39 Prozent Zölle auf Importprodukte aus der Schweiz. Das hat die US-Regierung unter Präsident Donald Trump am 1. August entschieden. Trumps Entscheid vermieste am Nationalfeiertag nicht nur der Schweizer Wirtschaft die Stimmung, sondern auch der SVP. Diese gerät seither in Erklärungsnot, haben sich in der Vergangenheit doch prominente Vertreter wie Bundesrat Albert Rösti als Trump-Fans zu erkennen gegeben.
Kritik an Trump äussert die SVP nun allerdings nicht. Auch nicht an ihrem eigenen Bundesrat Guy Parmelin, der als Wirtschaftsminister aktiv an den Verhandlungen mit den USA teilgenommen hat. Zumindest in der Theorie. Denn laut einem «Blick»-Bericht soll Parmelin in einem Mäppli Floskeln auf Englisch statt Argumente nach Washington getragen haben.
Die Partei konzentriert sich seit dem 1. August lieber darauf, ihre Liste an Schuldigen für das Zoll-Debakel auszubauen:
Dass es der Schweiz nicht gelungen ist, mit ihren Argumenten zu Donald Trump durchzudringen, ist gemäss einer Medienmitteilung der SVP vom 7. August vollkommen nachvollziehbar: «Ganz offensichtlich sind der Bundesrat und seine Diplomaten nicht in der Lage, die Interessen der Schweiz zu wahren.»
Als Beleg dafür nennt die SVP die «katastrophalen» Verhandlungsergebnisse beim «EU-Unterwerfungsvertrag». Wie genau die Verhandlungen mit der EU und der Zollhammer zusammenhängen, das erläutert die SVP in ihrer Medienmitteilung allerdings nicht.
In der Medienmitteilung vom 7. August beklagt die SVP auch das Vorgehen des neusten Bundesratsmitglieds und Armeevorstehers Martin Pfister im Kontext der Beschaffung der F-35-Kampfjets.
Sie schreibt: «Dass die US-Zölle für die Schweiz derart hoch ausfallen, ist auch als Quittung für die verantwortungslose und arrogante Haltung von Mitte-Links zu werten, zumal Verteidigungsminister Martin Pfister mitten in den Verhandlungen mit den USA gefordert hatte, nur noch maximal zehn Prozent der Rüstungsgüter in den USA zu kaufen.»
Aussenminister Ignazio Cassis soll gemäss SVP die USA verärgert haben, indem er eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten gefordert habe.
Auch diesen Sündenbock benennt die SVP in derselben Medienmitteilung wie die vorherigen beiden. Und schafft es gleichzeitig, ihren eigenen Bundesrat, der aktiv an den Verhandlungen teilgenommen hat, zu loben: «Die Verhandlungen mit den USA sind fortzusetzen. Fortzusetzen ist auch der erfolgreiche Weg von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, mit möglichst vielen Ländern Freihandelsabkommen abzuschliessen. Dies stärkt unsere Wirtschaft und macht unser Land weniger erpressbar.»
Gibt die SVP also zu, dass Trump die Schweiz erpresst? Nein. Auch an dieser Stelle spannt die Partei den Bogen zum EU-Rahmenabkommen, das es abzulehnen gelte.
Im Februar noch verglich sich SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Blick mit Donald Trump: «Wir sind ja beide Down-to-Earth-Unternehmer, die auch politisch für ihr Land das Beste wollen.» Seit dem 1. August will sich die Chefin des Chemieunternehmens Ems und Tochter des SVP-Moguls Christoph Blocher jedoch nicht mehr öffentlich zu Trump äussern.
Die Strategie des Schweigens kann Marcel Dettling als Präsident der SVP nicht fahren. Gegenüber Medien sagt er deshalb immer dasselbe: Er sei nie Trump-Fan gewesen, habe vor den US-Wahlen lediglich gesagt, dass die Schweiz in der Vergangenheit besser gefahren sei, wenn in den USA die Republikaner an der Macht gewesen seien. Das Problem sei nun aber, dass die Republikaner kaum noch Einfluss auf Trump hätten.
