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Sudan: Luftangriffe halten an, viele verletzte Zivilisten

REMOVES INCORRECT BYLINE - A patient is being carried into a hospital in Khartoum, Sudan, Monday, April 17, 2023. Hospitals in the Sudanese capital are overwhelmed as the city turns into a war zone in ...
Ein verletzter Zivilist im Spital von Khartum – die Stadt hat sich in ein Schlachtfeld verwandelt.Bild: keystone

Luftangriffe und Strassenkämpfe im Sudan – widersprüchlichen Angaben zu Waffenruhe

18.04.2023, 06:2818.04.2023, 14:57

Im Sudan haben sich die schweren Gefechte zwischen den rivalisierenden Lagern der Armee und des Paramilitärs fortgesetzt. Im seit drei Tagen wütenden Machtkampf zwischen der sudanesischen Armee unter Kommando des sudanesischen Generals Abdel Fattah al-Burhan und den rivalisierenden paramilitärischen Einheiten seines Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo haben sich die Fronten weiter verhärtet.

Die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung dürfte auch am Dienstag weiter steigen. Die österreichische Sprecherin der Organisation «Ärzte ohne Grenzen» (MSF) melden auf Twitter, dass viele der verletzen Zivilisten Kinder seien. Zudem würden derzeit Rettungsautos blockiert – sie dürften nicht einmal passieren, um Leichen von den Strassen zu holen oder Verletzte zu versorgen.

«Alle Krankenhäuser in Nord-Darfur mussten schliessen, entweder weil sie sich in der Nähe der Kämpfe befinden oder das Personal wegen der Gewalt nicht in die Einrichtungen gelangen kann», sagte Cyrus Paye, der Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Al-Faschir am Dienstag. Patienten hätten daher nicht für weitere Behandlungen überwiesen werden können. «Unter anderem deshalb sind allein in den ersten 48 Stunden des Konflikts elf Menschen an ihren Verletzungen gestorben», so Paye.

Das sudanesische Ärztekomitee forderte die Konfliktparteien am Montag auf, ihre «ständigen Angriffe» auf Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal einzustellen. Der Deutsche UN-Vermittler Volker Perthes kritisierte, internationale Organisationen und Zivilisten würden bei den Gefechten zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) nicht geschützt. Die Vereinten Nationen gingen bis zum Montagabend von mindestens 185 Toten und 1800 Verletzten aus – darunter seien sowohl Kämpfer als auch Zivilistinnen und Zivilisten.

Widersprüchlichen Angaben zu Waffenruhe

Die sudanesischen Streitkräfte und die Rapid Support Forces (RSF) haben derweilen widersprüchliche Angaben zu einer möglichen Waffenruhe gemacht: Während der Anführer der RSF, Mohammed Hamdan Daglo, Bereitschaft für eine 24-stündige Waffenruhe signalisiert, teilte der Sprecher der Streitkräfte mit, nichts von einer «Verständigung mit Vermittlern und der internationalen Gemeinschaft» über einen Waffenstillstand zu wissen. Er warf der RSF vor, die Waffenruhe als Vorwand zu nutzen, um «die vernichtende Niederlage vertuschen, die sie innerhalb weniger Stunden erleiden werden».

Und so gab es in der Hauptstadt Khartum Perthes zufolge weiter heftige Gefechte um die geschlossenen Brücken, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere des Militärs und der RSF. Nach Angaben von Amnesty International richtete der Einsatz schwerer Waffen, darunter Artillerie, Panzer und Düsenflugzeugen, in dicht besiedelten Gebieten in Khartum grosse Zerstörung an. Zivilisten seien mitten im Gefechtsgebiet gefangen, so Amnesty. Wer in dem Machtkampf der rivalisierenden Lager die Oberhand hat, blieb angesichts der unübersichtlichen Lage und der widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar.

