Warum braucht jeder Protest eine junge, schöne, weibliche Ikone?
Ein Video mit dem Titel «I Am a Ukranian» verbreitet sich derzeit viral im Internet. Darin appelliert eine junge Frau in Kiew an die Weltgemeinschaft, ihren Freiheitskampf zu unterstützen. Das Video ist auf YouTube bereits über fünf Millionen Mal angeklickt worden.
Wo immer auf der Welt demonstriert wird, wird irgendwann eine Frau zur Ikone der Proteste erklärt.
Neda Soltani, Tehran, 2009
Bilder entwickeln in solchen Situationen eine besondere Macht: Sie definieren Aggressor und Opfer und können so einen beliebig komplexen Konflikt auf einen Kampf von Gut gegen Böse reduzieren.
Die «Frau im blauen BH», Kairo, 2011
Die Wahrnehmung der Frau als das schwache Geschlecht verstärkt den Eindruck der übermächtigen, brutalen Staatsgewalt.
Ceyda Sungur, die «Frau im roten Kleid», Istanbul, 2013
Weiter fällt auf, dass die Ikonisierung offenbar nur bei attraktiven Frauen funktioniert. Man könnte sich fragen, ob Andrea Stauffacher unter anderen Umständen mehr Sympathie in der Bevölkerung geniessen würde.
Andrea Stauffacher (Schwarzer Block), Zürich, 2008
Ganz so einfach ist es zum Glück aber nicht: Obwohl sie jung und hübsch war, bleibt Gudrun Ensslin eine verhasste RAF-Terroristin.
Gudrun Ensslin (Rote Armee Fraktion), Frankfurt, 1968
Überhaupt ist die Idee alles andere als neu: Eugène Delacroixs berühmtes Gemälde «La Liberté guidant le peuple» entstand 1830 anlässlich der Julirevolution.