Immerhin in der NZZ lässt SVP-Präsident Marcel Dettling Kritik an Trump durchscheinen: «Wir sind über seinen willkürlichen Zollentscheid sehr enttäuscht.» Doch auch diese Aussage kommt nicht ohne ein grosses «Aber» aus: «Aber noch enttäuschender ist, dass die Schweiz keinen Zugang zu Trump gefunden hat, um ihre Position verständlich zu erklären. Da hat unsere Diplomatie versagt, weil man sich eben lieber auf die EU konzentriert und nach Brüssel pilgert.»
Die Seitenhiebe gegen das EU-Rahmenabkommen sind ein sich wiederholendes Schema in der Kommunikation der SVP. Deshalb hat sich die EU ihren Platz in dieser Liste ebenfalls verdient. Mit einer stringenten Argumentationslinie, wie die EU-Verhandlungen mit US-Zöllen zusammenhängen, die auf unserem Handelsüberschuss basieren, will die Partei bislang nicht aufwarten.
Auch SVP-Nationalrat Thomas Aeschi trat in der Vergangenheit als Trump-Fan in Erscheinung. Kritik am US-Präsidenten kommt ihm jetzt weiterhin nicht über die Lippen. Stattdessen äussert er im Blick Verständnis für dessen Zölle von 39 Prozent und seine Drohungen an die Adresse der Pharmahersteller. «Die Preise in den USA sind enorm hoch, der Unmut ist nachvollziehbar», sagt Aeschi. Er hoffe deshalb, dass die beiden grossen Schweizer Pharmaunternehmen Roche und Novartis bald einen Deal mit der US-Regierung finden würden.
Aeschi übergibt die Verantwortung für einen Deal mit den USA liebend gern privaten Unternehmen. Damit stellt er die Weichen, um den Pharmaunternehmen den Schwarzen Peter zuschieben zu können, falls ihre Verhandlungen ebenso scheitern werden wie jene des Bundesrats. Dies tut er, indem er sagt: «Wir sind nicht in Geiselhaft von Trump, sondern in Geiselhaft der beiden Pharmaunternehmen Roche und Novartis.»
Im Februar endete ein Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus in einem Eklat. Weil Trump und sein Vize J.D. Vance ihn vor laufenden Kameras vorführten. Auf die unwürdigen Szenen reagierte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth mit einem Post auf X, in dem er schrieb: «Honestly, fuck you Mr. Trump.» Diese Zeilen lösten insbesondere in den Reihen der SVP Entsetzen aus. Partei-Vize Thomas Matter forderte gar, dass Wermuth zurücktritt.
Nun, nachdem 39 Prozent Importzölle für die Schweiz Realität geworden sind, kommen die unhöflichen Worte Wermuths der Partei jedoch gelegen. SVP-Nationalrat Andreas Glarner gab im SonnTalk bei TeleZüri Cédric Wermuth eine Mitschuld an den gescheiterten Verhandlungen. Er habe Trump beleidigt, so Glarner, der im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eine «Make America Great Again»-Kappe ersteigert hatte.
Die Schweiz habe «einen Seich gemacht», führte SVP-Nationalrat Andreas Glarner im SonnTalk am Wochenende aus. Dann zählte er indirekt eine weitere Schuldige auf: FDP-Bundesrätin und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. An ihrer Stelle hätte besser ein Wirtschaftsführer nach Washington an die Verhandlungsgespräche reisen sollen. Nämlich SVP-Doyen Christoph Blocher.
Die wohl grösste Kreativität hat letzten Endes allerdings SVP-Nationalrat Franz Grüter an den Tag gelegt, um einen Schuldigen zu finden. Nämlich: SP-Bundesrat Beat Jans. Dieser solle zusammen mit Bundesrat Ignazio Cassis die Verhandlungen mit den USA bewusst ausgebremst haben, um den EU-Rahmenverträgen zum Durchbruch zu verhelfen, so Grüter im Nebelspalter.
Belege, die diese Theorie untermauern würden, kann der «Nebelspalter» nicht liefern. Und auch der selbst ernannte «grösste Trump-Fan im Bundeshaus» Grüter nicht.
Hinstehen und Verantwortung übernehmen konnte die SVP noch nie. Nur haltlose Schuldzuweisungen und Sündenböcke erfinden. Sowas von peinlich.
Und da gibt es doch tatsächlich 30% Wahlberechtigte, die so etwas wählen. Unverständlich.