Schweiz
International

SVP und Trump: Eine Partei in Erklärungsnot

Die SVP hat viele Schuldige für die Strafzölle von 39 Prozent für die Schweiz gefunden.
Die SVP hadert mit Trumps Zollentscheid, nicht aber mit dem US-Präsidenten selbst.Bild: keystone/watson

Diese 9 Sündenböcke hat die SVP für das Zoll-Debakel auserkoren

Seit US-Präsident Donald Trump 39 Prozent Zölle auf Schweizer Produkte verhängt hat, befinden sich die Trump-Versteher der SVP in Erklärungsnot. Um das zu vertuschen, sucht die Partei Sündenböcke. Und beweist Talent, diese zu finden.
11.08.2025, 17:2511.08.2025, 18:16
Mehr «Schweiz»

39 Prozent Zölle auf Importprodukte aus der Schweiz. Das hat die US-Regierung unter Präsident Donald Trump am 1. August entschieden. Trumps Entscheid vermieste am Nationalfeiertag nicht nur der Schweizer Wirtschaft die Stimmung, sondern auch der SVP. Diese gerät seither in Erklärungsnot, haben sich in der Vergangenheit doch prominente Vertreter wie Bundesrat Albert Rösti als Trump-Fans zu erkennen gegeben.

Swiss President Karin Keller-Sutter, left, and Swiss Federal councillor Guy Parmelin, center, are greeted as they arrive at the State Department, Wednesday, Aug. 6, 2025, in Washington. (AP Photo/Mark ...
Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin reisten Ende Juli für erneute Gespräche in die USA.Bild: AP

Kritik an Trump äussert die SVP nun allerdings nicht. Auch nicht an ihrem eigenen Bundesrat Guy Parmelin, der als Wirtschaftsminister aktiv an den Verhandlungen mit den USA teilgenommen hat. Zumindest in der Theorie. Denn laut einem «Blick»-Bericht soll Parmelin in einem Mäppli Floskeln auf Englisch statt Argumente nach Washington getragen haben.

Die Partei konzentriert sich seit dem 1. August lieber darauf, ihre Liste an Schuldigen für das Zoll-Debakel auszubauen:

Die Diplomaten

Dass es der Schweiz nicht gelungen ist, mit ihren Argumenten zu Donald Trump durchzudringen, ist gemäss einer Medienmitteilung der SVP vom 7. August vollkommen nachvollziehbar: «Ganz offensichtlich sind der Bundesrat und seine Diplomaten nicht in der Lage, die Interessen der Schweiz zu wahren.»

Als Beleg dafür nennt die SVP die «katastrophalen» Verhandlungsergebnisse beim «EU-Unterwerfungsvertrag». Wie genau die Verhandlungen mit der EU und der Zollhammer zusammenhängen, das erläutert die SVP in ihrer Medienmitteilung allerdings nicht.

Bundesrat Martin Pfister

In der Medienmitteilung vom 7. August beklagt die SVP auch das Vorgehen des neusten Bundesratsmitglieds und Armeevorstehers Martin Pfister im Kontext der Beschaffung der F-35-Kampfjets.

Sie schreibt: «Dass die US-Zölle für die Schweiz derart hoch ausfallen, ist auch als Quittung für die verantwortungslose und arrogante Haltung von Mitte-Links zu werten, zumal Verteidigungsminister Martin Pfister mitten in den Verhandlungen mit den USA gefordert hatte, nur noch maximal zehn Prozent der Rüstungsgüter in den USA zu kaufen.»

Le Conseiller federal Martin Pfister arrive accompagne de Laurent Wehrli, Conseiller national a la partie officielle de la Fete Federale de Tir des Jeunes au stand de tir des Grandes Iles d?Amont, a S ...
Kaum im Amt, schon der Böse: Mitte-Bundesrat Martin Pfister.Bild: keystone

Bundesrat Ignazio Cassis

Aussenminister Ignazio Cassis soll gemäss SVP die USA verärgert haben, indem er eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten gefordert habe.

epa12293380 British Secretary of State for Foreign, Commonwealth and Development Affairs David Lammy (L) and Swiss Federal Councilor and Head of the Federal Department of Foreign Affairs Ignazio Cassi ...
Da nützt auch das Schweizerkreuz am Sakko nichts: FDP-Bundesrat Ignazio Cassis gehört zu den von der SVP auserkorenen Schuldigen.Bild: keystone

Auch diesen Sündenbock benennt die SVP in derselben Medienmitteilung wie die vorherigen beiden. Und schafft es gleichzeitig, ihren eigenen Bundesrat, der aktiv an den Verhandlungen teilgenommen hat, zu loben: «Die Verhandlungen mit den USA sind fortzusetzen. Fortzusetzen ist auch der erfolgreiche Weg von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, mit möglichst vielen Ländern Freihandelsabkommen abzuschliessen. Dies stärkt unsere Wirtschaft und macht unser Land weniger erpressbar.»

