Gesellschaft & Politik
Syrien

39'807 Franken, um die Welt zu täuschen

«Syrian Hero Boy» ist ein Fake

39'807 Franken, um die Welt zu täuschen

17.11.2014, 10:4918.11.2014, 08:23
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Erkennen Sie dieses Bild? Genau, es stammt von den Dreharbeiten zum Film «Syrian Hero Boy», der vor einigen Wochen viral ging. 
Erkennen Sie dieses Bild? Genau, es stammt von den Dreharbeiten zum Film «Syrian Hero Boy», der vor einigen Wochen viral ging. Bild: screenshot/youtube

Vergangene Woche versetzte ein Youtube-Video die Internet-Szene in Aufregung: das Filmchen eines Jungen, der in tränenrührender Selbstlosigkeit durch den Kugelhagel rennt, um ein Mädchen aus dem Schussfeld zu retten, wurde mehr als fünf Millionen Mal angeklickt, Tausende von Kommentaren wurden geschrieben. 

Aufnahmen von den Dreharbeiten in Malta.youtube/bbc

Ein gefundenes Fressen für die Presse, die die Aufnahmen mehrheitlich unkritisch übernommen hatte (einige wenige Online-Medien, darunter watson, äusserten sich vorsichtiger). Nicht nur Boulevardzeitungen überschlugen sich fast angesichts dieses so herzerwärmenden Beweises für die Menschlichkeit in einer der dunkelsten Stunde der Menschheit. Unschuldige Kinder, die den blutrünstigen und skrupellosen Schergen an den Gewehrabzügen ein Schnippchen schlagen. Scharfschützen gegen Kinder! Kinder!

Zwar äusserten sich in Foren viele Betrachter skeptisch, was den Wahrheitsgehalt des Filmchens angeht. Urteile von Experten, die «keinen Grund sahen, an der Echtheit des Videos zu zweifeln», schienen den Redaktionen aber vertrauenswürdiger zu sein, als einzelne kritische Youtube-Zuschauer oder Reddit-Kommentarschreiber. Dass der Youtube-Streifen mehr zu tun hat mit Troja und Gladiator als mit Aleppo und dem IS, ahnte zu dem Zeitpunkt wohl kaum jemand. 

Das Video, so wie es um die Welt ging.youtube/trendingnow

Malta sieht aus wie Syrien

Am Samstag nun stellte sich heraus, dass der knapp fünfminütige Streifen das Machwerk eines norwegischen Filmteams ist. Unter der Regie von Lars Klevberg, einem 34-jährigen Filmemacher, wurde im Sommer 2014 auf Malta gedreht, auf einem Set, auf dem auch die Hollywood-Streifen Troja und Gladiator gefilmt wurden. Low-Budget, 280'000 Kronen, umgerechnet knapp 40'000 Franken.

Gesponsert mit Geldern des Norwegischen Film Instituts (NFI). Der Hero-Boy und das verängstigte Mädchen sind professionelle Schauspieler, die Stimmen im Hintergrund stammen von syrischen Exilanten, die auf Malta leben. 

Welche Absicht stand hinter dem Film? «Wir wollten einen Clip produzieren, der so echt wie möglich wirkt», sagt Klevberg gegenüber BBC. «Wir wollten eine Debatte über die Kinder und Krieg lancieren. «Und», so Klevberg, «wir wollten sehen, wie die Medien auf unseren Film reagieren würden.» Die Medien reagierten wie gewünscht, vielleicht reagierten sie für den Geschmack der Filmemacher sogar über. «Ich war überrascht, dass die Leute dachten, der Film sei echt», sagt Ase Meyer, Verantwortliche für Kurzfilme bei der NFI, im Gespräch mit BBC. Der Junge werde angeschossen und rennt anschliessend trotzdem weiter, kein Blut sei zu sehen, so Meyer. 

Dass die Spekulationen in Redaktionen dahingehend gingen, dass der Junge die Treffer nur fingierte, um seine Häscher zu täuschen, damit rechneten die Produzenten allem Anschein nach nicht. 

«Hero» war das entscheidende Puzzleteil

Interessanterweise war dem Filmchen kein Erfolg beschieden, als er vor einigen Wochen das erste Mal ins Netz gestellt wurde. Nach dieser enttäuschenden Rezeption löschten die Produzenten den Clip und luden ihn neu hoch: dieses Mal jedoch mit dem Wörtchen «Hero» im Titel. Das Shaam News Network (SNN), eine syrische oppositionelle Medienstelle wurde auf das Video aufmerksam und publizierte es auf seinem Youtube-Kanal. Von da an ging der Film viral. Noch letzte Woche erklärte ein Sprecher des SNN gegenüber watson, man sei noch daran, die Authentizität zu prüfen, gehe jedoch davon aus, dass das Video echt sei. Dabei hätten die Aufnahmen Gründe genug geliefert, um skeptisch zu sein. 

Die Kritik am norwegischen Regisseur reisst derweil nicht ab. Human Rights Watch klagt in einem Statement, Klevberg hätte mit seinem Video der Berichterstattung in Konfliktgebieten einen Bärendienst erwiesen. Nachdem Klevberg zu Beginn noch angegeben hatte, keine Skrupel gehabt zu haben, krebste er nun zurück: «Wir hatten gute Absichten, aber wir entschuldigen uns, falls das Video jemandem schadet und die Berichterstattung in Krisengebieten erschwert», so der Norweger gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. (wst) 

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