Warum Trump jetzt Putin unter Druck setzt
Rosneft und Lukoil sind für rund die Hälfte der russischen Ölproduktion verantwortlich. Wenn Donald Trump jetzt diese beiden Unternehmen mit harten Sanktionen belegt, dann ist dies mehr als ein symbolischer Akt. Diesmal kann er Wladimir Putin wirklich weh tun, denn die russische Kriegsmaschinerie wird gespeist von den Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas.
Dass Indien offenbar gewillt ist, den Import von russischem Öl gegen null zu drosseln, und selbst China zumindest auf die Dienste der russischen Schattenflotte verzichten will, könnte sich zu einem ernsthaften Problem für Putin erweisen. Der Konjunktiv ist allerdings angebracht. Die meisten Experten haben aufgehört, die Kehrtwendungen des US-Präsidenten zu zählen, und sind sich bewusst, dass schon morgen alles wieder anders sein kann.
Es gibt jedoch Gründe, dass Trump es diesmal Ernst meinen könnte:
- Der US-Präsident scheint endlich realisiert zu haben, dass er die ganze Zeit von Putin am Nasenring durch die globale Polit-Arena geführt worden ist. Das jüngste Beispiel ist die peinliche Ankündigung von Gesprächen zwischen den beiden in Budapest, welche postwendend wieder abgesagt wurden, nachdem klar wurde, dass der russische Präsident nach wie vor nicht gewillt ist, von seinen Maximalforderungen abzuweichen.
- Entscheidend zu Trumps Sinneswandel scheint auch die Tatsache beigetragen zu haben, dass nicht mehr der Hobby-Diplomat Steve Witkoff der massgebliche Einflüsterer im Oval Office ist, sondern Aussenminister Marco Rubio. Als traditioneller Konservativer ist dieser Russland gegenüber skeptisch eingestellt und zudem nicht so naiv wie der New Yorker Immobilien-Tycoon.
- Beflügelt vom Erfolg im Nahen Osten drängt Trump jetzt auch auf einen Waffenstillstand in der Ukraine. Den Plan, direkt in Friedensverhandlungen einzusteigen, hat er offenbar fallengelassen.
Auch die Europäer haben neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Zudem wollen auch sie sich vollständig vom Import fossiler Energie aus Russland abnabeln. Putin versucht zwar, das alles kleinzureden. «Das ist ein Versuch, Russland unter Druck zu setzen. Kein Land, das etwas auf sich hält, lässt sich das bieten», so der russische Präsident. «Die neuen westlichen Sanktionen werden keinen signifikanten Einfluss auf die russische Wirtschaft haben.»
Das ist Pfeifen im dunklen Wald. Russlands Wirtschaft steht zwar nicht kurz vor einem Kollaps, wie da und dort suggeriert wird. Doch die Folgen der Kriegswirtschaft treten immer deutlicher zutage. Die Militärausgaben sind von 22 Prozent der Staatsausgaben im Jahr 2022 auf mittlerweile 40 Prozent angestiegen. Das entspricht 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Dieser Kriegs-Keynesianismus hat zwar kurzfristig zu einem Wachstums-Strohfeuer geführt. Doch langfristig ist die Wirkung alles andere als positiv. Die hergestellten Waffen und die Munition werden schon kurz darauf im Krieg wieder vernichtet und tragen nicht dazu bei, die Produktivität der Wirtschaft zu erhöhen.
Der Krieg hat auch dazu geführt, dass der russischen Wirtschaft die Arbeitskräfte ausgehen. 2024 wurden 2,2 Millionen nicht besetzte Stellen gemeldet und 70 Prozent der russischen Unternehmen beklagten sich über einen Mangel an Arbeitskräften. Russlands Wirtschaft hat sich so in eine missliche Lage manövriert. «Jeder Versuch, die Verteidigungsausgaben kurzfristig herunterzufahren, würde einen wirtschaftlichen Kollaps zur Folge haben, aber werden die Militärausgaben auf dem aktuellen Level aufrechterhalten, dann verewigt sich die Stagnation», stellt Alexandra Prokopenko in «Foreign Affairs» fest. Sie war bis 2022 für die russische Nationalbank tätig.
Russische Wirtschaft kühlt sich ab
Die russische Wirtschaft hat sich nach dem Kriegsboom der letzten Jahre bereits merklich abgekühlt. Derzeit leidet sie unter Inflation und leeren Staatskassen. Deshalb sollen die Mehrwertsteuer um zwei Punkte erhöht und auch die KMU vermehrt zur Kasse gebeten werden. «Die Vereinigten Staaten und Europa können sich jedoch nicht darauf verlassen, dass die russische Wirtschaft zusammenkracht», warnt Prokopenko. «Aber die strukturellen Limits des russischen Wirtschaftswachstums legen die Vermutung nahe, dass die geplante militärische Aufrüstung langsam, ungleichmässig und teuer sein wird – das öffnet Russlands Gegnern ein Zeitfenster, um eine massive Aufrüstung zu verhindern.»
Nach wie vor ist Putin überzeugt, dass er den Krieg gewinnen wird. Doch auch auf dem Schlachtfeld läuft es nicht wie geplant. Die rücksichtslose Art der Kriegsführung der russischen Armee fordert horrende Opfer. So stellt der «Economist» fest:
Auch die Verluste der Ukrainer sind hoch, doch gemäss «Economist» sterben fünfmal mehr Russen.
Die hohen russischen Verluste sind die Folge einer veralteten, noch auf die Sowjetzeit zurückgehenden Militärdoktrin. Doch das beginnt sich zu ändern. Die Militärexpertin Dara Massicot stellt ebenfalls in «Foreign Affairs» fest, dass die Sowjet-Doktrin zunehmend einer modernen Kriegsführung weicht. «Das Resultat sind neue Taktiken auf dem Schlachtfeld und bessere Waffen», so Massicot.
Gemäss Massicot ist die russische Armee durchaus lernfähig. Es besteht daher die Gefahr, dass Putin nach Ende der «militärischen Sonderaktion» über eine schlachterprobte, moderne Kriegsmaschinerie verfügt, die bereits Erfahrung mit Drohnen und KI hat. «Wollen sie nicht riskieren, in Rückstand zu geraten, müssen Washington und die europäischen Hauptstädte damit beginnen, ebenfalls vom Krieg in der Ukraine zu lernen», so Massicot.
