Demnächst in diesem Kino: Trump gegen Mamdani
Eine der legendärsten Schlagzeilen der US-Mediengeschichte lautet: «FORD TO CITY: DROP DEAD». Sie erschien am 30. Oktober 1975 im Boulevardblatt «The Daily News», und gemeint war damit, dass der damalige US-Präsident Gerald Ford nicht gewillt war, einen Bankrott von New York abzuwenden.
Ein halbes Jahrhundert später droht ein Remake dieses Films. Sollte Zohran Mamdani am nächsten Dienstag zum Bürgermeister von New York gewählt werden – und das gilt als praktisch sicher –, dann droht der amtierende Präsident dem Big Apple bereits mit Sanktionen. «Er wird Probleme mit Washington kriegen wie kein Bürgermeister vor ihm», teilte Trump auf seiner Plattform Truth Social mit. «Denkt daran, um seine kommunistischen Versprechen einzuhalten, braucht er Geld von mir als Präsidenten. Er wird keinen Cent kriegen.»
Trump blufft nicht. Er hat den Shutdown der Regierung zum Vorwand genommen, 18 Milliarden Dollar einzufrieren, die der Kongress für den Bau eines neuen Eisenbahntunnels nach New Jersey bewilligt hat. Das dürfte sich erst als Vorspiel eines langen und heftigen Kampfes zwischen dem Weissen Haus und der grössten amerikanischen Stadt erweisen.
Dabei scheint es so, als ob der künftige Bürgermeister mit einem Messer zu einem Revolver-Duell erscheinen muss. Mamdani ist 34 Jahre alt, hat wenig politische Erfahrung, und vor allem verfügt er als Bürgermeister über weit weniger Machtmittel als der Präsident. Doch der erste Eindruck könnte sich als Trugschluss erweisen. Während Mamdani souverän und locker wirkt, schlittert Trump immer stärker in eine Formkrise.
Der Präsident ist sichtlich älter geworden, in den Umfragen sind seine Beliebtheitswerte mittlerweile unter 40 Prozent gerutscht, und sie fallen weiter. Seinen monströsen Ballroom findet eine Mehrheit der Amerikaner, vor allem auch die unabhängigen Wähler, überhaupt nicht cool. Sie machen auch den Präsidenten und seine Partei mehrheitlich für den Shutdown verantwortlich und ärgern sich, dass die Preise für Lebensmittel steigen und steigen.
Mit seiner «Politik der Erschwinglichkeit» trifft Mamdani hingegen den Nerv der Zeit. Wer in New York jährlich 70’000 Dollar oder gar weniger verdient, muss mehr als die Hälfte davon allein für die Wohnungsmiete aufwenden. Dabei sollte die Miete gemäss Rat der Experten nicht mehr als ein Drittel des Einkommens betragen. Auch die Kosten für Kitas sind für die untere Mittelschicht nicht mehr tragbar. An diesen Stellschrauben will Mamdani als künftiger Bürgermeister ansetzen.
Gerald Ford ist es seinerzeit nicht gelungen, New York in die Knie zu zwingen. Trump wird sich ebenfalls schwertun. In den letzten 50 Jahren hat sich viel getan. Damals war der Big Apple eine «A-Stadt», eine Stadt für Arme, Alte und Alkoholiker, die zudem von einer Kriminalitätswelle von bisher nicht gekanntem Ausmass heimgesucht wurde. So zeigt beispielsweise «Escape from New York», ein Film aus dieser Zeit, ein Manhattan, das von einer grossen Mauer umgeben und den Kriminellen überlassen wird.
Heute hingegen ist in New York – wie auch in vielen Schweizer Städten – nicht Armut, sondern die Gentrifizierung das grösste Problem. Häuser werden renoviert und Pärke und Velowege angelegt. Nicht der obere Mittelstand wird aus der Stadt gedrängt, sondern die Armen. Die finanzielle Lage ist zwar nicht rosig, aber keineswegs bedrohlich. Ihre Anleihen kann die Stadt problemlos an den Mann respektive die Frau bringen.
Die Kampagne gegen Mamdani legt ihren Schwerpunkt darauf, dass sich dies bald ändern könnte. Die Argumente sind mehr als bekannt und werden bei uns jedes Mal heruntergeleiert, wenn Reiche zur Kasse gebeten werden sollen. Ob New York und Zürich, jeweils tönt es dann: Die Reichen werden Reissaus nehmen, und wir alle werden verlumpen.
Dank eines Börsenbooms geht es jedoch den Reichen an der Upper East Side derzeit glänzend. Und selbst wenn auch der Finanzplatz New York Federn lassen musste, werden die Banker nicht über Nacht nach Florida ziehen. So leicht lässt sich die Wall Street nicht ersetzen. Zudem entwickelt sich auch der Big Apple immer mehr zu einem Hi-Tech-Hub. Weil Google, OpenAI und Amazon dort grössere Betriebe eröffnet haben, hat die Beschäftigung in diesem Industriezweig zwischen 2014 und 2024 um 64 Prozent zugenommen.
Antisemitismus ist die zweite Keule, mit der auf Mamdani eingedroschen wird. Nun ist dieser zwar ein bekennender Muslim und stolz darauf, schliesslich ist er als Kind indischer Eltern in Uganda aufgewachsen. Selbst ein an sich vernünftiger Mensch wie der Comedian Bill Maher entblödet sich deshalb nicht, ihm vorzuwerfen, dass er sich nicht vom Regime dieses afrikanischen Landes distanziert, weil dort Homosexuelle verfolgt werden.
Mit Mamdanis Antisemitismus ist es jedoch so eine Sache. Der wahrscheinliche künftige Bürgermeister verhehlt nicht, dass er das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen für Völkermord hält. Er stellt jedoch das Existenzrecht von Israel nicht infrage und ist mit den Rabbis in Brooklyn in regem Kontakt.
Vor allem kommt Mamdani auch bei den jüdischen Wählerinnen und Wählern in New York gut an. In Umfragen liegt er bei der Wählergruppe 17 Prozent vor seinem Rivalen Andrew Cuomo. «Ich habe die Anti-Israel-Wut unterschätzt», musste dieser daher kleinlaut einräumen.
Weil er in Uganda geboren ist, kann Mamdani nie amerikanischer Präsident werden. Doch Trump und die Republikaner werden alles daran setzen, ihn als das Gesicht der «kommunistischen Progressiven, welche die Macht bei den Demokraten übernommen haben», anzuprangern.
Wie weit diese Verleumdungen Erfolg haben werden, muss sich weisen. Die Menschen in Iowa, Wisconsin oder Nebraska interessieren sich kaum, was in New York abgeht – und es könnte sich auch herausstellen, dass Mamdani genau die Dosis Frischluft ist, welche die Demokraten so dringend nötig haben.