Gibt die SVP also zu, dass Trump die Schweiz erpresst? Nein. Auch an dieser Stelle spannt die Partei den Bogen zum EU-Rahmenabkommen, das es abzulehnen gelte.

Die Republikaner

Im Februar noch verglich sich SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Blick mit Donald Trump: «Wir sind ja beide Down-to-Earth-Unternehmer, die auch politisch für ihr Land das Beste wollen.» Seit dem 1. August will sich die Chefin des Chemieunternehmens Ems und Tochter des SVP-Moguls Christoph Blocher jedoch nicht mehr öffentlich zu Trump äussern.

SVP Vizepraesidentin Magdalena Martullo-Blocher, GR, rechts, und SVP Fraktionschef Thomas Aeschi, ZG, schreiten vor die Medien, um von ihrer Einsichtnahme der Textentwuerfe zum EU-Abkommen zu berichte ...
Ist jetzt ausgesprochen still: SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.Bild: keystone

Die Strategie des Schweigens kann Marcel Dettling als Präsident der SVP nicht fahren. Gegenüber Medien sagt er deshalb immer dasselbe: Er sei nie Trump-Fan gewesen, habe vor den US-Wahlen lediglich gesagt, dass die Schweiz in der Vergangenheit besser gefahren sei, wenn in den USA die Republikaner an der Macht gewesen seien. Das Problem sei nun aber, dass die Republikaner kaum noch Einfluss auf Trump hätten.

Die EU

Immerhin in der NZZ lässt SVP-Präsident Marcel Dettling Kritik an Trump durchscheinen: «Wir sind über seinen willkürlichen Zollentscheid sehr enttäuscht.» Doch auch diese Aussage kommt nicht ohne ein grosses «Aber» aus: «Aber noch enttäuschender ist, dass die Schweiz keinen Zugang zu Trump gefunden hat, um ihre Position verständlich zu erklären. Da hat unsere Diplomatie versagt, weil man sich eben lieber auf die EU konzentriert und nach Brüssel pilgert.»

SVP Nationalrat Marcel Dettling, SZ, SVP Praesident, haelt einen geschnuerten Stapel Papier, welcher die Vertraege mit der EU repraesentieren soll, sowie eine Kopie des Bundesbriefs, um gegen die Vert ...
SVP-Präsident Marcel Dettling an einer Demonstration gegen das EU-Rahmenabkommen im Juni 2025 vor dem Bundeshaus. Bild: keystone

Die Seitenhiebe gegen das EU-Rahmenabkommen sind ein sich wiederholendes Schema in der Kommunikation der SVP. Deshalb hat sich die EU ihren Platz in dieser Liste ebenfalls verdient. Mit einer stringenten Argumentationslinie, wie die EU-Verhandlungen mit US-Zöllen zusammenhängen, die auf unserem Handelsüberschuss basieren, will die Partei bislang nicht aufwarten.

Die Pharma

Auch SVP-Nationalrat Thomas Aeschi trat in der Vergangenheit als Trump-Fan in Erscheinung. Kritik am US-Präsidenten kommt ihm jetzt weiterhin nicht über die Lippen. Stattdessen äussert er im Blick Verständnis für dessen Zölle von 39 Prozent und seine Drohungen an die Adresse der Pharmahersteller. «Die Preise in den USA sind enorm hoch, der Unmut ist nachvollziehbar», sagt Aeschi. Er hoffe deshalb, dass die beiden grossen Schweizer Pharmaunternehmen Roche und Novartis bald einen Deal mit der US-Regierung finden würden.

Thomas Aeschi, SVP-ZG, rechts, und Marcel Dettling, SVP-SZ, links, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 4. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
SVP-Nationalrat und Fraktionspräsident Thomas Aeschi verliert kein böses Wort über SVP-Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin.Bild: keystone

Aeschi übergibt die Verantwortung für einen Deal mit den USA liebend gern privaten Unternehmen. Damit stellt er die Weichen, um den Pharmaunternehmen den Schwarzen Peter zuschieben zu können, falls ihre Verhandlungen ebenso scheitern werden wie jene des Bundesrats. Dies tut er, indem er sagt: «Wir sind nicht in Geiselhaft von Trump, sondern in Geiselhaft der beiden Pharmaunternehmen Roche und Novartis.»

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth

Im Februar endete ein Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus in einem Eklat. Weil Trump und sein Vize J.D. Vance ihn vor laufenden Kameras vorführten. Auf die unwürdigen Szenen reagierte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth mit einem Post auf X, in dem er schrieb: «Honestly, fuck you Mr. Trump.» Diese Zeilen lösten insbesondere in den Reihen der SVP Entsetzen aus. Partei-Vize Thomas Matter forderte gar, dass Wermuth zurücktritt.

