Sucht man den Mann in einem Saal unter den Teilnehmern einer Zukunftskonferenz, wird man schnell fündig. Jowan Öster- lund fällt auf. Der Schwede hat die Statur eines Klischee-Wikingers: gross, breite Schultern. Tattoos überziehen seine Arme. Was ihn am meisten von allen anderen unterscheidet, bleibt für den Betrachter aber unsichtbar: Unter der Haut, zwischen Daumen und Zeigefinger, hat er sich einen Chip implantiert, der ihm zu neuen Fähigkeiten verhilft.
Warum tragen Sie einen Chip unter der Haut?
Jowan Österlund: Vor allem aus Bequemlichkeit. Der Chip dient mir im Tram als Ticket. Ich kann mich damit in meinen Computer einloggen, ohne dass ich ein Passwort eingeben muss. Zudem ist auf dem Chip der Zutrittsbadge für das Fitnesscenter gespeichert. Und ich kann damit die Türen unseres Büros und meines Hauses öffnen. Das allerdings ist erst der Anfang.
Wie geht es weiter?
Schweden will 2023 bargeldlos werden. Ich finde: Statt bloss mit der Kreditkarte sollte man auch mit einem Chip in der Hand bezahlen können, denn die Technologie dahinter ist dieselbe. Also lancieren wir einen Bezahlservice. Bodypayment statt Mobile Payment gewissermassen.
All das ist mit dem Smartphone möglich. Warum sich also einen Chip implantieren lassen?
Wie oft ist es Ihnen schon passiert, dass Sie Ihr Handy vergessen haben? Mir passiert es ständig. Mit dem Chip haben Sie das Problem ein für alle Mal gelöst.
Ein Smartphone können Sie weglegen. Den Chip nicht. Macht das keine Angst?Können Sie das wirklich?
Wir sind doch alle so sehr von unseren Smartphones abhängig, dass uns etwas fehlt, wenn wir es einmal nicht auf uns tragen.
Zumindest für ein paar Stunden kann ich das Handy durchaus ausschalten und weglegen. Sorgen Sie sich denn nicht um Ihre Privatsphäre?
Doch. Und genau deshalb will ich die Kontrolle über meine Daten behalten und trage den Chip. Kreditkarten beispielsweise kann man stehlen. Ein Foto von der Karte genügt, und ein Dieb hat alle Daten, die er braucht. Den Chip in meiner Hand können Sie nicht einfach so stehlen.
Aber Sie können sich auch nicht von ihm trennen. Besteht nicht die Gefahr, dass Ihre Tätigkeiten ständig überwacht werden?
Nein. Unter meiner Haut befindet sich nur ein sogenannter NFC-Chip (Near Field Communication; Anm. d. Red). Er funktioniert nur passiv, indem er Funksignale innerhalb weniger Zentimeter empfängt. Daten zeichnet er keine auf. Er ist nicht mit dem Internet verknüpft und verfügt über kein GPS-Modul.
Und warum tragen Sie den Chip unter Ihrer Hand und nicht zum Beispiel in einem Armband?
Das ginge natürlich auch. Aber ein Armband kann man verlieren, seine Hand nicht.
Warum ist ein Bodychip besser als die biometrische Identifizierung über Iris- oder Fingerabdruck- Erkennung?
Auch einen Fingerabdruck kann man verlieren. Man hinterlässt ihn die ganze Zeit. Kriminelle können ihn klauen, aufbereiten und sich damit als die Person ausgeben, der er gehört. Auch Iris-Scanner kann man überlisten. Das Problem bei allen biometrischen Merkmalen: Wird man einmal gehackt, kann man die Merkmale nicht ändern, sie sind einem ja angeboren. Der Chip lässt sich hingegen ersetzen.
Wie kompliziert ist es, sich einen solchen Chip implantieren zu lassen?
Das ist ganz einfach. Klar, es braucht eine Nadel dazu. Aber es ist weniger schmerzhaft als ein Ohrenpiercing.
Sie haben einen zweijährigen und einen achtjährigen Sohn. Haben die beiden einen Chip?
