Elon Musks Social-Media-Plattform X (Twitter) droht der Verlust von Werbeeinnahmen in Millionenhöhe. Nach IBM hat auch Apple angekündigt, keine Werbung mehr zu schalten. Und auch die EU-Kommission gab am Freitag bekannt, vorläufig keine Anzeigen mehr auf X schalten zu wollen.
Wie Bloomberg berichtet, fordern ausserdem Tesla-Investoren nach einem antisemitischen X-Posting von Musk, dass es in dem Unternehmen zu Veränderungen kommt.
Der Computer-Riese IBM stoppt alle Werbung bei Elon Musks Online-Plattform X (ehemals Twitter), nachdem seine Anzeigen neben Nazi-Beiträgen entdeckt wurden. IBM dulde keine Hassrede und untersuche die «absolut inakzeptable Situation», teilte ein Sprecher am Donnerstag mit.
Wenige Stunden zuvor hatte die Organisation Media Matters aufgezeigt, wie Werbeanzeigen unter anderem von IBM, Apple und dem Software-Konzern Oracle auf X neben Beiträgen mit positiven Äusserungen über Adolf Hitler und die Ideologie der Nationalsozialisten auftauchten.
Der Computer-Konzern wollte im Schlussquartal rund eine Million Dollar bei X ausgeben, wie die «New York Times» unter Berufung auf interne Nachrichten der Plattform berichtete.
Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Unternehmen haben wenig Einfluss darauf, neben welchen Beiträgen genau ihre Werbung platziert wird. Die Anzeigen werden eher mit Bezug auf Alters-Zielgruppen, bestimmte Gegenden oder Interessen der User ausgespielt.
Auch Apple pausiert angeblich das Schalten jeglicher Werbung auf der Online-Plattform X, wie Axios berichtet. Der am Freitagabend veröffentlichte Bericht beruft sich auf namentlich nicht genannte Quellen. Der Schritt folgt auf Musks öffentliche Befürwortung antisemitischer Verschwörungstheorien sowie auf den Umstand, dass Apple-Werbeanzeigen bei X neben rechtsextremen Inhalten angezeigt wurden.
Dies könnte laut Axios der Beginn eines Werbeexodus sein. Lions Gate Entertainment ziehe ebenfalls alle Werbung von X ab, wie ein Sprecher bestätigt habe.
Am Freitag gab auch die EU-Kommission bekannt, vorerst keine Werbung mehr auf X schalten zu wollen. Eine entsprechende Empfehlung sei an die Dienstellen der Behörde verschickt worden.
Begründet wird der Schritt mit einer alarmierenden Zunahme von Desinformation und Hassrede. Wie viel Geld die Kommission für Werbung auf X und anderen sozialen Netzwerken ausgibt, gab die Behörde zunächst nicht bekannt.
Korrektur: In einer früheren Artikel-Version hiess es fälschlicherweise, es gehe auch um BMW-Werbung.
Um ein negatives Umfeld für ihre Marken zu vermeiden, sind die Werbe-Kunden vor allem darauf angewiesen, dass X Hassrede konsequent von der Plattform fernhält.
Seit Musk vor einem Jahr Twitter kaufte, haben viele Unternehmen Bedenken genau deswegen und bleiben der Plattform fern oder schränken ihre Ausgaben ein.
Auch andere Online-Dienste hatten in der Vergangenheit ähnliche Probleme mit ihren Werbekunden, zum Beispiel Googles Videoplattform YouTube. Sie verschärfte damals die Inhalte-Aufsicht, um Werbekunden zurückzugewinnen.
Musk sagte mehrfach, dass die Werbeeinnahmen nur noch in etwa halb so hoch seien wie zu Twitter-Zeiten. Die von Musk eingesetzte X-Chefin Linda Yaccarino versprach Werbekunden ein sicheres Umfeld, was nachweislich nicht stimmt.
Musk vertritt politische Ansichten der US-amerikanischen Rechten und warf der früheren Twitter-Führung vor, diese unterdrückt zu haben. Er versprach mehr Redefreiheit – alle Äusserungen, die nicht gegen das Gesetz verstiessen, müssten erlaubt sein. Zugleich trafen seine Entlassungsaktionen in grossem Stil die Twitter-Teams, die für die Löschung von Hassrede sorgen sollten.
Der Tech-Multimilliardär versuchte zeitweise, seine Anhänger gegen abtrünnige Werbekunden aufzustacheln. Als es Berichte gab, dass Apple die Ausgaben für Anzeigen auf der Plattform gekürzt habe, besuchte Musk Konzernchef Tim Cook in der Zentrale in Cupertino.
Diese Woche sorgte der X-Besitzer selbst für eine neue Kontroverse: Er befürwortete einen Beitrag, in dem eine antisemitische Verschwörungstheorie verbreitet wurde. Darin hiess es unter anderem, von jüdischer Seite werde «Hass gegen Weisse» verbreitet. Musk schrieb unter dem Beitrag am Mittwoch, darin stehe die «tatsächliche Wahrheit».
Später ergänzte Musk, er meine «einige Gruppen» wie die jüdische Organisation Anti-Defamation League (ADL), die «faktisch anti-weissen Rassismus und anti-asiatischen Rassismus» verbreiteten. In weiteren Äusserungen bekräftigte Musk, dass es aus seiner Sicht ein Problem mit Rassismus gegenüber Weissen gebe.
ADL-Chef Jonathan Greenblatt schrieb bei X zu Musks Äusserungen, es sei «unbestreitbar gefährlich», wenn jemand seinen Einfluss nutze, um antisemitische Theorien zu bestätigen und weiterzuverbreiten.
Auch die Organisation American Jewish Committee verwies darauf, dass der von Musk unterstützte Beitrag Elemente der Verschwörungstheorie enthielt, die 2018 eine Rolle bei der Attacke auf eine Synagoge in Pittsburgh spielte. Der Angreifer tötete damals elf Menschen.
Musk hat bei X mehr als 160 Millionen Follower, wobei bei dieser Zahl nicht klar ist, wie gross der Anteil Fake-Profile oder komplett inaktiver Accounts ist.
Er hatte nach früherer Kritik behauptet, er habe keine antisemitischen Ansichten. Yaccarino schrieb bei X am Donnerstag, Diskriminierung von allen Seiten müsse aufhören.
US-Investor Ross Gerber warf die Frage auf, welche Konsequenzen Musks Verhalten für den von ihm geführten Elektroauto-Hersteller Tesla haben werde. Musk handele nicht im Interesse von Tesla, kritisierte Gerber im TV-Sender CNBC. «Er zerstört alles, was er aufgebaut hat» und schade dem Ansehen des Autobauers.
Er selbst werde sein Tesla Model Y kommendes Jahr durch ein Fahrzeug des Konkurrenten Rivian ersetzen – «und ich bin sicher, der Rest von Los Angeles macht das auch».
Auch der Wirtschafts-Nachrichtendienst Bloomberg berichtete am Freitag, dass Tesla-Investoren nach Musks antisemitischem Post Veränderungen forderten. Es sei an der Zeit, dass der Vorstand des Unternehmens Massnahmen ergreife.
(dsc/sda/dpa)
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