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Oprah Winfrey hat eine neue Doku-Soap: Mit, über und vor allem trotz Lindsay Lohan

Lindsay Lohan erklärt ihre Welt.Bild: XPOSURE USA DUKAS
Der Wahnsinn heisst LiLo

Oprah Winfrey hat eine neue Doku-Soap: Mit, über und vor allem trotz Lindsay Lohan

11.03.2014, 16:2311.03.2014, 16:41
Simone Meier
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Erst jetzt wird klar, wie anstrengend Lindsay Lohan wirklich ist. Wie egoman. Wie unlenkbar. Wie vollkommen süchtig nach sich selbst. Wie gierig danach, jede Form von Ordnung zu zerstören. Und dabei behauptet sie, dass sie für sich selbst nach nichts anderem als Ruhe und Ordnung sucht.

Lindsay Lohan, 27, Schauspielerin und Medienphänomen, verdiente bereits mit 18 als Disney-Starlet 7 Millionen Dollar pro Film verdiente und war in den letzten sechs Jahren schon sechsmal in der Rehab war. Sie ist exzessiv in jeder Hinsicht und lebt für uns ein Leben in Zeitraffer, immer wieder, hemmungslos, schonungslos und manchmal schamlos schön. 

Amerikas Paparazzi ernähren sich von ihr. Sie sind allerdings die einzigen, die noch an ihr verdienen, für die andern erweist sie sich zuerst als Nerven- dann als Kassengift. Der Hollywoodregisseur Paul Schrader und der Schriftsteller Bret Easton Ellis bekamen dies 2013 besonders schmerzhaft zu spüren: ihr Film «The Canyons», eine nostalgische, bittere und brutale Parabel auf das Verschwinden des alten Hollywoods in der Netzkultur unserer Tage, wurde zum Desaster. Weil sich Schraders Supercelebrity Lindsay Lohan weigerte, irgendeine Art von Werbung für den Film zu machen. Weil ihr der Zeitpunkt gerade nicht passte. Weil sie und ihr «Nüchternheits-Coach», der sie seit ihrem letzten Entzug begleitet, fanden, sie müsse sich jetzt endlich mal um sich selbst kümmern und dürfe unter keinen Umständen nach London oder gar ans Filmfestival von Venedig fahren.

So müde macht Berühmtsein.Bild: XPOSURE USA DUKAS

Die beiden beschlossen dies in einem Hotelzimmer in New York, auf einer Couch selbstverständlich, denn schliesslich finden therapieähnliche Gespräche am besten auf Sofas statt. Natürlich taten sie dies nicht einfach so, sondern vor laufender Kamera. Die Kamera wiederum gehört nicht zu irgendwem, sondern zur Dokumentarfilmerin Amy Rice, die schon substanzielle Filme über Obama und Romney drehte und daneben Drehbücher für die TV-Serie «The Newsroom» schreibt. Jetzt hat sie ihre Seele verkauft, nicht nur an Lindsay Lohan, sondern auch Oprah Winfrey, auf deren Kanal OWN die Reality-Serie «Lindsay» am Sonntagabend angelaufen ist. Oprah, diese versierte Chefbuchhalterin der televisionären Tränen.

Eine junge Frau als «Wrecking Ball»

Oprah hatte im vergangenen Sommer ein grosses Interview mit Lindsay ausgestrahlt, 900'000 hatten zugeschaut. «Lindsay», die Serie, ist der Versuch, an dieses Interview anzuschliessen. Oprah scheiterte, bloss 693'000 mochten sich dies am Sonntagabend zumuten. Zum Vergleich: Das Staffelfinale von «True Detective» mit Oscargewinner Matthew McConaughey fesselte 3,5 Millionen, die aktuelle Folge von «The Walking Dead» 12,7 Millionen.

Interessant war es trotzdem. Weil sich Lindsay Lohan als Hohepriesterin der amerikanischen Rehab-Kultur und zugleich als radikale Anarchistin gebärdete. Man könnte auch sagen: Als grösste Egomanin, die das Showbusiness derzeit kennt. Gefeit gegen jeden Vernunftgedanken. Gefangen in einer Wolke aus Ich. Verständlich, bis zu einem gewissen Grad, denn Lindsay Lohan ist eine junge Frau, die weder Kindheit, noch Jugend, noch ein intaktes Zuhause gekannt hat. Die seit ihrem dritten Lebensjahr die Familie ernährte und als Teenager über all den Millionen jeden Rest an Fassung verlor.

