Während in Westafrika die Ebola-Epidemie grassierte, brach der Rest des Gesundheitssystems zusammen. Frauen fehlten Hebammen, um ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Malariakranke bekamen keine Behandlung. Und Kinder wurden nicht geimpft.
Aktuell pendeln die Zahlen neuer Ebola-Fälle in Sierra Leone und Guinea auf einem niedrigen Niveau, in Liberia wurde jüngst sogar der vorerst letzte bestätigte Ebola-Patient aus dem Krankenhaus entlassen. Doch kaum dass die eine Katastrophe endet, könnten die Spätfolgen der schlechten Gesundheitsversorgung zu einer weiteren führen - einer verheerenden Masern-Epidemie.
Laut den Berechnungen eines Forscherteams um Saki Takahashi von der Princeton University würden in den drei Ländern heute etwa 100'000 mehr Menschen bei einem Masern-Ausbruch erkranken als vor der Ebola-Epidemie. Während die Forscher zuvor mit 127'000 Infizierten gerechnet hatten, schätzen sie die Zahl 18 Monate später auf 227'000.
Damit würde auch die Zahl der Toten steigen. Etwa 5000 mehr Menschen würden laut den Ergebnissen an den Folgen der Masern sterben.
«Ebola zu stoppen, wäre ein Triumph», schreiben die Forscher im Wissenschaftsjournal «Science». «Doch selbst nachdem sich der letzte Ebola-Patient erholt hat, könnte die Zerrüttung des lokalen Gesundheitssystems zu einer zweiten Krise mit einer Infektionskrankheit führen, die so viele Menschen, wenn nicht sogar mehr, töten könnte wie der ursprüngliche Ausbruch.»
Am Donnerstag veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die aktuellen Zahlen zu den Todesopfern der Epidemie: Bis 10. März seien 10'004 Menschen in den drei am schwersten betroffenen Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia an Ebola gestorben.
Die Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten überhaupt: Ein Niesen reicht aus, um die Viren – in Tröpfchen verpackt – von einem Menschen zum anderen zu tragen. Dann kann es neben hohem Fieber und dem Hautausschlag zu schweren Komplikationen wie zum Beispiel einer Gehirnentzündung kommen.
Selbst in entwickelten Ländern sterben ein bis drei von 1000 Infizierten an den Folgen der Krankheit. Noch deutlich höher ist das Risiko, wenn die Betroffenen wie viele Menschen in den Ebola-Gebieten unterernährt sind und an einem Vitamin-A-Mangel leiden. Dann überlebt laut der WHO bis zu jeder Zehnte die Infektion nicht.
In den letzten Monaten, schätzen die Forscher, wurden in Sierra Leone, Liberia und Guinea etwa 75 Prozent weniger Kinder geimpft als vor der Ebola-Epidemie. Um zu verhindern, dass es zu einer weiteren Katastrophe kommt, fordern die Forscher vor allem eins: umfassende, regionale Impfprogramme, die sofort beginnen, sobald die Ebola-Gefahr endgültig gebannt ist.
«Die Planung sollte jetzt starten», schreiben die Forscher. Um dem Masern-Ausbruch auch wirklich zuvorzukommen.
irb