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Afghanistan

Taliban wollten Schaufensterpuppen köpfen – Ladenbesitzer wehrten sich

Die Schaufensterpuppen von Afghanistan

Die Schaufenster in Kabul ähneln einem Maskenball: Die Gesichter der Puppen sind abgedeckt – teils auf gespenstische Weise. Es ist ein Akt des Widerstands.
17.01.2023, 18:0817.01.2023, 22:12
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Sie sind ein skurriler Anblick: die in Plastik eingewickelten Köpfe weiblicher Schaufensterpuppen in Afghanistan. Ihre Kleidung glitzert und funkelt zwar. Doch die Plastiksäcke und Alufolien, die den Puppen über das Gesicht gestülpt wurden, bilden einen harten Kontrast zu diesem Glamour.

Der Grund für diesen Aufzug: Die Kleiderhändler haben dem gewaltlosen Widerstand gegen die Taliban (k)ein Gesicht gegeben, um auf die prekäre Lage der Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen.

Seit der Machtübernahme sind afghanische Frauen und Mädchen durch die streng ausgelegte Scharia Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Mädchen sind von den Schulen verbannt worden, die Frauen wurden dazu gezwungen, eine Burka zu tragen. Die radikal-islamischen Taliban schränken die Rechte der Frauen immer weiter ein. Erst kürzlich ordneten die Taliban ein Universitätsverbot für Frauen an.

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Die Köpfe von Schaufensterpuppen sind in einem Geschäft für Frauenkleider in Kabul, Afghanistan, in Plastiksäcke gesteckt worden, 26. Dezember 2022.Bild: keystone
Mannequin's heads are covered in a women's dress store store in Kabul, Afghanistan, Sunday, Dec. 25, 2022. Under the Taliban, the mannequins in women's dress shops across the Afghan cap ...
Ein anderes Geschäft in Kabul, Afghanistan, hat die Gesichter der Puppen mit Alufolie abgedeckt.Bild: keystone

Schaufensterpuppen köpfen

Nicht lange nach der Herrschaftsübernahme haben die Taliban die Kleiderhändler aufgefordert, die Köpfe von Schaufensterpuppen abzutrennen. Die Begründung: Die Gesichter der Puppen seien Götzenbilder und würden gegen die strenge Auslegung des islamischen Rechts verstossen. Die Aufforderung passte zum Ziel der Taliban: Frauen aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

Doch die Kleiderhändler gingen auf die Barrikaden.

Sie beschwerten sich, dass sie die teuren Mannequins beschädigen müssten – und ihre Kleidung nicht mehr richtig präsentieren könnten. Die Taliban willigten ein – zumindest zu einem gewissen Grad. Sie änderten die Verordnung: Köpfe müssen nicht abgetrennt, sondern nur abgedeckt werden.

Genaue Vorgaben sind keine vorgegeben worde. Die Kleiderhändler nutzen diese Gelegenheit, um die Absurdität hinzuweisen.

Das sind die Resultate:

A mannequin's head is covered in a woman dress shop in Kabul, Afghanistan, Monday, Dec. 26, 2022. Under the Taliban, the mannequins in women's dress shops across the Afghan capital Kabul are ...
Einige Kleiderhändler setzen nicht nur auf einen gewaltlosen Widerstand, sondern auch auf Provokation. Bild: keystone
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Die Schaufenster befinden sich in einer Mittelklasse-Geschäftsstrasse in einem nördlichen Teil von Kabul.Bild: keystone
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Die Haare werden bewusst gezeigt. Bild: keystone
Mannequin's heads are covered in a wedding store in Kabul, Afghanistan, Monday, Dec. 26, 2022. Under the Taliban, the mannequins in women's dress shops across the Afghan capital Kabul are a  ...
Die Kleider glitzern und funkeln, doch der Schein trügt.Bild: keystone
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Stofffetzen zieren die Köpfe der Schaufensterpuppen.Bild: keystone

Die auffallenden Kleider werden vor allem für Hochzeiten gekauft, die traditionell geschlechtergetrennt gefeiert werden. Gerade unter den Taliban bedeuten Hochzeiten eine der wenigen Gelegenheiten für gesellschaftliche Zusammenkünfte.

Doch werden die farbenfrohen Kleider überhaupt noch gekauft – oder sind sie inzwischen gegen schwarze Umhänge getauscht worden? Bashir, ein Kleidergeschäftsbesitzer, sagt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass seine Einnahmen sich nach der Machtübernahme halbiert hätten.

Dies hänge nicht nur mit den Einschränkungen der Frauen zusammen, sondern auch mit dem Kollaps der afghanischen Wirtschaft, der einen grossen Teil der Bevölkerung in grosse Armut gestürzt hat.

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hadock50
17.01.2023 19:28registriert Juli 2020
Die Taliban haben gewaltig einen an der Waffel....einfach nur traurig.
Mir tun die Frauen dort leid.
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trollo
17.01.2023 19:15registriert Januar 2016
Schneiden diese Helden des Islams ihren aufblasbaren Gummipuppen auch den Kopf ab?
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mrmikech
17.01.2023 19:54registriert Juni 2016
Stehen heterosexuelle Taliban-Männer nicht auf Frauen? Scheinbar haben sie lieber Müllsäcke und Alufolie?
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