Leonidas Nikas war es gewohnt, die Kinder spielen und lachen zu sehen. Heute sieht der Rektor einer Athener Primarschule, was er sich nie vorstellen konnte: Kinder, die in Abfallbehältern nach Nahrung suchen. Kinder, die ihre Kameraden um Essensreste bitten. Und den 11-jährigen Pantelis Petrakis, den Schmerzen plagen, weil er Hunger hat. «Er bekommt zu Hause fast nichts zu essen», klagte der Rektor einer Reporterin der «New York Times» bereits vor einiger Zeit. Seine Schule befindet sich in einem Arbeiterviertel in der Nähe des Hafens Piräus.
«Nicht in den wildesten Träumen hätte ich mir vorgestellt, so etwas zu erleben», versicherte Nikas. «Heute sind wir in Griechenland so weit, dass Kids hungrig in die Schule kommen.» Familien hätten nicht nur Probleme eine Erwerbsarbeit zu finden, sondern zu überleben.
In Griechenland stieg die Arbeitslosigkeit auf fast dreissig Prozent. Gleichzeitig wurden Renten und Löhne um einen Viertel gekürzt, die Pensionskassen geplündert, die Steuern für die Mittelklasse und die Strompreise für alle erhöht. Nach Informationen des UN-Kinderhilfswerks Unicef wachsen heute in Griechenland ein Drittel aller Kinder in Armut auf.
Trotz dieser jahrelangen Rosskur hat die Verschuldung Griechenlands seit 2007 nicht etwa ab-, sondern zugenommen. Und zwar um happige vierzig Prozent auf 175 Prozent des heutigen Bruttoinlandprodukts.
Die Rosskur hat das Land hoffnungslos überschuldet und den ärmeren Teil der Bevölkerung ins Elend gestürzt. Deshalb wehrt sich die neue griechische Regierung so vehement gegen eine Verlängerung dieser Politik. Der neue Finanzminister Giannis Varoufakis erklärte es mit einem einfachen Beispiel:
Tatsächlich waren Grossbanken und Hedge Funds nicht gezwungen, Griechenland Milliarden-Kredite zu geben und damit zu verdienen. Die eingegangenen Risiken hätten diese Grossbanken selber tragen müssen. «Es war niemand verpflichtet, Griechenland Milliarden-Kredite zu geben», bestätigt Marc Chesney, Professor für «Quantative Finance» an der Universität Zürich. Die Grossbanken «waren in der Lage, die Situation in Griechenland einzuschätzen».
Alexandra Perri von der Mittelschule in Acharnes, einer Arbeiterstadt in der bevölkerungsreichsten Region Attica, berichtete, dass 60 von 280 Schülerinnen und Schüler an Fehlernährung leiden: «Sagen Sie diesen Familien einmal, es gehe mit Griechenland wieder aufwärts». Sie hätten nichts davon gemerkt. Wenn die Orthodoxe Kirche, Hilfsorganisationen der EU und andere Institutionen keine Früchte, Milch und Mahlzeiten verteilen würden, wäre das Elend noch viel grösser, berichtete die Korrespondentin der «New York Times».