Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt hat ein Testament hinterlassen – nun ist das Geheimnis um seinen Inhalt gelüftet. Das Kunstmuseum Bern erhält Gurlitts millionenschwere Bildersammlung. «Herr Cornelius Gurlitt hat die privatrechtliche Stiftung Kunstmuseum Bern zu seiner unbeschränkten und unbeschwerten Alleinerbin eingesetzt», teilte das Museum am Mittwochnachmittag mit.
Cornelius Gurlitt, der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, war am Dienstagvormittag im Alter von 81 Jahren in seiner Münchner Wohnung gestorben. Er war seit Monaten schwer krank.
Dennoch will die Deutsche Justiz den Todesumständen des Kunstsammlers auf den Grund gehen. Das Amtsgericht in München hat auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft die Obduktion von Gurlitts Leiche angeordnet. Die Ursache seines Ablebens sei unklar, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch: «Wir wollen damit klären, wie die Todesursache tatsächlich ist und ob es Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden gab.» Bislang gebe es dafür aber keine Anzeichen. Auch ob Gurlitts Testament überhaupt gültig ist, will das Gericht überprüfen.
Das Kunstmuseum Bern wurde nach eigenen Angaben von Gurlitts Anwalt telefonisch wie schriftlich informiert, dass Gurlitt die Stiftung Kunstmuseum Bern zu seiner Alleinerbin eingesetzt habe.
Trotz Spekulationen in den Medien darüber, dass die Sammlung testamentarisch einer Kunstinstitution ausserhalb Deutschlands vermacht worden sei, schlug die Nachricht ein «wie ein Blitz aus heiterem Himmel», teilte die Institution am Mittwochnachmittag mit, bestanden doch zu keiner Zeit irgendwelche Beziehungen zwischen Gurlitt und dem Kunstmuseum Bern. Dessen Stiftungsrat und Direktion teilen mit, einerseits dankbar und freudig überrascht zu sein, andererseits aber nicht verhehlen zu wollen, dass das grossartige Vermächtnis ihnen eine erhebliche Verantwortung und eine Fülle schwierigster Fragen aufbürdet, Fragen insbesondere rechtlicher und ethischer Natur.
Gurlitts millionenschwere Sammlung aus seiner Münchner Wohnung und seinem Salzburger Haus umfasst Bilder von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde. Hunderte der Werke stehen im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Jurist Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht weist darauf hin, dass die Abgrenzung zwischen Raubkunst und legitimem Erbe nicht gelöst sei. «In der Schweiz könnte unter Umständen das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes greifen», sagt er. In diesem Fall wäre eine amtliche Genehmigung zur Ausfuhr ins Ausland nötig.
Nach Ansicht des Münchner Erbrechts-Experten könnte das für einzelne Werke zutreffen, wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. «Es wird von Bild zu Bild zu betrachten sein», sagte er: «Ein Matisse trägt das deutsche Kulturgut nicht, ein Beckmann vielleicht schon.» Ob das Gesetz zur Anwendung kommt wenn die Bilder nicht verkauft, sondern in einem deutschsprachigen Museum ausgestellt werden, ist für Steiner allerdings fraglich.
Bei jedem Kunstwerk müsse abgeklärt werden, ob es sich um Raubkunst handelt oder nicht, teilte das Bundesamt für Kultur (BAK) auf Anfrage der sda mit. «Gegebenenfalls sehen die Washingtoner Richtlinien vor, dass bei Kunstwerken, die von den Nazis konfisziert wurden, faire und gerechte Lösungen erreicht werden sollen», hiess es weiter. Die Schweiz hat die Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von NS-Raubkunst 1998 unterzeichnet.
Im Zusammenhang mit dem Nachlass seien noch Fragen offen, die geprüft werden müssten, schreibt das BAK. Der Bund werde darauf achten, dass die Abwicklung des Nachlasses den internationalen und nationalen Normen entspreche.
2011 war Gurlitt ins Visier der Justiz geraten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stiessen die Ermittler auf weit über tausend Meisterwerke, von denen viele seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen galten. Die Behörden beschlagnahmten die Werke wegen Verdachts auf Vermögens- und Steuerdelikte. Erst vor rund einem Monat hatten Gurlitt und die deutschen Behörden eine Einigung gefunden. Gurlitt hatte zugesichert, die umstrittene Sammlung von Experten untersuchen zu lassen und die unter Raubkunstverdacht fallenden Bilder gegebenenfalls zurückzugeben. Diese sei auch für die Erben bindend, teilte das bayerische Justizministerium am Mittwoch mit. (rar/sda/dpa)