Viel Gutes lässt sich nicht sagen über Donald Trump. Einen Punkt aber anerkennen selbst viele seiner Kritiker: Der US-Präsident hält sich beim Einsatz der US-Streitkräfte zurück. Er folgt dabei seinen eigenen isolationistischen Reflexen ebenso wie den Wünschen seiner Hardcore-Fans, die nach den Kriegen in Afghanistan und Irak genug haben von den kostspieligen Abenteuern im Ausland.
«Es ist Zeit, aus diesen lächerlichen endlosen Kriegen auszusteigen», twitterte Trump nach seinem Verrat an den syrischen Kurden im Oktober. Und im letzten Sommer stoppte er praktisch in letzter Sekunde einen Vergeltungsschlag gegen Iran für den Abschuss einer US-Drohne.
Nun aber ordnete er einen Einsatz an, der die USA so nahe an den Rand eines Krieges bringt wie nie zuvor in seiner dreijährigen Amtszeit. Die Tötung des Generals Ghassem Soleimani bedeutet eine Eskalation im Verhältnis mit Iran, das Trump mit der Kündigung des Atomabkommens und der Verhängung immer neuer Sanktionen ohnehin strapaziert hat. Nahost-Kenner Erich Gysling spricht im watson-Interview von einem «Kriegsakt».
Soleimani war nicht irgendein Offizier. Iran-Kenner bezeichnen ihn als zweitmächtigsten Mann der islamischen Republik nach dem obersten Führer Ali Chamenei. Die Vergeltungsdrohungen blieben nicht aus. «Es besteht nicht die geringste Chance, dass Iran nicht reagieren wird», sagte der US-Experte Afshon Ostovar, Autor eines Buchs über die Revolutionsgarden, gegenüber Politico.
Selbst Mitglieder von Trumps Regierung seien erstaunt über den Angriff auf Soleimanis Konvoi beim Flughafen von Bagdad, schreibt das Online-Magazin. Die Tötung des Generals sei im Vorfeld nicht ernsthaft erwogen worden. «Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir uns jetzt im Krieg befinden», sagte ein namentlich nicht genannter Ex-Beamter und Kenner der Region.
Ein ausgewachsener Krieg ist wenig wahrscheinlich. Iran hätte keine Chance gegen die hochgerüstete US-Militärmacht. Experten aber halten Angriffe womöglich auf hochrangige US-Ziele für naheliegend, und das nicht unbedingt in der Golfregion selbst. Iran könnte auch seine «Stosstrupps» beauftragen, etwa die libanesische Hisbollah oder schiitische Milizen in Irak und Syrien.
Beispiele sind das Selbstmordattentat auf einen Stützpunkt in Beirut 1983 mit mehr als 300 Todesopfern, darunter 241 US-Soldaten. Oder der Bombenanschlag auf ein Zentrum der jüdischen Gemeinde in Buenos Aires 1994, bei dem 85 Menschen ums Leben kamen. Eine Urheberschaft Irans konnte in beiden Fällen nie bewiesen werden, gilt aber als sehr wahrscheinlich.
Man kann sich fragen, weshalb Donald Trump einen derart gravierenden Befehl zu Beginn eines Jahres gegeben hat, in dem er wiedergewählt werden will. Applaus kann er höchstens von den neokonservativen Kriegstreibern erwarten. Die für seine Verhältnisse bislang defensiven Reaktionen auf die Tötung Soleimanis lassen vermuten, dass ihm selber nicht ganz wohl ist.
Aussenminister Mike Pompeo rechtfertigte die Tat in Fernsehinterviews am Freitag mit der «unmittelbaren Gefahr für amerikanische Leben» im Irak. Gleichzeitig forderte er Teheran auf Fox News zur «Deeskalation» auf: «Wir wollen keinen Krieg mit Iran.» Die Aufforderung an alle US-Bürger zur sofortigen Abreise aus Irak zeigt, wie das Weisse Haus die Lage wirklich einschätzt.
Donald Trump jedenfalls macht nun die gleiche Erfahrung wie sein Vorgänger Barack Obama, der sich auf die Pazifik-Region konzentrieren wollte: Sich aus dem Sumpf des Nahen und Mittleren Ostens zu befreien, ist leichter gesagt als getan. In Trumps Amtszeit hat die Zahl der US-Soldaten in der Region nicht ab-, sondern zugenommen.
Das ist entweder sehr scheinheilig oder einfach unglaublich dumm.
🤦
Um seinen Blutzoll zu verheimlichen hat Trump ausserdem eine Regel von Obama rückgängig gemacht, gemäss welcher Drohnenopfer gemeldet werden müssen.