Krypto-Transaktionen ermöglichten kriminelle Aktivitäten über die Landesgrenzen hinweg.Screenshot: nta / YouTube
Im Zuge einer internationalen Operation sind zwei riesige russische Geldwäsche-Netzwerke aufgedeckt worden, die Milliarden in Kryptowährungen «abwickelten». Mittendrin: Ransomware-Banden und Putin.
06.12.2024, 10:2306.12.2024, 10:57
Russische Oligarchen, Ransomware-Banden und andere Kriminelle haben während Jahren ausgeklügelte Geldwäschenetzwerke in Russland genutzt, um grosse Summen ins Ausland zu schaffen und zu reinvestieren.
Doch damit ist nun Schluss. Vorläufig.
«Zum ersten Mal konnten wir eine Verbindung zwischen der russischen Elite, Krypto-reichen Cyberkriminellen und Drogenbanden auf den Strassen Grossbritanniens nachweisen.»
Rob Jones, National Crime Agency
Am Mittwoch informierten die britischen Justizbehörden über die «Operation Destabilise». Nach monatelanger Ermittlungen seien zwei riesige kriminelle Netzwerke lahmgelegt worden. Diese hätten Jahr für Jahr Kryptowährungen in Milliardenhöhe umgesetzt.
Was hat das mit dem Ukraine-Krieg zu tun?
«Wired» bringt die Ausgangslage auf den Punkt: Seit Russlands gross angelegter Invasion, dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022, leide die russische Wirtschaft unter Sanktionen. Zahlungen in Kryptowährungen seien im Inland verboten. Jedoch würden zunehmend Kryptowährungen genutzt, um russisches Geld ins Ausland zu transferieren.
Ben Cowdock, Ermittlungsleiter bei der Antikorruptionsorganisation Transparency International, bestätigte das kriminelle Vorgehen der reichen Russen:
«Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Russland Kryptowährungen und andere alternative Zahlungssysteme nutzt, um Sanktionen zu umgehen und Gelder rund um die Welt zu transferieren.
Auch wenn der Kreml aus dem konventionellen Bankensektor ausgeschlossen wurde, bedeutet das nicht, dass er keine internationalen Zahlungen mehr tätigen kann.»
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Das «Wired»-Magazin hatte laut eigenen Angaben exklusiven Zugang zu den Ermittlungen und fasst die wichtigsten Erkenntnisse wie folgt zusammen:
- Jahrelang umgingen die Kriminellen das globale Bankensystem und dessen Kontrollen. Sie nutzten Kryptowährungen, um Drogen und Schusswaffen zu erwerben, oft aus südamerikanischen Ländern.
- Die britische NCA sagt, dass mit der Geldwäsche auch russische Spionage finanziert wurde. Sprich: Putins hybrider Krieg gegen Westeuropa. Die Behörde will jedoch keine weiteren Angaben dazu machen.
- Man habe auch Zahlungen in Zusammenhang mit dem Kreml-Propagandasender RT (früher «Russia Today») gefunden. Das Geld floss an in Grossbritannien ansässige russischsprachige Journalisten.
- Einige sanktionierte Russen sollen das System für Investitionen in britische Immobilien und andere hochwertige Waren genutzt haben. Die Geldwäsche-Netzwerke hätten dafür gesorgt, dass die ursprüngliche Quelle der Gelder verschleiert wird.
- Im Jahr 2021 wusch eine hauptbeschuldigte Russin über 2,3 Millionen Dollar an mutmasslichem Lösegeld, das an die Ryuk-Ransomware-Gruppe gezahlt worden war. Die Bande hatte auch Spitäler, Schulen, Unternehmen und lokale Behörden attackiert.
- Es seien weitere illegale Transaktionen russischer Ransomware-Banden aufgedeckt worden.
- Die Kryptowährungsadressen der beiden Geldwäschenetzwerke werden mit der russischen Kryptowährungsbörse Garantex in Verbindung gebracht. Jene Plattform soll auch illegale Transaktionen für den Darknet-Marktplatz Hydra Market ermöglicht haben und wurde bereits international sanktioniert.
- Es wurden auch Verbindungen zur organisierten Kriminalität in Südamerika und dem berüchtigten irischen Verbrechersyndikat Kinahan identifiziert. Das ist eine familiengeführte Bande, die für Drogen- und Waffenschmuggel nach Grossbritannien und in die ganze Welt verantwortlich zeichnet.