Schmuck sortieren im Hotelzimmer.
Schmuck sortieren im Hotelzimmer.Bild: XPOSURE USA DUKAS

Ein Wrack ist sie trotzdem nicht, das zeigt «Lindsay» sehr deutlich. Ein «Wrecking Ball», die viel zitierte Abrissbirne der letzten Monate, ist sie auf jeden Fall. Eine Hölle auf High Heels. Scheinbar zahm begibt sie sich in die Hände von Oprah Winfrey, die verspricht, eine strenge Lebenskorrektorin zu sein, falls Lindsay über die Stränge schlagen sollte. «Ehrlich und offen» wolle sie sich zeigen, verspricht Lindsay – und nichts anderes tut sie schliesslich. Mit aller Macht. Und je länger wir zuschauen, desto irrer wird ihre Definition von Ehrlichkeit.

Der Werbefilmer, der ihr vorschlägt, in einem Lingerie-Spot nicht nur eine Sexbombe, sondern eine «Intellektuelle» zu spielen, ist ein «Lügner», der sich nicht an den Vertag hält. Sprunghaft steigt sie aus fixen Vereinbarungen aus. Plötzlich fällt ihr ein, dass sie ihr Hotelzimmer wechseln will, ihr Assistent zügelt den Inhalt einer Einzimmerwohnung von einer Suite in die andere.  «Ich höre in deiner Stimme keine Dringlichkeit!» beschimpft sie ihren Immobilienmakler. Es darf kein Alkohol in ihrer Nähe sein, denn ihr Körper ist zwar entwöhnt, aber ihr Geist fragil. Vor dem Hotel warten derweil vierzig glückliche Paparazzi, einer zeigt seine fette goldene Uhr: «Die hat Lindsay Lohan bezahlt.» 

Der Petersdom des Medienzeitalters

Immer wieder betont sie, dass es ihr einzig um ihre geistige Gesundheit gehe und dass diese auch das einzige Anliegen ihres Umfelds zu sein habe. Was sie in all ihren Klinikaufenthalten gelernt hat, ist, sich selbst als gefährdete Existenz zu begreifen, als Frau, deren grösster Feind sie selbst werden kann. Ein Suicide-Bomber gewissermassen. Fähig, sich selbst und mit sich ein paar andere privat wie professionell ins Verderben zu reissen.

Es sei die «Definition von Wahnsinn, dasselbe immer und immer wieder zu tun», sagt Lindsay. Sie macht es trotzdem. Denn ein Aufenthalt in einer Entzugsklinik ist in Amerika das Pendant zur kirchlichen Beichte. Wer in die Rehab geht, leistet öffentlich Abbitte und bereut. Die Betty Ford Klinik ist der Petersdom des Medienzeitalters. Amerikas Öffentlichkeit ist Gott, die Rehab seine Kirche.

Ein selten vergnügter Moment.
Ein selten vergnügter Moment.Bild: XPOSURE USA DUKAS

Schenkt man Bret Easton Ellis Glauben, so ist Lindsay Lohan nie wirklich ohne Alkohol, nie wirklich ohne Kokain. Aber sie spielt das Spiel vom Sündenfall und der Absolution perfekt. Und immer von Neuem. Und auch wenn Oprah Winfrey mit aufgerissenen Augen das Gegenteil behauptet: Natürlich hat die milliardenschwere Medien-Unternehmerin exakt darauf gesetzt. Darauf, dass das wilde Kind von Hollywood Belege liefert für seinen Ruf als schöne Selbstzerstörerin. Denn nichts lieben die Medien mehr. Und Lindsay liefert.

In der Vorschau auf kommende Folgen ist gar eine Szene angedeutet, die nach einem Suizid-Versuch aussieht. «Die Geier warten darauf, deine Knochen abzunagen», warnt Oprah. Und ist von allen Geiern der grösste.

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