Nun, nachdem 39 Prozent Importzölle für die Schweiz Realität geworden sind, kommen die unhöflichen Worte Wermuths der Partei jedoch gelegen. SVP-Nationalrat Andreas Glarner gab im SonnTalk bei TeleZüri Cédric Wermuth eine Mitschuld an den gescheiterten Verhandlungen. Er habe Trump beleidigt, so Glarner, der im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eine «Make America Great Again»-Kappe ersteigert hatte.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Bundespraesidentin Karin Keller-Sutter, rechts, und Bundesrat Guy Parmelin, links, erscheinen mit Urs Wiedmer, Kommunikation WBF, zu einer Medienkonferenz ueber die Handelsbeziehungen mit den USA, am  ...
An FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutters Englischkenntnissen werden die Verhandlungen nicht gescheitert sein. Keller-Sutter ist ausgebildete Dolmetscherin. Bild: keystone

Die Schweiz habe «einen Seich gemacht», führte SVP-Nationalrat Andreas Glarner im SonnTalk am Wochenende aus. Dann zählte er indirekt eine weitere Schuldige auf: FDP-Bundesrätin und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. An ihrer Stelle hätte besser ein Wirtschaftsführer nach Washington an die Verhandlungsgespräche reisen sollen. Nämlich SVP-Doyen Christoph Blocher.

Bundesrat Beat Jans

Die wohl grösste Kreativität hat letzten Endes allerdings SVP-Nationalrat Franz Grüter an den Tag gelegt, um einen Schuldigen zu finden. Nämlich: SP-Bundesrat Beat Jans. Dieser solle zusammen mit Bundesrat Ignazio Cassis die Verhandlungen mit den USA bewusst ausgebremst haben, um den EU-Rahmenverträgen zum Durchbruch zu verhelfen, so Grüter im Nebelspalter.

Nationalrat Franz Grueter, SVP-LU, links, spricht neben Nationalrat Gerhard Andrey, GP-FR, rechts, waehrend einer Medienkonferenz der ueberparteilichen Parlamentariergruppe ueber das neue E-ID-Gesetz, ...
SVP-Nationalrat Franz Grüter sieht Zusammenhänge, die sonst niemand sieht.Bild: KEYSTONE

Belege, die diese Theorie untermauern würden, kann der «Nebelspalter» nicht liefern. Und auch der selbst ernannte «grösste Trump-Fan im Bundeshaus» Grüter nicht.

Was hältst du von der Sündenbock-Strategie der SVP?
An dieser Umfrage haben insgesamt 5614 Personen teilgenommen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Menschen, die sich tatsächlich Donald Trump tätowierten
1 / 26
Menschen, die sich tatsächlich Donald Trump tätowierten
Wenn du Fan von Trump und den Philadelphia Eagles bist.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Bundesrat Albert Rösti: «Ich habe nicht erwartet, dass Trump einen Zollstreit entfacht»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
285 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Verbesserer
11.08.2025 17:39registriert Mai 2020
So funktionieren alternative Fakten, wenn das Wunschresultat der SVP nicht in Erfüllung geht. Es sind immer die anderen schuld. Ich frage mich, wer kann diese Partei noch ernst nehmen.
56926
Melden
Zum Kommentar
avatar
Massalia
11.08.2025 17:48registriert Juni 2021
Die SVP wollte doch Trump, ihren rechtspopulistischen Bruder im Geiste. Jetzt haben wir ihn.

Hinstehen und Verantwortung übernehmen konnte die SVP noch nie. Nur haltlose Schuldzuweisungen und Sündenböcke erfinden. Sowas von peinlich.

Und da gibt es doch tatsächlich 30% Wahlberechtigte, die so etwas wählen. Unverständlich.
48525
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hänsel Thunberg
11.08.2025 17:46registriert August 2021
Die Pharmabranche könnte die Ertragsausfälle damit kompensieren, dass sie der SVP ab sofort keine Spenden mehr geben (sofern sie es bisher getan haben).
30418
Melden
Zum Kommentar
285
Um Trump zu gefallen: Schweizer Militärverbände fordern Kauf von noch mehr F-35-Kampfjets
Der Bundesrat will den USA offenbar mit dem Kauf zusätzlicher Rüstungsgüter im Zollstreit entgegenkommen. Ein guter Plan, finden die militärischen Gesellschaften. Aus ihrer Sicht sollte die Schweiz den USA insbesondere beim Kampfjet F-35 entgegenkommen.
Wie soll die Schweiz auf den US-Zollhammer reagieren? Für die Linken steht fest: Der Bundesrat muss kontern – und den Kauf der F-35-Kampfjets aus US-Produktion stornieren. Aber auch im bürgerlichen Lager gibt es Stimmen, die laut über eine rüstungspolitische Retourkutsche der Schweiz nachdenken.
Zur Story