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Im Internet bieten Schwindler Fake-Bewertungen für Hotels, Bücher und mehr an. Mit modernster Technik werden sie nun überführt

Die harte Wahrheit: 20 bis 30 Prozent aller Bewertungen auf Online-Portalen wie Amazon, Tripadvisor oder Yelp sollen gefälscht sein. 
Die harte Wahrheit: 20 bis 30 Prozent aller Bewertungen auf Online-Portalen wie Amazon, Tripadvisor oder Yelp sollen gefälscht sein. 
Die Macht der Online-Bewertungen

Im Internet bieten Schwindler Fake-Bewertungen für Hotels, Bücher und mehr an. Mit modernster Technik werden sie nun überführt

12.01.2015, 06:5513.01.2015, 10:04
adrian lobe
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Ob in den Ferien oder beim Bücherkauf – die meisten Konsumenten informieren sich vorher im Internet. Auf Bewertungsportalen wie Yelp, Holidaycheck oder Tripadvisor kann man seine Meinung zu einem bestimmten Produkt oder einer Pauschalreise äussern. Kundenbewertungen sind ein wichtiger Kompass bei der Kaufentscheidung. Eine hohe Weiterempfehlungsrate ist oft ein Kaufargument. Doch kann man den Bewertungen auch trauen? 

Gerüchte über Fake- Bewertungen kursieren immer wieder. Letztes Jahr sorgte eine Studie der Harvard-Business-School für Aufsehen, wonach 20 Prozent der Yelp-Bewertungen gefälscht sind. Der Social-Media-Experte Krischan Kuberzig schätzt, dass 20 bis 30 Prozent aller Bewertungen nicht authentisch sind. Die Zahlen schwanken, aber eine Stichprobe zeigt, wie virulent das Problem ist.

Fünf Dollar für fünf Sterne

Auf dem Portal Fiverr.com bietet der Nutzer «trondjensen5» ganz ungeniert mit Profilbild positive Bewertungen auf Tripadvisor an. Fünf Dollar für fünf Sterne. Die Nachfrage ist zum Teil ganz konkret. Auf dem deutschsprachigen Portal Fiverdeal schreibt der Anbieter «kurti9000»: 

«Suche jemand, der für mich über seine Accounts Rezensionen zu meinen Büchern einstellt. Die Texte schreibe ich selbst und schicke sie zu. 3 Rezensionen für 5 Euro.» 

Und noch etwas bietet kurti9000 an: «Hallo, Ich benötige 2 Bewertungen für mein Amazon-Produkt. Die Bewertung wird vorgegeben. Die Bewertungen müssen von zwei unterschiedlichen Accounts gemacht werden.» 

Nutzer «Texterin» inseriert: «Ich werde für 5 Euro 3 Hotelbewertungen schreiben (jede in Umfang von 200-300 Wörter). Unique Content, Google optimierte Texte (Keywords nach Wahl) – zuverlässig und diskret. für 5,- €.» Es ist wie auf einem Jahrmarkt. Wer will, kann hier seinen Online-Auftritt auf Politur bringen. Ein ominöser Anbieter namens «all4production» bietet 1000 Facebook-Likes für 5 Euro an.

Wie man sich das Hotel beim Lesen der Online-Bewertungen vorstellt

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bild: lastminute

Wie das Hotelzimmer wirklich aussieht

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Amazon und Tripadvisor besonders anfällig

Im Internet gibt es öffentliches Renommee auf Bestellung. So soll etwa Dschungelcamp-Sternchen Georgina 60'000 Facebook-Fans gekauft haben, der Rapper Massiv hat sein Twitter-Profil mit 80'000 Followern aufgemotzt. Professionelle Agenturen haben sich darauf spezialisiert, gefälschte Rezensionen anzubieten. Vergangenes Jahr deckte die «New York Times» den Schwindel des US-Bestseller-Autors John Locke auf. Er hatte sich 300 Rezensionen bei der inzwischen geschlossenen Plattform GettingBookReviews.com gekauft.

Das Geschäft mit gefälschten Produktbewertungen blüht weiter. Offene Bewertungssysteme wie Amazon oder Tripadvisor sind besonders anfällig für Manipulationen. Hier kann jeder seinen Senf dazugeben. Bei Expedia muss man mindestens schon einmal gebucht haben, um eine Bewertung abzugeben. Eigentlich dürfte es Fake-Bewertungen gar nicht geben. In Amazons Rezensions-Leitlinien heisst es: «Eine Rezension, die gegen diese Richtlinien verstösst, wird nicht veröffentlicht.»

Tripadvisor wertet das «Schreiben einer positiven Bewertung für ihr eigenes Unternehmen oder für ein Unternehmen, das sich im Besitz des Bewerters befindet, das von ihm verwaltet wird oder an dem er ein finanzielles Interesse hat» als Betrug. Doch das scheint die meisten nicht abzuschrecken. Im Internet bietet eine Armada von freien Autoren Fake-Bewertungen für ein paar Rappen-Beträge an. Die Bewertungen sind Massenware, sie werden in grossem Still eingekauft – zum Teil sogar aus den Philippinen. Laut einer Studie der Harvard Business School ist für 90 Prozent der Konsumenten eine positive Bewertung ein Kaufargument. Das zeigt auch, wie manipulierbar der Kunde ist.

Drakonische Strafen für Fake-Bewertungen

In den USA werden drakonische Strafen verhängt. Die Staatsanwaltschaft von New York brummte letztes Jahr 19 Unternehmen, die kommerziell Fake-Bewertungen angeboten hatten, Strafzahlungen in Höhe von 350'000 Dollar auf. Computerlinguisten tüfteln an Algorithmen, die das Netz nach unüblichen sprachlichen Strukturen durchforsten. Die Texte werden in Fragmente zerlegt und systematisch untersucht, etwa auf stilistische Abweichungen oder semantische Inkonsistenzen. Wenn jemand eine Kritik salopp formuliert und dann wieder hoch seriös, ist das auffällig. In einem Fall schrieb ein Nutzer vom selben Account: «Meine Frau und ich kauften …» und „«Mein Ehemann mag …» Die Software entlarvte den Lügner.

Aber es gibt auch Zweifel an diesen Algorithmen. «Es ist sehr schwer, Manipulationen zu entdecken», sagt Marketing-Professorin Dina Mayzlin von der University of Southern California auf Anfrage. «Diese Methode hat Schwächen, wenn der Täuscher weiss, dass seine Bewertungen überprüft werden.» Man kann Kritik auch in Worte hüllen, die keine Software entlarvt. Die Fälscher sind findiger geworden. Mayzlin rät Kunden, Bewertungen auf mehreren Portalen zu vergleichen. So sei die Meinung objektiver. Generell gilt: Je grösser die Zahl der Bewertungen, desto geringer das Risiko, auf eine Fake-Bewertung hereinzufallen.

Wie Online-Bewertungen Konsumenten beeinflussen

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grafik: web republic
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