Es geht heute vor dem Bezirksgericht um nichts Geringeres als um die Frage, ob die Staatsanwaltschaft Zürich I. die geltende Strafprozessordnung umgangen hat. Denn im Verfahren gegen Iris Ritzmann, die wegen Amtsgeheimnisverletzung angeklagt ist, muss zuerst die Frage geklärt werden, ob die Mail- und Telefondaten von Studierenden und Mitarbeitenden, die die Universität Zürich der Staatsanwaltschaft grosszügig zu Verfügung gestellt hatte, überhaupt als Beweismaterial gegen Ritzmann verwendet werden dürfen.
Staatsanwalt Andrej Gnehm hatte das Vorgehen der Universität zuvor vehement verteidigt. Die Ermittlungen seien verhältnismässig gewesen, und ausserdem die mildeste Massnahme, die die Universität Zürich in der «Affäre Mörgeli» habe ergreifen können. Es habe ein dringender Anfangsverdacht gegen Mitarbeiter des ehemaligen Titularprofessors bestanden. Die Staatsanwaltschaft selbst nahm Gnehm in der Sache aus dem Schneider: Die Universität habe eine grosszügige Dienstleistung erbracht, und nicht auf Drängen der Staatsanwaltschaft hin eine Rasterfahndung angeordnet.
Dem entgegnete Verteidiger Adrian Klemm, dass die Voraussetzungen für die Rasterfahndung, also das Scannen sämtlicher Mail- und Telefondaten durch die Universität Zürich, weder aus arbeitsrechtlicher Sicht, noch für die Staatsanwaltschaft aus strafrechtlicher Sicht gegeben gewesen seien. Denn ein Anfangsverdacht sei nicht vorhanden gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe Druck auf die Universität ausgeübt, weil ein Zwangsmassnahmegericht der Anordnung nicht stattgegeben hätte.
Ohne Zweifel: Die Folgen der Affäre Mörgeli werfen ein schiefes Licht auf die Universität und die Staatsanwaltschaft – besonders auf letztere: Hätte sie die Daten überhaupt anfordern, oder zumindest annehmen dürfen?
Nein, befand das Bezirksgericht am Nachmittag. Die rückwirkende Randdaten-Erhebung von Ritzmanns Maildaten sei nicht nur ein Eingriff in die Persönlichkeit von Ritzmann, sondern auch in jene des «Tages-Anzeiger»-Journalisten gewesen und hätte deshalb vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden müssen. Diese formellen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. «Nur schon deshalb können wir diese Randdaten nicht verwerten», so Richterin Keller.
Auch inhaltlich aber seien die Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. Denn beim Anheben der Untersuchung der Universität Zürich habe es noch keinen eigentlichen Verdächtigen gegeben. «Die Staatsanwaltschaft wollte Hell ins Dunkel bringen, um einen Kreis von Verdächtigen herauszufiltern. Das kann man ihr nicht verübeln», sagte Keller. Doch weder die materiellen, noch die formalen Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen.
Für diesen Entscheid bezog sich das Gericht auf ein Bundesgerichtsurteil vom August 2014, das sich mit Christoph Blocher und der «Affäre Hildebrand» befasste. Die Richter in Lausanne entschieden, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft die Korrespondenz zwischen Blocher und der «Weltwoche» bei der juristischen Aufarbeitung nicht als Beweis verwenden darf. Dieses Urteil war wegweisend für den Quellenschutz. Es ist also ausgerechnet Blocher, der Ritzmann bis auf Weiteres vor einer Verurteilung wegen Amtsgeheimnisverletzung schützt. «Was für Herrn Blocher gilt, gilt vorläufig für alle», sagte die Richterin.
Damit haben sich die Akten stark verringert. Es bleibt abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft überhaupt plädieren wird.