Den Namen Elbridge Colby habt ihr wahrscheinlich noch nie gehört. Kein Grund, sich zu schämen. Der Mann war einer breiten Öffentlichkeit bisher gänzlich unbekannt. Jetzt aber soll er zum Chefstrategen des Pentagon ernannt werden. Der Senat ist im Begriff, ihn in dieser Funktion zu bestätigen.
Warum ist Colby wichtig? Der Mann gehört zu den Vordenkern der Rechtsextremen. Er vertritt Ansichten wie: Die USA sollen sich sofort aus Europa und dem Nahen Osten zurückziehen und sich nur noch auf Asien konzentrieren. Auch dort sollen sich die USA zurückhalten. «Taiwan ist nicht von existenzieller Bedeutung für Amerika», schrieb Colby in einem Essay im vergangenen Jahr.
Sollte Nordkorea seinen südlichen Nachbarn angreifen, wäre die Unterstützung der Amerikaner keinesfalls gesichert. «Wenn ihr glaubt, dass die Amerikaner sich für euch in die Bresche werfen werden, wenn ihr gegen Nordkorea kämpft, dann ist das eine sehr unüberlegte Annahme», warnt Colby die Südkoreaner.
Colbys Ansichten sind so extrem, dass selbst die Hardliner und Trump-Jünger im Senat Zweifel an ihm äussern. Einer davon ist Tom Cotton, der deswegen jetzt von der MAGA-Meute angegriffen wird. Unterstützt wird Colby hingegen von Donald Trump Jr., Tucker Carlson und Charlie Kirk, kurz: vom extrem rechten Flügel in Trumps innerem Kreis. Diese wollen einen weiteren Vertreter ihrer autoritären Weltanschauung in eine strategisch wichtige Position hieven.
In Trumps erster Amtszeit gab es im Weissen Haus die sogenannten «Erwachsenen», Typen wie den Verteidigungsminister Jim Mattis, den Aussenminister Rex Tillerson oder den Sicherheitsberater H.R. McMaster. Diesen beschimpft Trump gerade als «schwachen und total ineffizienten Loser».
Heute haben die Ideologen das Sagen, Männer wie Vize J.D. Vance, Tucker Carlson, die Techno-Bros Peter Thiel und Marc Andreessen beispielsweise. Sie wollen mehr als nur die Steuern für die Superreichen senken, sie wollen eine neue Weltordnung. Sie hofieren nicht nur Trump, sondern auch Viktor Orbán, Javier Milei – und Wladimir Putin.
Immer wieder wird Trump als «transaktional» beschrieben, als jemand, der sich nicht um Ideologie, sondern nur um den besten Deal kümmert. Diese Ansicht ist nach wie vor unter der amerikanischen Business-Gemeinde weit verbreitet. Obwohl sie direkt betroffen sind, nehmen die Wall-Street-Banker und Manager Trumps Strafzoll-Drohungen deshalb auf die leichte Schulter. So schlimm wird es nicht werden, glauben sie. Auch in der ersten Amtszeit wurde die Suppe nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wurde.
Jetzt aber hat Trump seine Warnung wahr gemacht und gegen Mexiko und Kanada einen Strafzoll von 25 Prozent in Kraft gesetzt und denjenigen gegen China um weitere 10 Prozent erhöht. Wirtschaftlich gesehen ist dies ein Wahnsinn. Selbst das «Wall Street Journal» spricht von den «dümmsten Zöllen in der Geschichte» und warnt, dass die amerikanische Autoindustrie deswegen zusammenbrechen könnte.
Diese Warnung ist berechtigt. Die nach wie vor grösste Industrie der USA ist so eng mit den Nachbarn verbandelt, dass einzelne Teile bis zu siebenmal die Grenze überqueren. Deshalb wird ein SUV wegen der Zölle rund 9000 Dollar teurer werden, ein Pickup-Truck rund 8000 Dollar. Trump zettelt nicht nur einen idiotischen Handelskrieg an, er bestraft seine eigenen Wähler.
Eine weitere feste Überzeugung der Business-Gemeinde lautet: Wenn die Finanzmärkte einbrechen, bricht Trump die Übung ab. Jetzt brechen die Finanzmärkte ein, doch der Präsident bleibt hart, obwohl das Potenzial für einen ausgewachsenen Crash vorhanden ist. Hauptsächlich die Tech-Aktien sind weit überbewertet.
Ein Crash hätte jedoch empfindliche Folgen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Altersvorsorge, die abhängig von den Finanzmärkten ist. Dabei ist die Konsumentenstimmung bereits massiv eingebrochen und die Stimmen, die vor einer Rezession warnen, mehren sich. Ist das wirklich noch «transaktional»?
Gleichzeitig lässt Trump die jugendliche Abwrack-Truppe von Elon Musk weiter wüten und stellt die Aussenpolitik auf den Kopf. Die Ukraine wird verraten und die Militärhilfe per sofort eingestellt. Die Sanktionen gegen Russland sollen aufgehoben werden, das Team, das darüber im Justizdepartement wacht, ist bereits aufgehoben worden. Ebenso eingestellt wurde die Kontrolle über russische Cyberangriffe und Wladimir Putin soll wieder in den Kreis der G7-Staatsoberhäupter eingeladen werden. Ist das wirklich die viel beschworene Politik vom «Frieden dank Stärke»?
In der alten Weltordnung drehte sich alles um den Punkt: Kapitalismus gegen Kommunismus. Dieser Gegensatz ist heute irrelevant geworden. Was aber treibt die Ideologen, die heute im Weissen Haus das Sagen haben, an? In der «Daily Show» vertritt Jon Stewart die These, wonach jetzt die Positionen lauten: woke gegen anti-woke.
Europa ist in den Augen der rechtsextremen Ideologen eine woke Hölle geworden, dekadent und schwach. Die EU muss zerstört werden. Deshalb darf Europa Putin zum Frass vorgeworfen werden, schliesslich gelten in Russland immer noch die traditionellen christlichen Werte.
Donald Trump ist nicht nur ein pathologischer Narzisst, er ist auch alt geworden. Er setzt alles daran, als grosser Präsident in die amerikanische Geschichte einzugehen, und verfolgt deshalb absurde Ziele wie die Eingliederung von Kanada als 51. Bundesstaat in die USA, den Kauf von Grönland und die Wiederbesetzung des Panama-Kanals.
Bisher hat Trump einzig erreicht, dass der Golf von Mexiko neu Golf von Amerika heissen soll. Doch die Einflüsterer um Vance sorgen dafür, dass er glaubt, dereinst im gleichen Atemzug wie George Washington oder Abraham Lincoln genannt zu werden – und selbstverständlich erhofft er sich auch den ersehnten Friedensnobelpreis.
Putin will Russland wieder zu einer Grossmacht, Trump die USA stärker denn je machen. Diese Allmachtsfantasien verbinden die beiden, und dafür sind sie bereit, alles aufs Spiel zu setzen – nicht nur ihr Land, sondern die ganze Welt.