- Das vielleicht ungewöhnlichste Element der Geldwäsche war laut Ermittlern, dass von Russland aus riesige Summen in Kryptowährung an Drogenbanden geschickt wurden, die in ganz Europa operieren. Diese kümmerten sich um den Umtausch.
- Ein Ermittler gab Einblick in Krypto-Konten, sogenannte Wallets, die mit den Geldwäsche-Netzwerken in Verbindung stehen. In einem Wallet waren über 800 Millionen Pfund (1 Milliarde Dollar) gespeichert.
Wie funktionierte die Geldwäsche?
Zwei russische Firmen stehen im Zentrum der Ermittlungen. Sie boten einen Service für die russische Elite, Einzelpersonen und Firmen an. Sie erhielten so Zugang zu westlichen Volkswirtschaften, was ihnen sonst wegen der westlichen Sanktionen oder anderen finanziellen Beschränkungen verwehrt geblieben wäre.
Die Ermittler haben ein komplexes System aufgedeckt, das sich über mehrere Kontinente erstreckt. Die kriminellen Netzwerke sammelten in einem Land Gelder ein und machten den entsprechenden Betrag in einem anderen Land verfügbar. Dies sei häufig durch den Tausch von Kryptowährungen gegen Cash passiert.
Weiter fand man Hinweise auf Bargeldtransfers in ganz Europa, darunter auch Städte in Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien. Die Geldkuriere wurden über Anzeigen in Gruppenchats angeheuert.
Das Erklärvideo (auf Englisch):
London sei ein wichtiger Knotenpunkt gewesen. Eine zentrale, fragwürdige Rolle spielte offenbar auch Dubai, die grösste und reichste Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Über die dortige Sonderwirtschaftszone, bzw. den Krypto-Hub, sollen Vermittler von entsprechenden Deals mitkassiert haben.
An der internationalen Polizeiaktion waren Ermittler aus Europa und Nordamerika beteiligt: die britische National Crime Agency (NCA), das amerikanische FBI, die Drug Enforcement Administration und das Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums, sowie Justizbehörden in Irland und Frankreich.
Insgesamt habe die «Operation Destabilise» zu 84 Festnahmen geführt, wobei die britischen Strafverfolgungsbehörden Bargeld und Kryptowährungen im Wert von über 20 Millionen Pfund beschlagnahmten.
Viele Strafverfahren seien noch am Laufen. Es dürfte also noch einiges ans Licht kommen.
Wie flogen die kriminellen Netzwerke auf?
Es sei nur eine Fahrzeugkontrolle gewesen, doch sie führte zur Aufdeckung des milliardenschweren Geldwäschenetzwerks, hält die britische Tageszeitung «The Telegraph» fest. Als Londoner Polizisten den Wagen durchsuchten, stiessen sie auf 250'000 Pfund in bar.
Die Verkehrskontrolle fand bereits im November 2021 statt, doch sie gab den Ermittlern den entscheidenden Hinweis. Weitere Ermittlungen zeigten, dass der Geldkurier vor seiner Festnahme dubiose Überweisungen von mehr als 15 Millionen Pfund getätigt hatte.
Seit Längerem in Haft ist eine russische Geschäftsfrau, die auf den Social-Media-Plattformen mit ihrem glamourösen Lebensstil prahlte und die Titelseiten russischer Wirtschaftsmagazine zierte, schreibt T-Online. Jekaterina Schdanowa habe mit Popstars gefeiert und sich in höchsten Kreisen bewegt, bevor sie 2023 in Frankreich verhaftet wurde – wegen Geldwäsche mit Kryptowährungen. Nun sei klar, dass sie eine zentrale Rolle in einem viel grösseren Netzwerk gespielt habe.
Quellen
Wie der russische Militärgeheimdienst GRU hackt und tötet
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Wie der russische Militärgeheimdienst GRU hackt und tötet
Zum Repertoire des russischen Militärgeheimdienstes GRU gehören gezielte Tötungen, verdeckte Militäreinsätze, Hackerangriffe und die Manipulation von Wahlen. In dieser Bildstrecke lernst du seine Einheiten und Operationen kennen.
quelle: shutterstock
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