Noch nie war der Handelskrieg zwischen den USA und China so sichtbar wie heute: Donald Trump hat Google und andere Grössen der US-Techindustrie dazu verdonnert, die Geschäftsbeziehungen mit Huawei (ausgesprochen «Wah-wei») zu sistieren. Der rasant wachsende chinesische Anbieter von Smartphones, Rechenzentren und vor allem 5G-Antennen, soll so zurückgebunden werden.
Huawei is leading the smartphone market in Europe and they were en route to become the largest smartphone maker by the end of the year. In 1Q2019 they were #1 in 9 European countries. However, without Google's support and services we may see a different picture next quarters pic.twitter.com/p2NTRJjBmx
— Francisco Jeronimo (@fjeronimo) May 19, 2019
Im schlimmsten Fall steht Huawei bald ohne Google-Apps für seine Smartphones und ohne Chips für seine 5G-Antennen da. Beides kommt aus den USA.
Legitimiert wird die drastische Massnahme mit der angeblichen Gefährdung der inneren Sicherheit. Die USA, die 2013 dank NSA-Whistleblower Edward Snowden selbst der weltweiten Internetüberwachung mithilfe von US-Konzernen wie Apple, Google und Microsoft überführt wurden, bezeichnen Huawei als Spionagetool der chinesischen Regierung – ohne dafür Beweise vorzulegen.
Auch in Europa gibt es warnende Stimmen, die Huawei als Sicherheitsrisiko sehen. Es stimmt natürlich. Sogenannte Backdoors (Hintertüren für Geheimdienste und Strafverfolger) in der 5G-Technologie der Chinesen können nicht ausgeschlossen werden – auch wenn sie bislang nie bekannt wurden. Für staatliche Überwachung braucht es aber weder die USA noch China. Die EU selbst will beim 5G-Netz fleissig mithorchen. Dies zeigen vom ORF enthüllte Dokumente des EU-Ministerrats.
Der EU-Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove fürchtet sich demnach nicht vor Huawei, sondern vor der höheren Netzwerksicherheit des 5G-Standards. Die 5G-Technologie sichert die Datenübertragung weit besser gegen Kriminelle ab, als dies bei den bisherigen Mobilfunknetzen der Fall ist. Gleichzeitig erschwert das neue 5G-Netz auch Geheimdiensten und Strafverfolgern das Abhören und Sammeln von Daten.
Die Mobilfunkanbieter in der EU sollen daher gezwungen werden, «den technischen Aufbau ihrer 5G-Netze entlang der Überwachungsabedürfnisse der Polizeibehörden auszurichten», berichtet der ORF. Dem österreichischen Rundfunk liegt ein Dokument des EU-Ministerrats vom 6. Mai vor, das an die Sicherheitsbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten ging.
Im Klartext fordert der EU-Anti-Terror-Koordinator, dass die Mobilfunkanbieter im 5G-Netz eine Hintertür bzw. Sicherheitslücke für die Strafverfolger offen lassen. Begleitet wird das Schreiben von der Warnungen, andernfalls würden die Polizeibehörden blind.
Kerchove fordert, «dass nur solche 5G-Provider national zugelassen werden sollen, die in der Lage sind, ein vollständige und unverschlüsselte Kopie der gesamten Kommunikation samt Metadaten bei den Behörden abzuliefern», zitiert der ORF aus dem EU-Dokument. Darin heisst es weiter: «Eine Grundbedingung für 5G-Anbieter (...) müsste sein, dass sie Anforderungen der Strafverfolger erfüllen können, sogar wenn sie dafür ihre Partnerfirmen im Ausland heranziehen müssen.» Europäische Mobilfunkfirmen sollen also beispielsweise bei Huawei anklopfen, um den Behörden die gewünschten Informationen liefern zu können.
Auch die Überwachung per IMSI-Catcher, gemeint sind mobile Überwachungsgeräte, die der Polizei die Überwachung von Smartphones in der Nähe erlauben, sollen dank Hintertüren im 5G-Netz weiterhin möglich bleiben.
Aus Sicht der Polizei sind diese Forderungen verständlich. Die EU torpediert so aber den eigentlich höheren Sicherheitsstandard beim 5G-Netz gleich selbst.
Die USA warnen europäische Staaten ausdrücklich davor, ihre 5G-Netzinfrastruktur von Huawei zu beziehen und drohen zugleich, sollten sich befreundete Staaten erdreisten, doch mit den Chinesen zu kooperieren. Europa und die Schweiz sitzen in der Zwickmühle: Man will es weder mit den USA noch China – den beiden zentralen Handelspartnern – verscherzen.
Huawei selbst bestreitet jede Art von Spionage für Peking, macht aber keinen Hehl daraus, Kontakte zur chinesischen Regierung zu pflegen – wie es für chinesische Konzerne üblich ist. Nach eigenen Angaben erhielt Huawei zudem günstige staatliche Kredite von mindestens 30 Milliarden Franken. Die USA sehen darin eine unerlaubte Wettbewerbsverzerrung. Sie gehen auch nicht erst seit heute gegen chinesische Techriesen wie Huawei und ZTE vor.
Wir erinnern uns: Huaweis Smartphones sind bereits Anfang 2018 auf Geheiss der US-Regierung aus den Verkaufsregalen der US-Mobilfunkanbieter verschwunden – wegen angeblicher Sicherheitsbedenken. In den USA spielen Smartphones von Huawei deshalb so gut wie keine Rolle mehr. Warum hingegen Lenovo, ein weiterer chinesischer Techriese, mit seinen Smartphones und Laptops keine Gefahr für die innere Sicherheit der USA darstellt, bleibt vorerst Trumps Geheimnis.
Die USA haben keinerlei Beweise dafür, dass Huawei-Geräte ein grösseres Sicherheitsrisiko darstellen als irgendeine andere Android-Marke. Trumps Huawei-Bann ist willkürlich und heuchlerisch.
Vieles spricht also dafür, dass nach ZTE nun an Huawei ein Exempel statuiert werden soll. Die USA haben so bei den Verhandlungen mit China ein Ass im Ärmel. Lenken die Chinesen in einem zentralen Punkt ein, lassen die USA Huawei vermutlich vom Haken, so wie bereits ZTE von Trump begnadigt worden ist. Wenn nicht, sieht die Zukunft nicht nur für Huawei düster aus: Zwar kann China nicht ohne US-Chips produzieren. Aber die USA (und Europa) können auch nicht ohne China.
Verwendete Quelle:
Nehmen wir eine neue Perspektiv ein.
Die "billig" Produkte aus China sind technisch so gut, dass es für Geheimdienste gar nicht mehr möglich wäre Backdoors einzubauen. Dann würde es Sinn machen, dass die USA diese Technologie nicht von den Chinesen haben möchte, sondern von den eigene US-Unternehmen. Dort können sie natürlich sicherstellen, dass die "Hintertüren" vorhanden sind.
Ist noch eine interessante Perspektiv, oder etwa nicht?
Tja leider scheint das Trumpeltier am Zug zu sein