Bei Zusammenstössen mit der Polizei sind am 1. Mai in Istanbul nach Angaben von regierungskritischen Anwälten 50 Demonstranten verletzt worden. In Istanbul seien rund 170 und in Ankara 76 Demonstranten festgenommen worden, teilte die Anwaltsvereinigung CHD mit.
Die türkische Polizei ist mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen Hunderte Demonstranten vorgegangen. Diese versuchten trotz eines Demonstrationsverbots auf den symbolträchtigen Taksim-Platz zu gelangen.
Demonstranten hätten Polizisten mit Molotow-Cocktails und Schleudern angegriffen, berichteten örtliche Medien. In der Nähe des Taksim errichteten sie Barrikaden und warfen mit Pflastersteinen. Bis zum Mittag gelang es ihnen aber nicht, auf den Platz vorzudringen.
Die Behörden hatten 1.-Mai-Demonstrationen auf dem symbolträchtigen Platz im Herzen der türkischen Metropole untersagt. Gewerkschaften, linke Gruppen und andere Regierungskritiker reifen dennoch dazu auf, auf den Taksim zu kommen. Medienberichten zufolge sind rund 40'000 Polizisten in Istanbul im Einsatz, knapp die Hälfte von ihnen rund um den Taksim. Amnesty International kritisierte den Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas durch die Polizei in Istanbul als «verwerflich».
Der Platz, der angrenzende Gezi-Park und die Zufahrtsstrassen sind mit Absperrgittern abgeriegelt. Die Fussgängerzone Istaklal Caddesi, die vom Taksim-Platz abgeht, ist ebenfalls gesperrt.
Auch ausländischen Reisenden wird der Zutritt verwehrt. Verzweifelte Touristen versuchten, zu ihren Hotels oder zu Flughafenbussen zu gelangen, die in der Nähe des Taksim-Platzes abfahren.
Die Behörden haben den Betrieb der Bosporus-Fähren zwischen Asien und Europa, der Metro, der Trams und der Nahverkehrsbusse eingeschränkt. Damit soll es für Demonstranten schwieriger werden, zum Taksim-Platz zu gelangen.
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor dem Maifeiertag mehrfach betont, die Regierung werde Demonstrationen zum Tag der Arbeit auf dem Taksim-Platz nicht dulden. Vom Platz waren im vergangenen Sommer die Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung ausgegangen, die sich dann auf das ganze Land ausdehnten.
Im vergangenen Jahr hatte es dort bei der 1.-Mai-Demonstration gewaltsame Zusammenstösse mit der Polizei gegeben. Im Sommer war der Platz zudem Schauplatz von Protesten gegen die geplante Zerstörung des angrenzenden Gezi-Parks.
Angesichts des brutalen Vorgehens der Polizei und der unnachgiebigen Haltung der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan weiteten sich die Proteste rasch zu einer landesweiten Bewegung aus, die sich allgemein gegen die autoritäre Politik der Regierung und ihre Versuche zur Einschränkung der Freiheit richteten. (rar/sda/dpa)