Eine Steckersolaranlage auf dem Balkon, eine Photovoltaikanlage (PV) auf dem Dach oder dem Carport: Viele Konsumentinnen und Konsumenten setzen zunehmend auf erneuerbare Energie und damit auf Autarkie oder zumindest auf Unabhängigkeit von grossen Energielieferanten. Doch eine Recherche des ZDF deckt nun auf, dass die Haushalte, die auf Solartechnik «Made in China» setzen, gar nicht so unabhängig und frei sind.
Die Gefahr sei bereits bekannt, noch wolle es jedoch keiner so richtig wahrhaben, berichtete das ZDF. Nun hat watson-Medienpartner T-Online mit einem Experten über das Sicherheitsrisiko aus China gesprochen.
Im ersten Halbjahr 2024 stammten 47 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Wind- und Sonnenenergie, bei Letzterer sowohl von öffentlichen als auch privaten Solaranlagen. Die Steuerung dieser Anlagen erfolgt dabei mithilfe von Wechselrichtern.
Diese kleinen Geräte wandeln – knapp erklärt – die über die Solarpanels gewonnene Solarenergie (Gleichstrom) in Wechselstrom um. An sich eine gute Technik – doch die meisten Wechselrichter (80 Prozent) stammen von chinesischen Herstellern. Denn Hersteller wie Deye, Huawei, Sungrow oder Ginlong Solis bieten ihre Produkte erheblich günstiger an als europäische Wettbewerber und dominieren damit den Markt.
Die Ersparnis bei den Bauteilen birgt jedoch Gefahren, wie eine Recherche der ZDF-Redaktion «Umwelt» aufdeckt. Im Ernstfall könnte China die Technik fernsteuern und somit ausschalten. Etwa, wenn es zu einer politischen Krise kommt. Dann könnte Peking ganze Solaranlagen in Deutschland deaktivieren – und zwar nicht nur die der Privathaushalte, sondern auch diejenigen, die eine essenzielle Rolle bei der deutschen Energieversorgung spielen. Die hiesigen Netzbetreiber könnten in diesem Ernstfall nicht eingreifen, so der Bericht.
Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sehe ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die kritische Infrastruktur in Deutschland. Auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) in Bonn teilte mit, sie nehme «diese möglichen Risiken zentralisierter Steuerungsmöglichkeiten sehr ernst». Eine Sprecherin beruhigte, dass bereits Vorsorge getroffen worden sei:
T-Online hat den Ingenieurwissenschaftler Andreas Schmitz gefragt, wie er die Lage einschätzt und was die User machen können, um sich zu schützen.
Er bestätigt, dass die Machtstellung chinesischer Hersteller ein Problem darstellt, allerdings auf eine andere Art und Weise. Richtig sei, dass die meisten Wechselrichter chinesischer Hersteller mit dem Internet verbunden sind. Das ist nötig, damit sie sich mit der Cloud des Herstellers verbinden. Nur durch die Verbindung mit der Cloud können die User dann zum Beispiel aktuelle Daten und Erzeugungsleistungen ihrer Anlage abrufen, das Gerät fernsteuern. Zudem wird die Cloud auch für die Software und entsprechende Updates verwendet.
Schmitz warnt:
Doch das ist noch nicht alles. Hinzu kommt, dass die Cloud-Lösung aus Sicht der IT-Sicherheit «oft katastrophal» ist. Gefährlich sind chinesische Wechselrichter daher vorwiegend, weil die eigenen, privaten und oftmals auch sensiblen Daten der User nicht ausreichend geschützt sind und von den Herstellern weitergenutzt werden können – in welcher Form auch immer.
Und wie wahrscheinlich ist das vom ZDF aufgedeckte Szenario? Also eine Bedrohung durch einen Hackerangriff?
Schmitz beruhigt:
Er räumt jedoch ein: «Natürlich ist es aber nicht unmöglich, da es durchaus Hersteller gibt, die sehr beliebt und verbreitet sind.»
Eine Steuerung der Solaranlagen kann jedoch auch noch durch eine andere Art erfolgen: Staatliche Aktuere könnte gar gezielt Hintertüren einbauen, um Photovoltaikanlagen in grossem Stil zu steuern.
Das Risiko könnte reduziert werden, erklärt der Ingenieurwissenschaftler, und gibt allen Usern einen Lösungsvorschlag: «Den Wechselrichter der PV-Anlage einfach nicht ans Internet gehen lassen.» Bei seiner Anlage hat er dafür «den WLAN Dongle (USB) einfach nicht eingestöpselt und stattdessen eine andere Open-Source-Software verwendet. Diese spricht den Wechselrichter über ein Kabel an und ich kann die Daten dann in meinem lokalen Netzwerk abrufen, völlig ohne jeden Internetzugriff.»
Und auch für die Mikrowechselrichter in Balkonkraftwerken gibt es eine einfache Lösung. Schmitz' Vorgehen: Die Internetverbindung der Geräte ebenfalls unterbinden. Stattdessen kann die Einspeiseleistung mit einem smarten Energiemessgerät lokal abgerufen werden, ohne dass der Wechselrichter jemals in das eigene Netzwerk und damit das Internet darf.
Der «Akku-Doktor», wie er auf seinem YouTube-Kanal auch heisst, empfiehlt daher, keine privaten Daten hochzuladen und Geräte möglichst nicht über das Internet zu steuern.
(t-online/dsc)