Man stülpt ihnen schalldichte Kopfhörer auf, legt ihnen eine Augenbinde an und gibt ihnen Kleidung, die es unmöglich macht, Oberflächen zu ertasten: Stunden- oder gar tagelang nichts sehen, hören oder spüren zu können, macht Menschen wahnsinnig – und bricht ihren Willen. Sie beginnen nach ein bis zwei Tagen zu halluzinieren, drehen durch.
Ideal für Verhöre mit widerspenstigen Gefangenen, dachte sich offenbar die CIA: Seit Jahrzehnten findet sich das Experiment als sogenannte «Alice im Wunderland»-Technik im Verhör-Lehrbuch des US-Geheimdienstes CIA wieder. Die Grundlage schufen Psychologen mit ihrer Forschung.
Seit der Bericht über die Folterverhöre der CIA veröffentlicht wurde, ist jedoch klar, dass die Psychologie der CIA nicht nur als Inspiration für Verhörtechniken diente. Zwei Psychologen waren an der Optimierung solcher Verhörweisen beteiligt, sie haben damit Millionen verdient – und sie haben sie auch eigens ausprobiert. Die intensive Mitarbeit der beiden CIA-Psychologen James Mitchell und Bruce Jessen ist aber nur die Spitze des Eisbergs.
Von fragwürdigen Psychologen entwickelte Vernehmungstechniken haben Schläge, Tritte oder andere körperliche Gewalt ersetzt – aus gutem Grund: «Folter ist nach allen internationalen Rechtsnormen absolut und ohne jede Einschränkung verboten», sagt der Psychologe Rainer Mausfeld, Professor an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Wenn man sich ihrer dennoch weiter bedienen wolle, müsse man Methoden finden, die für die Öffentlichkeit nicht so leicht als Folter erkennbar seien – «die sogenannte Weisse Folter».
Dazu gehörten tagelanger Schlafentzug, stundenlange Beschallung durch laute Rockmusik oder das Stehen in einer unangenehmen Position über lange Zeit. Diese Methoden wirkten für sich allein nicht so drastisch wie körperliche Gewalt, erklärt Mausfeld. Aber in der Kombination und hoher Dosis zielten sie darauf ab, den Menschen als Person zu zerstören: «Die innere Substanz stirbt, aber die Hülle bleibt unversehrt.»
Psychologen und ihre Erkenntnisse spielen in den Verhörtechniken der CIA eine zentrale Rolle, wie Mausfelds Recherchen ergaben. Ein Beispiel: Der renommierte Verhaltensforscher Martin Seligman und seine Experimente an Hunden.
Seligman hatte den Tieren immer wieder leichte Elektroschocks versetzt, gegen die sie sich nicht wehren konnten. Als sie danach in einer Box sassen, aus der sie einfach nur hätten hinausspringen müssen, wenn ihnen wieder einen Schock versetzt wurde, blieben sie wimmernd darin zurück. Ihr Widerstand war gebrochen, die Theorie der «erlernten Hilflosigkeit» geboren.
Die Experimente fanden zwar schon Ende der 1960er Jahre statt, umfassend referiert hat Seligman darüber aber 2002 bei einem Symposium zu «innovativen Verhörmethoden» des Pentagon und der CIA. Auch anwesend: die CIA-Psychologen Mitchell und Jessen. Sie entwickelten daraufhin die sogenannte Hundebox, in der die Gefangenen zusammengekauert eingesperrt wurden – tagelang.
Seligman ist ranghohes Mitglied des US-amerikanischen Psychologenverbandes, der American Psychological Association (APA), die als Vorbild für Psychologenverbände weltweit gilt. Er ist nicht der einzige Psychologe von solchem Rang, der an der Entwicklung von Foltermethoden mitwirkte. Auch der ehemalige Präsident der APA, Joseph Matarrazo, war an der Firma von Mitchell und Jessen beteiligt, die die Foltermethoden für die CIA entwickelte, und arbeitete selbst für den Geheimdienst.
Der Psychotherapeut John Leso, auch APA-Mitglied, war Supervisor für die Verhöre des nun seit zehn Jahren inhaftierten Mohamed al-Qahtani. Amnesty International berichtet, dass während der Verhöre 2002 unentwegt laute Geräusche in al-Qahtanis Zelle drangen, diese durchgehend hell beleuchtet war, er stundenlang in unbequemen Positionen verharren musste, er mit Hunden eingeschüchtert und gezwungen wurde, lange Zeit nackt zu sein. Im gleichen Jahr lockerte die APA zudem ihre Ethik-Richtlinie. Wer in Konflikt stehe zwischen dem Ethik-Code des Verbandes und einer gesetzlichen Anweisung, könne letzterer folgen.
«Psychologen haben sich dreifach schuldig gemacht», sagt Mausfeld. Sie hätten an der Entwicklung der verwendeten Foltermethoden mitgewirkt und seien auch an ihrer Umsetzung beteiligt gewesen. «Schliesslich haben Vertreter der APA die Verhörmethoden der CIA und die Beteiligung von Psychologen daran noch gerechtfertigt.»
Doch warum? Waren den Psychologen ihre eigenen Ethikvorgaben egal? Wohl nicht, wie Mausfeld erklärt: «Menschen, die so handeln, sind oft überzeugt, dass die Verletzung etablierter ethischer Standards und Rechtsnormen und eigener moralischer Werte dann gerechtfertigt ist, wenn man sie glauben macht, dass höhere Zwecke dies erfordern.» So hätten Psychologen ihre berufsethische Verpflichtung, Schaden vom Einzelnen abzuwenden, der vermeintlich patriotischen Verpflichtung untergeordnet, durch Folter Schaden von der Nation abzuwenden. Sie hielten dann ihr Tun für gerechtfertigt und sähen darin nichts Verwerfliches.
Tatsächlich liess der Sprecher der APA-Ethikkommission, Stephen Behnke, 2006 verlauten, dass es ein wertvoller Beitrag gewesen sei, dem Verhörpersonal des Militärs zu helfen. Schliesslich hätte man damit Terrorismus vorgebeugt. Es sei unethisch und unmoralisch, die Rechte Einzelner über das zu stellen, was für die Gemeinschaft am besten sei, rechtfertige APA-Mitglied Bryce Lefever die Haltung der Gesellschaft noch 2009.
Im November 2014 hat der Verband eine unabhängige Untersuchung seiner Verwicklung mit den Verhörtechniken der CIA angekündigt, wie die New York Times berichtet. Kurz nachdem das Buch Pay Any Price erschienen ist, das unter anderem die Verbindungen der Psychologenvereinigung mit dem Folterskandal noch einmal durch E-Mail-Konversationen zwischen ranghohen Forschern und der CIA bestätigt.