Die NHL-Profis spielten zum ersten Mal 1998 in Nagano auf der olympischen Bühne. Die Kanadier und die Amerikaner galten als haushohe Favoriten. Das Turnier gewannen die Tschechen. In den entscheidenden Partien – gegen Kanada (2:1 nach Penalties) und im Finale (1:0 gegen Russland) – spielten sie so wie die Schweizer in den ersten drei Partien hier in Sotschi gegen Lettland (1:0), Schweden (0:1) und Tschechien (1:0).
Die Kanadier scheiterten damals im Halbfinale an Torhüter Dominik Hasek – im Stil eine unruhige Variante von Jonas Hiller. Die Partie endete 1:1 und im Penaltyschiessen gewannen die Tschechen 1:0. Im Finale triumphierten sie gegen die offensiv viel spektakuläreren Russen (sie hatten das Halbfinale gegen Finnland 7:4 gewonnen) 1:0.
Die Kanadier scheiterten damals mit einer der nominell offensivsten Nationalmannschaften der Hockeygeschichte – mit Wayne Gretzky, Steve Yzerman, Eric Lindros, Joe Nieuwendyk, Joe Sakic und Theo Fleury. An der Bande stand der aktuelle ZSC-Cheftrainer Marc Craword. Bis heute haben ihm die kanadischen Hockey-Gralshüter nicht verziehen, dass er im Penaltyschiessen Wayne Gretzky, den Grössten aller Zeiten, auf der Bank liess. Theo Fleury, Ray Bourque, Joe Nieuwendyk und Eric Lindros scheiterten an Dominik Hasek. Robert Reichel traf für die Tschechen via Pfosten.
Warum sollte es also uns nicht möglich sein, gegen die Kanadier in die Verlängerung zu kommen. Wir besiegten die kanadischen NHL-Profis 2006 in Turin 2:0 (mit Torhüter Martin Gerber) und verloren 2010 in Vancouver erst nach Penalties 2:3. Jonas Hiller hatte 44 Schüsse gehalten. Sidney Crosby versenkte den entscheidenden Penalty.
Damals war Torhüter Jonas Hiller erst ein sehr guter Goalie. Nun ist er vier Jahre später ein grosser Goalie. Einer der besten der Welt. So gut wie Dominik Hasek 1998. Und er ist jetzt nur ein Jahr jünger als damals Hasek.
Dominik Hasek war 1998 die zentrale Figur der Tschechen. Jonas Hiller kann 2014 die Schweizer zu einer Medaille hexen. Auch wenn Nationaltrainer Sean Simpson sich in der Goaliefrage noch nicht festlegt, so ist doch klar: Gegen die Kanadier wird im Viertelfinal Jonas Hiller spielen. Nicht Reto Berra.
Zum zweiten Mal nach der silbernen WM von Stockholm stehen die Schweizer bei einem Titelturnier gegen jeden Gegner auf Augenhöhe: Die jahrzehntelangen Mängel im physischen, läuferischen und technischen Bereich gibt es nicht mehr. Taktisch sind wir schon seit Jahren auf höchstem Weltniveau.
Doch zuerst müssen die Schweizer das Achtelfinale gegen Lettland gewinnen. Im ersten Gruppenspiel haben wir gegen diesen Gegner durch ein Tor 7,9 Sekunden vor Schluss 1:0 gewonnen.
Die Letten haben auch gegen Tschechien (2:4) und Schweden (3:5) verloren. Alles andere als ein Sieg wäre eine bittere Enttäuschung für die Schweiz und würde das Selbstverständnis unseres Hockeys in den Grundfesten erschüttern. Ja, es wäre die Mutter aller Niederlage seit der Amtsübernahme von Sean Simpson vor der WM 2010. Der Eisberg, der unsere Hockey-Titanic versenkt. Einer der Schweizer, dessen Name mir gerade entfallen ist, warnt vor Überheblichkeit: «Die Letten sind nicht bloss die Lakers …»