Nein. Das würde ich nicht zulassen. Es ist nicht erlaubt, jemanden einen Chip zu implantieren, der nicht selber eine fundierte Entscheidung treffen kann. Ich plädiere dafür, dass man volljährig sein muss. Wer jünger ist, bekommt von uns keinen Chip eingesetzt. Das wäre ähnlich dumm, wie Kinder zu piercen. Das geht einfach nicht.
Wer ist Ihr typischer Kunde?
Jeder ab 18 Jahren. Da wir eine schwedische Firma sind, sind die meisten unserer Kunden schwedischer Nationalität. Bei Entscheidungsträgern und CEOs ist unser Produkt besonders beliebt.
Unter Ihren Kunden gibt es auch Firmen. Arbeitsrechtler kritisieren dies, weil sie Bedenken bezüglich des Datenschutzes haben.
Ja, unter unseren Kunden sind auch Firmen mit bis zu zweihundert Mitarbeitenden. Für sie ist es komfortabel, mit dem Chip bargeldlos in der Cafeteria ihr Essen abzubuchen oder sich in den Computer einzuloggen. Den Arbeitgebern ist es allerdings nicht erlaubt, die Daten zu verwenden. Bei uns in Schweden arbeiten wir beispielsweise mit dem Reiseanbieter Tui eng zusammen. Etwa hundert Mitarbeitende nutzen den Chip, darunter der CEO. Jeder entscheidet selber, ob er mitmachen will oder nicht.
Haben Sie auch Schweizer Kunden?
Ja, wir haben einigen Schweizern einen Chip eingesetzt. Das sind Privatpersonen, wir stehen jedoch auch im Kontakt mit Firmen.
Mit welchen?
Das kann ich nicht sagen. Es ging bislang vor allem darum, über die Möglichkeiten zu informieren, und um auszuloten, wie diese Firmen die Privatsphäre ihrer Mitarbeitenden schützen wollen. Das steht für uns an erster Stelle.
Haben Sie schon mal einen Kunden abgelehnt?
Ja, mehrere. Die meisten von ihnen haben die Technologie falsch verstanden. Sie rufen an, beschweren sich über ihre faulen Angestellten und wollen sie mithilfe eines Chips überwachen lassen. Ihnen antworten wir jeweils: Sie brauchen nicht unseren Chip, sondern ein gutes Management (lacht). Zudem haben wir diverse Anfragen von Regierungen abgelehnt. Die Namen kann ich aber nicht sagen.
Aus welchem Grund haben diese Regierungen Sie kontaktiert?
Sie stellten eher grundsätzliche Fragen. Wie sie die Technologie nutzen könnten, welche Möglichkeiten darüber hinaus denkbar sind oder welche Zertifizierungen es braucht.
Möchten Sie das Chip-Implantat zukünftig um weitere Funktionen ergänzen?
Oh ja, unbedingt. Vor allem Gesundheitsfunktionen finde ich interessant. Ich möchte damit meinen Puls messen, meine Körpertemperatur aufzeichnen und meinen Blutzucker kontrollieren können. Ich stelle mir einen Chip vor, der meinen Körper in Echtzeit überwacht und mir aufgrund der Daten Tipps gibt: Trink Wasser, sonst dehydrierst du! Dir fehlen Vitamine und Fettsäuren, iss Fisch!
Wann wird Ihre Firma einen Chip lancieren mit den ersten Funktionen eines solchen Biofeedbacks?
Das kann ich nicht sagen. Aber wir arbeiten daran.
Innerhalb der nächsten fünf Jahre – oder früher?
Ja, definitiv. Fünf Jahre ist eine lange Zeit. Sogar ein Jahr ist eine lange Zeit (schmunzelt). Was ich aber sagen kann: Ich werde der Erste sein, der diesen Chip implantiert und testet. Ich würde nie etwas verkaufen, das ich nicht selber ausprobiert habe. Ich bin ein gutes Versuchskaninchen.
Planen Sie auch einen Chip mit GPS-Funktion?
Nein, dafür bräuchte es eine Antenne von mindestens 25 Millimeter Grösse und eine aktive Energiequelle. Um solch einen Chip implantieren zu können, wäre ein chirurgischer Eingriff notwendig. Das könnten wir dann nicht mehr selber machen. Bereits heute sieht die Nadel, die wir verwenden, schon ziemlich gross aus. Das löst bei einigen Kunden Ängste aus.