzeugen kann man das Handy schliesslich mit dem internen System des Autos verbinden.
Es war bereits ein Ansatz, den Nintendo mit dem Nintendo DS verfolgt hat: Zwei Bildschirme sollen mehr Möglichkeiten beim mobilen Gamen eröffnen. Die naheliegendste ist dabei, dass auf dem kleinen Screen Dinge wie Karten oder das Item-Menü angezeigt werden. Das grosse Aber ist hier, ob die Game-Entwickler mitziehen und das LG Wing unterstützten.
Man guckt ein Video und will einen Begriff, den man nicht kennt, googeln. Oder man guckt ein Rezeptvideo auf YouTube und will nebenbei gleich die Zutatenliste auf einer separaten App hinterlegen. Ungefähr so stellt sich LG den weiteren Nutzen des zweiten Bildschirms im Alltag vor.
Laut LG hält der Mechanismus über 200'000 Drehungen aus. Staub soll dabei kein Problem sein; das Gerät ist staub- und spritzwasserfest (IP54).
Tatsächlich sei das LG Wing sogar nach neun Punkten des Militärstandards (MIL-STD-810G) zertifiziert, sagt LG. So hält es angeblich auch einen Sturz aus 1,2 Meter aus. Beim Test wurden dabei 26 verschiedene Fallwinkel erprobt – das LG Wing soll sogar einen Sturz auf den abgerundeten Displayrand überstehen. Hier hat LG sicher aus den anfänglichen Fehlern von Samsung und dem Galaxy Fold gelernt.
Bei der Leistung darf man das LG Wing durchaus im High-End-Bereich ansiedeln, wenn auch eher am hinteren Ende der Specs-Rangliste. So löst das OLED-Display beispielsweise «nur» mit 1080 x 2460 Pixeln auf. Ebenfalls gibt es keine erhöhte Bildwiederholungsrate, was aber angesichts von zwei Bildschirmen wohl sinnvoller sein dürfte.
Beim Prozessor gibt's mit dem Snapdragon 765G einen aktuellen Prozessor, wenn auch nicht den leistungsfähigsten aus dem Qualcomm-Portfolio. Für den Alltag dürfte dies dennoch genug sein. Spannend wird, ob der Prozessor beide Bildschirme respektive parallel laufende Apps ruckelfrei bewältigen kann.
Dazu gibt es noch 8 GB RAM und einen Akku, der mit 4000 mAh nicht ausserordentlich gross ausgefallen ist. Womöglich auch, um Gewicht zu sparen, denn mit 260 Gramm ist das LG Wing nicht so ein Leichtgewicht wie das kürzlich vorgestellte LG Velvet.
Für die Schweiz gibt es noch kein definitives Erscheinungsdatum. Erscheinen wird es aber, und zwar zu einem Preis von 1099 Franken. Damit ist das Gerät sogar etwas günstiger als in Deutschland, wo es 1099 Euro kostet.
Hält sich LG an dieselbe Preispolitik wie beim im Juni vorgestellten LG Velvet, dürfen wir in der Schweiz einen Preis erwarten, der in etwa dem jetzigen Eurokurs entspricht.
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Warum? Ich versteh sowas nicht. Kann man etwas Innovativem, Neuem nicht einfach mal ne Chance geben?