Drei Millionen Dollar musste das Trump-Team aufwerfen, um eine neue Auszählung der Stimmen im Bundesstaat Wisconsin zu erreichen. Nun liegt das Resultat dieser Nachzählung vor: Joe Biden hat 87 Stimmen hinzu gewonnen. Wisconsin hat deshalb den Sieg des Demokraten offiziell bestätigt.
Nicht nur im mittleren Westen blamiert sich Trump. Auch in Arizona hat der republikanische Gouverneur Doug Doucey, ein enger Verbündeter von Trump, Bidens Sieg verkündet. Damit haben sämtliche Swingstates Trumps Niederlage besiegelt.
Eigentlich sollte man meinen, dass der Präsident nun das Handtuch werfen würde. Weit gefehlt. Er werde «125 Prozent seiner Energie» darauf verwenden, das Wahlresultat anzufechten, erklärte Trump am Sonntag in einem Interview mit der Fox-News-Moderatorin Maria Bartiromo.
Das ist nicht als leere Drohung zu verstehen. Rund 170 Millionen Dollar haben seine Fans gespendet, damit er seinen Kampf gegen Windmühlen weiterführen kann.
In diesem Kampf schreckt Trump inzwischen vor nichts mehr zurück. Er beschuldigt neuerdings gar das FBI und das Justizministerium – mit seinem korrupten, ihm sklavisch ergebenen Justizminister William Barr –, sich gegen ihn verschworen zu haben. Zudem will er nun den Supreme Court anrufen, obwohl er selbst daran zweifelt, dass die obersten Richter ihm Gehör schenken werden.
Objektiv betrachtet ist Trumps Lage hoffnungslos geworden. In 34 Gerichtsverfahren haben ihm die Richter bloss in einem einzigen und unbedeutenden Nebenaspekt Recht gegeben. Sonst sind seine Klagen in Bausch und Bogen abgewiesen worden, teils begleitet von vernichtenden Bemerkungen der jeweils zuständigen Richter.
Die halbwegs vernünftigen Anwälte haben daher ihr Mandat niedergelegt. Der einzige, der inzwischen noch an Trumps Sache glaubt, ist sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani. Dessen Auftritte sind jedoch so lächerlich, ja bizarr, dass einzig die Late-Nigth-Comedians daran noch ihren Spass haben – und dies auch ausführlich tun.
Trump knöpft sich derweil angebliche Verräter persönlich und per Twitter vor. Ins Fadenkreuz genommen hat er dabei vor allem Brian Kemp, den Gouverneur von Georgia, und dessen Staatssekretär Brad Raffensperger. Das ist insofern erstaunlich, als beide nicht nur Mitglied der Grand Old Party sind, sondern bisher auch als beinharte Trump-Fans aufgefallen waren.
Doch selbst das Duo Kemp/Raffensperger kann das Wahlresultat in Georgia nicht mehr ändern. Trump ist daher neuerdings «beschämt», dass er 2018 Kemp bei seiner Wahl zum Gouverneur unterstützt hat. Er will nicht einsehen, weshalb der «glücklose» Kemp seinen «sturen Staatssekretär» nicht einfach überstimmt.
Die Rennleitung der GOP schaut dem Hickhack in Georgia mit wachsender Panik zu. Wollen die Republikaner die beiden Senatssitze in diesem Staat gewinnen, dann sind sie auf die Unterstützung von Trump angewiesen. Nur er kann dafür sorgen, dass die Basis auch an die Urnen geht.
Indem der Präsident immer wieder von «gefälschten Wahlen» schwafelt, erreicht er genau das Gegenteil. «Man kann nicht permanent erklären, dass System sei manipuliert, und gleichzeitig die Menschen auffordern, die beiden republikanischen Senatoren zu wählen», jammert Eric Johnson, Berater von GOP-Kandidatin Kelly Loeffler.
Wie also soll man Trumps irrationales Verhalten erklären? «Entweder leidet der Präsident an Wahnvorstellungen, oder er will ganz bewusst die Demokratie zerstören, um zu verleugnen, dass er ein Verlierer ist», meint dazu die «Washington Post» in einem redaktionellen Kommentar.
Vieles spricht für die zweite Variante – und damit hört der Spass definitiv auf. So befürchtet die «Washington Post»:
In einem Gastbeitrag in der «New York Times» geht «Zeit»-Redaktor Jochen Bittner gar noch einen Schritt weiter. Er vergleicht Trumps Vorgehen mit der Dolchstosslegende, die nach der Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg entstand. Und das kam so:
Nach vier sinnlosen Jahren Krieg weigerten sich die deutschen Soldaten, weiterzukämpfen. Sie streikten oder desertierten und zwangen das Oberkommando zur Kapitulation.
Reaktionäre deutsche Kreise weigerten sich jedoch, die Niederlage zu akzeptieren. «Im Felde unbesiegt», lautete ihre Parole. Die Schuld an der Niederlage wurde Verrätern in den eigenen Reihen in die Schuhe geschoben, hauptsächlich Sozialdemokraten und Juden.
Der Verrats-These fehlte jegliche faktische Grundlage. Trotzdem begann sie bald, ein Eigenleben zu entwickeln. Bittner schreibt:
Die Dolchstosslegende war ein zentrales Element der Propaganda der Nationalsozialisten. Ohne Trump mit Hitler vergleichen zu wollen, sind die Parallelen seines Verhaltens mit den Nazis in der Weimarer Republik offensichtlich. Bittner verweist auf eine – wie damals die deutsche – tief gespaltene amerikanischen Gesellschaft und stellt fest:
So gesehen ist es zu kurz gesprungen, sich über Trump lustig zu machen oder sein Verhalten bloss mit einem «verrückten König» zu vergleichen. Vergessen wir nicht: Er hat über 70 Millionen Stimmen erhalten – ein gewaltiges Potenzial für eine Neuauflage der Dolchstosslegende.
(Am liebsten in Caps Lock und mit unzähligen Ausrufezeichen...;))
Ich bin davon ausgegangen, dass das Wahlsystem korrupt ist, mit Wahlspenden und so.