Brendan Buck, ein Stratege der Grand Old Party, zeigt sich besorgt. «Trump umgibt sich zunehmend mit unterwürfigen Menschen, die ihm alles sagen, was er zu hören wünscht», erklärte er gegenüber der «Financial Times». «Deshalb entfernt er sich immer mehr von der Realität.»
Dass Trump Laura Loomer mit an den 9/11-Gedenktag mitgeschleppt hat, hat selbst bei Republikanern Entsetzen hervorgerufen. Sie vertritt die absurde Verschwörungstheorie, wonach nicht Terroristen im Dienste von Osama bin Laden, sondern amerikanische Geheimdienste die Zwillingstürme des World Trade Centers in die Luft gesprengt haben.
Thom Tillis, ein konservativer Senator aus North Carolina und bisher standhafter Unterstützer des Ex-Präsidenten, erklärt deshalb: «Laura Loomer ist eine durchgeknallte Verschwörungstheoretikerin, die regelmässig ekelerregenden Unsinn absondert in der Absicht, die Republikaner zu entzweien. Eine von den Demokraten platzierte Agentin könnte keinen besseren Job machen, um die Gewinnchancen des Präsidenten zu vermindern.»
In gewohnter Manier versucht Trump jetzt, sich von Loomer zu distanzieren. Sie sei zwar eine interessante Frau, aber bloss eine von vielen Unterstützerinnen, und er sei keineswegs immer gleicher Meinung wie sie, liess er wissen.
Loomer ist jedoch kein Einzelfall. Seit Wochen driftet Trump immer deutlicher nach rechts. Die Ernennung von J.D. Vance war bloss der Anfang. Anstatt einen Gemässigten wie Marco Rubio oder Doug Burgum, den Gouverneur von North Dakota, zu seinem Vize zu ernennen, entschied er sich auf Rat von Einflüsterern wie Tucker Carlson, Elon Musk und seinem Sohn Donald Jr. für den Senator aus Ohio – und beging damit einen grossen Fehler.
Im Umfeld des Ex-Präsidenten tauchen Figuren aus der Neonazi-Szene auf, beispielsweise ein gewisser Timothy Hale-Cusanelli. Dieser sass wegen seiner Beteiligung am Sturm aufs Kapitol eine Gefängnisstrafe ab. Er trägt einen Hitler-Schnurrbart und verbreitet in den sozialen Medien antisemitische Posts. Er wurde zweimal auf Trumps Golfplatz Bedminster (New Jersey) in Begleitung von anderen Neonazis gesichtet.
Das ist kein Zufall. Während führende Republikaner es vermeiden, den 6. Januar 2021 zum Thema zu machen, kommt Trump davon nicht los. Er lässt bei seinen Rallyes einen Gefangenenchor von verurteilten Chaoten die Nationalhymne singen. Er preist sie als «Patrioten», bezeichnet sie als «Geiseln» und verspricht, sie am ersten Amtstag zu begnadigen, sollte er wieder Präsident werden.
Sein Wahlkampf-Team hat Trump ebenfalls umgekrempelt. Den erfahrenen Strategen Susie Wiles und Chris LaCivita stellt er neuerdings seinen alten Kumpel Corey Lewandowski zur Seite, ein Mann, der bekannt dafür ist, dass er keinerlei Skrupel kennt. Dabei ist bereits LaCivita ein Typ, der vor nichts zurückschreckt. Er hat seinerzeit die üble «Swift boat»-Schmutzkampagne gegen John Kerry ausgeheckt.
Offenbar will Trump mit Lewandowski noch einen Schritt weiter gehen. Das zeigt sich etwa in der absurden Behauptung, Haitianer würden in der Kleinstadt Springfield (Bundesstaat Ohio) Hunde und Katzen verzehren. Obwohl der Bürgermeister der Stadt und der Gouverneur des Bundesstaates dies energisch dementiert haben, und obwohl die Haitianer legal dort arbeiten, hält Trump – unterstützt von seinem Vize Vance – hartnäckig an dieser Verschwörungstheorie fest. «Wir werden die grösste Deportation in der Geschichte unseres Landes haben», verspricht Trump neuerdings. «Und wir werden mit Springfield und Aurora (Colorado) beginnen.»
Wahlstrategisch gesehen macht dies alles keinen Sinn. Angesichts der Tatsache, dass allgemein ein sehr enges Rennen um die Präsidentschaft erwartet wird, müsste Trump versuchen, die wenigen unentschlossenen Wählerinnen und Wähler auf seine Seite zu ziehen. Stattdessen stösst er sie vor den Kopf, ja, er verprellt gar den Teil der Republikaner, die in den Vorwahlen ihre Stimme Nikki Haley gegeben haben. Dass bekannte Namen der GOP wie Vater und Tochter Cheney, Mitt Romney und Mitglieder der Familie des verstorbenen Senators und Kriegshelden John McCain öffentlich erklären, für Harris zu stimmen, hat sich Trump selbst zuzuschreiben.
Weshalb ist Trump offensichtlich unfähig, auf die Ratschläge seiner Wahlkampf-Strategen und Anhänger der eigenen Partei zu hören und sich auf Wirtschafts- und Migrations-Themen zu konzentrieren? Warum handelt er so irrational? Ist es bloss die Tatsache, dass er ein pathologischer Narzisst ist?
Hier ein paar mögliche andere Gründe:
Auch in den jüngsten Umfragen zeigt die Niederlage Trumps in der Debatte inzwischen Spuren. Harris hat mittlerweile in den landesweiten Umfragen einen Vorsprung zwischen zwei und fünf Prozent. In den meisten Swing States liegt sie zudem leicht vorn. Damit ist zwar noch nichts entschieden. Es reicht jedoch aus, die Führung der GOP nervös zu machen und Trump dazu zu verleiten, immer wilder um sich zu schlagen und Trost in der ganz rechten Ecke zu suchen.
Früher hatten die Neonazis noch Baseballschläger, heute spielen sie Golf. Und genauso verhält es sich mit Trumps anderen Extremisten, mit denen er sich umgibt. Sie tragen zur Normalisierung vormals extremer Ideen bei. Das findet nicht nur in der US-Politik statt.
Irgendwie stimmt das überhaupt nicht positiv.