An der Gemeindeversammlung im Zürcher Hagenbuch rauchten die Köpfe am Mittwochabend nicht nur wegen der grossen Hitze im überfüllten Gemeindesaal. «Schluss mit dem Sozialirrsinn», «Es geht um Widerstand» und «Wir wollen ein Zeichen setzen» skandierten die erbosten Gemeindemitglieder.
Und sie setzten ein Zeichen: Mit 82 zu 52 Stimmen lehnten sie das vom Gemeinderat beantragte Budget 2015 ab. Darin war vorgesehen, den Steuerfuss um 6 Prozentpunkte zu erhöhen. Im Kern ging es aber um die hohen Kosten für die soziale Wohlfahrt und die Beschlüsse der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), ausgelöst durch eine eritreische Flüchtlingsfamilie, aus der vier von sieben Kindern fremdplatziert werden mussten.
@RafaEllaRoth: Kein Stuhl mehr frei in #Hagenbuch #Sozial-Irrsinn, nur, wo ist der @Blickch? @watson_news pic.twitter.com/46fqZwgIPn
— Rafaela Roth (@RafaEllaRoth) December 10, 2014
Für drei der Kinder muss die Gemeinde die Heimkosten übernehmen. Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer, die sich in den Medien mit teils unwahren Angaben über den Sozialirrsinn beklagte, zeigte sich nach dem Entscheid enttäuscht: «Uns bleibt eigentlich kein Handlungsspielraum», versuchte sie den Hagenbuchern zu erklären.
Schon zu Beginn der Versammlung hatte die SVP-Gemeindepräsidentin betont: «Auf die Asylpolitik und das Sozialwesen können wir heute keinen Einfluss nehmen, es geht um die Abnahme des neuen Budgets.» Unzufriedene Bürger sollten doch die gegebenen Einflussmöglichkeiten nutzen: «Gehen Sie abstimmen, gehen Sie wählen, diskutieren Sie zu Hause, schreiben Sie Leserbriefe oder starten Sie eine Initiative», sagte sie.
Es half alles nichts. Die Hagenbucher redeten sich mit ihren Voten in Rage: «Es geht nicht um die kleine Steuererhöhung, es geht ums Prinzip», sagte ein aufgebrachter Bürger, «wir als Gemeinde werden durch die KESB entmündigt. Als kleines Hagenbuch können wir heute dagegen ein Zeichen setzen», sagt er und erntete tosenden Applaus. «Es geht um Widerstand», doppelte ein Handwerker nach. Er erwägte später lautstark, gar eine superprovisorische Verfügung gegen die hohen Kosten zu erwirken.
Die Hagenbucher kamen aber noch auf ganz andere Ideen: «Wir sollten ein Strässchen weniger sanieren und uns dafür einen Anwalt nehmen», empfahl ein Mann. «Wir sollten unsere Steuern auf ein Sperrkonto einzahlen», schlug eine Frau vor. «Wir sollten die Rechnungen einfach nicht bezahlen und uns betreiben lassen, um ein Exempel zu statuieren», meinte ein Mittvierziger. Vielleicht würden dann andere Gemeinden dem Beispiel Hagenbuch folgen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde dem Gemeinderat klar, dass das Gemeindebudget nun definitiv auf der Kippe stand. «Der Punkt, dass wir gezwungen werden, einfach alles von oben zu akzeptieren – von den Beiständen und der KESB – widerstrebt den Stimmbürgern», sagte Therese Schläpfer zum Schluss resümierend. Schulpräsident und Gemeinderat Horst Steinmann dagegen stellte ernüchtert fest: «Der Schildbürger hat gesiegt.»
Hagenbuch geht
n un ohne abgesegnetes Budget ins neue Jahr. Die Gemeinde muss an der nächsten Versammlung, die im Januar oder Februar angesetzt werden wird, wiederholt über das Budget 2015 abstimmen. Sollten die Stimmbürger dieses wieder ablehnen, wird der Bezirksrat die Entscheidung für die Gemeinde treffen.
Aber wie auch immer. Am Thema dran.