Anwohner in der Hauptstadt Khartum berichteten von anhaltenden Schüssen und Explosionen. Aber auch in anderen Teilen des Landes am Horn von Afrika gingen die Kämpfe weiter – etwa in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt sowie in der Stadt Njala in Darfur. Der Gouverneur von Nord-Darfur, Nimr Abdul Rahman, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend, allein in seiner Region seinen mindestens 65 Menschen getötet und 160 weitere verletzt worden. Die Strom- und Wasserversorgung sei aufgrund der Gewalt in Teilen Nord-Darfurs unterbrochen, so Rahman.

epa10577398 A handout satellite image made available by Maxar Technologies shows smoke billowing from destroyed aircrafts at Khartoum International Airport, in Khartoum, Sudan, 17 April 2023. Heavy gu ...
Brennende Flugzeuge auf dem Flughafen von Khartum. Bild: keystone

USA, EU und UNO fordern Waffenstillstand

US-Aussenminister Antony Blinken sprach nach Angaben seines Ministeriums vom Montagabend (Ortszeit) sowohl mit Al-Burhan als auch mit Daglo. Er habe die Dringlichkeit eines Waffenstillstands deutlich gemacht, um die Lieferung humanitärer Hilfe sowie die Wiedervereinigung sudanesischer Familien zu ermöglichen – und der internationalen Gemeinschaft in Khartum die Möglichkeit zu geben, ihre Präsenz zu sichern. Blinken habe an die Verantwortung der beiden Generäle appelliert, die Sicherheit und das Wohlergehen der Zivilisten, des diplomatischen Personals und der humanitären Helfer zu gewährleisten.

Doors close after U.S. Secretary of State Antony Blinken gives a joint statement with British Foreign Secretary James Cleverly on the situation in Sudan to members of the media during a G7 Foreign Min ...
Antony Blinken.Bild: keystone

UN-Vermittler Perthes betonte, er werde am Dienstag erneut versuchen, eine belastbare Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln. In Gesprächen mit ihren Anführern hätten beide Seiten sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation gegeben. Al-Burhan und Daglo stünden seiner Einschätzung zufolge unter hohem Druck. Perthes betonte aber, dass sie sich offen für Gespräche mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Akteuren gezeigt hätten.

Auch die EU bemühe sich, die Konfliktparteien davon zu überzeugen, eine humanitäre Feuerpause in Erwägung zu ziehen, teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Montagabend mit. Details zu den Friedensbemühungen nannte er nicht. Eine Sprecherin hatte am Mittag bereits über Krisengespräche Borrels mit Spitzenpolitikern aus Kenia, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten berichtet.

Drei ostafrikanische Präsidenten sowie ein Vertreter der Afrikanischen Union sollen als Vermittler nach Khartum reisen. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe, die auch am internationalen Flughafen in Khartum ausgefochten wurden, war das bislang nicht möglich.

EU-Botschafter angegriffen

Der EU-Botschafter im Sudan wurde nach Angaben Borrells in seiner eigenen Residenz angegriffen. Die Tat stelle einen schwerwiegenden Verstoss gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen dar, schrieb der EU-Aussenbeauftragte auf Twitter. Die Sicherheit diplomatischer Einrichtungen und des Personals liege primär in der Verantwortung der sudanesischen Behörden und sei eine völkerrechtliche Verpflichtung. Angaben zur Art des Angriffs und zu dem Täter oder den Tätern machte Borrell nicht. Er liess auch unklar, ob der Botschafter verletzt wurde oder mit dem Schrecken davonkam. Aus Diplomatenkreisen hiess es am Abend in Brüssel, der Botschafter sei wohlauf und nicht verletzt worden.

Der Machtkampf im Sudan lässt das flächenmässig drittgrösste Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Gold-Vorkommen zunehmend im Chaos versinken. Der Sender Sky News berichtete, Al-Burhan habe in einem Telefoninterview am Montag Gesprächsbereitschaft signalisiert. «Jeder Krieg endet in Verhandlungen, auch wenn der Gegner besiegt ist», sagte er demnach. Die Armee werde siegen – «definitiv, so Gott will». Konkrete Angaben zu möglichen Verhandlungen machte Al-Burhan jedoch nicht.

(yam/con/sda/dpa)

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